Erding:Interessante Produkte

Erding: Das Gebäude des Abwasserzweckverbandes in Eitting.

Das Gebäude des Abwasserzweckverbandes in Eitting.

(Foto: Renate Schmidt)

Es hatte sich ja ganz gut angehört: Im Landkreis haben die Stadt Dorfen und der Abwasserzweckverband in der Vergangenheit mit komplizierten Zinsgeschäften gearbeitet - und Verluste gemacht.

Von Mathias Weber, Erding

Wen freuen fallende Zinsen nicht? Sich Geld zu leihen, wird günstiger, und das gefällt neben dem einfachen Bürger auch Kommunen und kommunalen Unternehmen, die oft gleich einmal viele Hunderttausend Euro für ihre Aufgaben aufnehmen müssen. Derzeit sind die Zinsen historisch niedrig, doch vor gut zehn Jahren hat das noch ganz anders ausgesehen: Anfang der Nuller Jahre waren die Zinsen hoch - und die Kommunen haben Wege gesucht, sie zu drücken. In zwei Fällen im Landkreis ist das aber schief gegangen. Der Erdinger SZ liegt eine Auflistung der Staatsregierung von bayerischer Kommunen und kommunaler Unternehmen vor, die solche Finanzinstrumente nutzten oder nutzen. Demzufolge haben sich im Landkreis mehr als 500 000 Euro Verluste angehäuft.

Die Idee war eigentlich, bares Geld zu sparen: Sowohl der Abwasserzweckverband Erdinger Moos (AZV) als auch die Stadt Dorfen haben in den Jahren 2001 beziehungsweise 2005 Finanzprodukte in Anspruch genommen, die die Zinsen für ein Darlehen drücken sollten. Zwar sind die beiden Fälle recht risikoarm und sehr unterschiedlich gelagert - die Grundidee, auf Zinsentwicklungen zu wetten, ist jedoch die gleiche. Das Stirnrunzeln beim AZV in Eitting und in der Stadtkämmerei in Dorfen ist nun groß: Im Gespräch mit den Verantwortlichen ist durchaus spürbar, dass ihnen die Situation unangenehm ist. Allerdings sagen sie auch, dass sie wieder so handeln würde, damals hätten diese Finanzinstrumente durchaus Sinn gemacht.

In Dorfen könnte die Sache sogar noch gut ausgehen. Kämmerin Maria Bauer gibt Auskunft darüber, was passiert war: Für das Marienstift in Dorfen gab es bestehende Darlehen über 2,5 Millionen Euro. Eine Fachbank, deren Namen Bauer nicht nennen möchte, hatte ein Produkt angeboten, das den Zins dieser Darlehen verändern könne - zum finanziellen Vorteil der Kommune. Die Fachbank hatte das Produkt im Stadtrat vorgestellt, die Räte hatten keine Einwände. Bauer hat also zugesagt: Der feste Zins der Darlehen wurde gegen einen variablen getauscht. Das ist oft interessant, weil variable Zinsen häufig niedriger sind als ein Festzins. Damals waren die Zinsen hoch, ein niedriger würde für die Kommune ein Plus bedeuten - im Endeffekt war das eine Wette. Kämmerin Bauer sagt: "Die Bank hat uns ein sehr hohes Plus versprochen."

Aber dazu kam es nicht: Die Zinsen sind zwischenzeitlich noch weiter gestiegen, und die Stadt musste im Laufe der Jahre mehr als 70 000 Euro an zusätzlichen Zinsen zahlen. Aber jetzt fallen die Zinsen wieder, und das freut Bauer: "Ich rechne damit, dass wir bei Null rauskommen." Im kommenden Jahr läuft der Vertrag mit dem Finanzinstitut aus, dann werde man sehen, so Bauer, ob der Ausflug in den unübersichtlichen Finanzsektor weiter unangenehme Folgen hat. Sie hält mittlerweile sogar einen kleinen Gewinn für möglich.

Beim AZV hingegen weiß man, dass die dortigen Zinsgeschäfte ungut ausgegangen sind. Der für Finanzen zuständige Verwaltungsleiter Stefan Hellmann hatte 2001 bei der Commerzbank ein ähnliches Zinsgeschäft wie in Dorfen abgeschlossen. Und damals hatte das Produkt für ihn auch Sinn gemacht: "Das war ganz neu am Markt, es hat sich gut angehört", sagt er. Hellmann war sich aber auch bewusst darüber, dass "das kein alltägliches Geschäft war", wie er heute sagt.

Der Verwaltungssauschuss des Zweckverbandes war über das Vorhaben informiert und hat zugestimmt. Hellmann hat das Zinsgeschäft eingefädelt, doch die Geschichte macht ihm einen Strich durch die Rechnung. "Der 11. September 2001 hat alles verändert", sagt er. Nach den Terroranschlägen haben die Zinsen in die falsche Richtung ausgeschlagen, und der AZV hatte sich verzockt: Hätte man das Geschäft nur ein Jahr später gemacht, man hätte mehr als 400 000 Euro sparen können. Damit muss Finanzfachmann Hellmann nun leben: Dieser Fehler werde ihm seitdem immer wieder vorgehalten, wie er sagt. Und das, obwohl der AZV seine Finanzen durchaus unter Kontrolle hat. Auch für die Dorfener Kämmerin Bauer stellt sich die Frage nach neuen Zinsgeschäften erst einmal nicht: Bei weniger als einem Prozent Zinsen muss sich derzeit eh niemand beschweren. "Aber die Zeiten können sich ändern: Vielleicht gibt es irgendwann wieder interessante Produkte", sagt sie.

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