Erding:Jeder, wie er kann

"Flexijahr" und "Individuelle Lernzeit": Die drei Gymnasien im Landkreis Erding verstärken die Förderung schwacher Schüler mit einem ganzen Paket neuer Maßnahmen

Von Mathias Weber

Erding: Auch im Landkreis Erding können sich Gymnasiasten nun ein Jahr länger Zeit lassen für die Schule. Vereinzelt gibt es Schüler, die sich dafür entscheiden.

Auch im Landkreis Erding können sich Gymnasiasten nun ein Jahr länger Zeit lassen für die Schule. Vereinzelt gibt es Schüler, die sich dafür entscheiden.

Eine Handvoll Schüler machen den Anfang. Sie versuchen etwas, was es in dieser Form am Gymnasium noch nicht gegeben hat. Sie werden ihre alte Klasse verlassen und noch mal anfangen - freiwillig. Sie und ihre Eltern haben sich beraten lassen, denn die Noten waren nicht berauschend. Sie hätten den Sprung in die nächste Klasse geschafft, doch was hätte es ihnen gebracht? Die Lücken im Grundwissen sind zu groß, es wäre bis zum Abitur eine Zitterpartie geworden. Also lieber noch einmal versuchen, auch wenn es kein Spaß ist: Im Gegensatz zum normalen freiwilligen Wiederholen müssen die Schüler nachmittags da bleiben und intensiver an ihren Defiziten arbeiten. Sie absolvieren ein so genanntes "Flexijahr".

"Flexijahr" und "individuelle Förderung" - zwei Ausdrücke, die den Schulanfang an den drei Landkreis-Gymnasien bestimmen. Sowohl die zwei Erdinger als auch das Dorfener Gymnasium führen zum neuen Schuljahr das Flexijahr ein und erweitern zusätzlich die Angebote für individuelle Förderung schwacher Schüler deutlich. Möglich wird das durch eine Änderung in der bayerischen Bildungspolitik: "Individuelle Lernzeit am Gymnasium" heißt das Programm der Staatsregierung, das es Schülern ermöglichen soll, Verpasstes aufzuholen - möglichst individuell auf jeden einzelnen zugeschnitten. "Das ist die Zukunft", sagt die Direktorin des Anne-Frank-Gymnasiums in Erding, Helma Wenzl.

Die "Individuelle Lernzeit" richtet sich an Schüler der Mittelstufe, von der siebten bis zur neunten Klasse. Das ist die kritische Zeit: Mitten in der Pubertät, in der das Lernen schwer fällt. "Hier differenzieren sich die Begabungsprofile weiter aus und hier ist entwicklungsbedingt der individuelle Förderbedarf am größten", schreibt das Kultusministerium. Das Programm steht auf verschiedenen Säulen, die sich von Gymnasium zu Gymnasium unterscheiden.

So gibt es zuerst einmal zwei Varianten des Flexijahres: In der ersten Variante können Schüler, die nur knapp den Übertritt geschafft haben, freiwillig eine Klasse wiederholen. Dann fallen manche Fächer weg, Geschichte zum Beispiel, oder Sport, statt dessen werden die Hauptfächer intensiviert, in denen die Schüler im vergangenen Jahr Defizite hatten. Das passiert auch in der zweiten Variante des Flexijahres, in der sich die Schüler schon zu Beginn eines Schuljahres entscheiden, dieses innerhalb von zwei Jahren zu absolvieren.

Schulleiterin Wenzl sagt: "Der Wille zum individuellen Lernen ist Grundvoraussetzung für ein Flexijahr. " Doch hilft das Zusatzjahr den Schülern nichts, wenn nicht auch die individuelle Förderung - die zweite große Maßnahme - stimmt. Hier wird es spannend: Die Gymnasien können die Förderung der Mittelstufe abseits des eigentlichen Stundenplans weitgehend selbst gestalten. Am Anne-Frank-Gymnasium hat man sich beispielsweise für eine so genannte "modular angelegte fachliche Förderung" entschieden.

Alle Schüler der Mittelstufe können diese Module besuchen: Sie sitzen maximal zu zwölft zusammen in einem Modul, Physik zum Beispiel. Dann gilt es für die Lehrer, jedem Schüler speziell zu helfen, da sie aus verschiedenen Jahrgangsstufen kommen. Auch gibt es Beratungsgespräche, der Lernfortschritt werde genau gemessen. Das Anne-Frank-Gymnasium hat für die Förderung zwölf zusätzliche Lehrerstunden erhalten, in Dorfen waren es neun. Dort modularisiert man zwar nicht, dennoch gibt es am Nachmittag viele Zusatzangebote für schwache Schüler: Coaching-Gespräche, "Lernen lernen" in Kleingruppen, Hospitationen in Parallelklassen.

Dutzende Schüler nehmen dieses Jahr die individuelle Förderung in Anspruch, das Flexijahr an sich aber nur eine Handvoll. Für Kritiker ist das keine Überraschung: Wer, obwohl er es knapp in die nächste Klasse geschafft hat, wiederholt schon freiwillig?

Dennoch glauben die Erdinger Schulleiter an das Maßnahmenpaket. Gerhard Motschmann vom Gymnasium Dorfen verweist darauf, dass schon seit einem Jahrzehnt die individuelle Förderung gestärkt werde. Die Erfolge seien durchaus sichtbar: Die Wiederholungsquote falle bayernweit immer mehr. Wunder aber vollbrächten auch die neuen Maßnahmen nicht: "Wenn für manche Schüler das Gymnasium nicht funktioniert, funktioniert es eben nicht."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: