Erding:Jeder im eigenen Tempo

Für 32 Mädchen und Jungen an der Montessori-Schule in Aufkirchen beginnt heute ein neuer Lebensabschnitt. Manches läuft bei ihnen aber anders als an den Regelschulen

Cornelia Weber

- Die Einschulung des Sprösslings kann schön teuer werden - auch an der Montessori-Schule. Von Wachsmalkreiden über Buntstifte, Pinsel in verschiedenen Borstengrößen, Malkasten, Malblock bis hin zu Knete, Turnschuhen und Turnbeutel. Wie an allen Grundschulen bekommen die Eltern an der Montessori-Schule vor Schulbeginn eine Materialliste, eine akribische Auflistung an Utensilien zur Grundausstattung des Erstklässlers. Im Laufe der ersten Schultage müssen Eltern alles besorgt haben. In Summe berappen sie hierfür um die hundert Euro; Schulranzen, Mäppchen und Schultütenbefüllung kommen noch dazu. Trotz dieser Gemeinsamkeit ist an der Montessori-Schule so manches anders als an einer normalen Grundschule.

Erding: So lernt man in der Montessori-Schule Sätze bilden: Tilman, Sandra und Theresa Wirth

So lernt man in der Montessori-Schule Sätze bilden: Tilman, Sandra und Theresa Wirth

(Foto: Renate Schmidt)

In den Klassenzimmern der Montessori-Schule in Aufkirchen stehen lediglich wenige zusammen geschobene Tische und Stühle in der Raummitte. Bunt, voll und trotzdem aufgeräumt wirkt das Zimmer, in das man durch eine Glasscheibe aus dem Flur hinein sehen kann. Es gibt eine kleines Computereck mit einem PC, eine Kuschel-Lese-Ecke samt blau-weiß-gestreiftem Sofa und eine große Glasfront zum Garten hin. Statt kargen Schulwänden zieren offene Regale die Wände, randvoll mit Montessori-Materialien. Alles sieht ein bisschen aus wie ein Setzkasten.

Sandra Wirth, die Elternbeiratsvorsitzende der Schule und Mutter zweier Montessori-Schüler, beschrieb den Unterschied zum Lehren an einer Grundschule am Beispiel des Wortarten-Lernens. "In der Regelschule lernen die Schüler Verben als Tun-Wörter kennen." Laut Wirth stiftet dies Verwirrung. Die Montessori-Pädagogik halte hierfür "Das Märchen vom König Nomen" parat. Sandra Wirth erläuterte die Idee: Jeder Wortart ist ein Symbol in einer Farbe zugeordnet.

Ein lila Dreieck steht für Nomen, ein roter Kreis für Verben. Auf Figuren sind die Symbole aufgeklebt, mit den Figuren werden Sätze gebaut. Fortgeschrittene üben nur noch mit den Symbolen. So sollen Kinder gemäß Montessori-Pädagogik "spielerisch" und "mit allen Sinnen begreifen". Den Morgen beginnen die Kinder im Stuhlkreis. Jeder Schüler darf hier überlegen, womit er sich an diesem Tag beschäftigen möchte. Einen festen Stundenplan gibt es nicht, auch keine Noten und kaum Hausaufgaben. Der vom Kultusministerium vorgegebene Schulstoff muss bis Ende der vierten Klasse erfüllt sein. In welchem Jahr die Kinder die Lernziele erreichen, ist ihnen selbst überlassen. So greife die Montessori-Pädagogik möglichst wenig in die persönliche Entwicklung eines Kindes ein, wie Wirth erklärt.

Neben der "angenehmen Lernatmosphäre" sehe Wirth weitere Vorteile in der "Jahrgangsmischung": Schüler der Klasse eins bis drei besuchen gemeinsam die Grundstufe. Hier wird den "Erstis" für das gesamte Schuljahr ein Drittklässler als Pate zur Seite gestellt. Tochter Theresa durfte in ihren ersten beiden Schuljahren an einer normalen Grundschule nicht mehr lernen als von der Lehrerin vorgegeben. "Wenn Schüler freiwillig mehr machen, ist das doch super." Seit vier Jahren ist Mutter Sandra Wirth Geschichtslehrerin an der Montessori Fachoberschule in Freimann. "Mit manchen Leuten rede ich darüber nicht mehr. Ich habe keine Lust, mich ständig dafür zu rechtfertigen", sagte sie.

An diesem Donnerstag wird die sechsjährige Charlotte eingeschult, die jüngste Tochter von Sandra Wirth. Während für die beiden älteren Geschwister bereits um halb neun der normale Schulalltag beginnt, treffen sich alle "Erstis" samt Eltern, Großeltern, Paten und Freunden um zehn Uhr im runden Eingangsbereich der Schule.

Am Boden liegt ein kreisförmiger roter Teppichboden. "Hier werden die 32 Kinder empfangen", sagt Wirth. "Die Erstis sitzen dann alle auf dem Teppich. Das wird wieder ganz schön eng und laut." Die Erstklässler werden namentlich aufgerufen und steigen daraufhin mit ihrer Klasse, der Klassenlehrerin und einem pädagogischen Assistenten die Treppe hinauf ins Obergeschoss. Dann geht es los.

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