Erding:Industriedenkmal wird 100 Jahre alt

Von 1915 bis 1982 war der Wasserturm in Betrieb. Martin Neumaier hat ihn mit seiner Sanierung gerettet

Von Thomas Daller, Erding

Vor 100 Jahren, im Sommer 1915, ist der Erdinger Wasserturm fertiggestellt worden und in Betrieb gegangen. Er diente nicht nur der Wasserversorgung, sondern wurde bei Bränden auch als Feuerlöschvorrat genutzt. Der Erdinger Wasserturm war einer der ersten Eisenbeton-Wassertürme, die in Deutschland gebaut wurden. Der Wasserturm ist somit auch das bisher einzige Industriedenkmal in Erding und bezeugt exemplarisch die materialtechnische Innovation zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Die Anfänge der Erdinger Wasserversorgung gehen auf das Jahr 1798 zurück, Damals wurde für 3000 Mark das erste Brunnenwerk errichtet. Knapp 30 Jahre später verfügte ganz Erding über neun private Wasseranschlüsse. Nachdem vor allem die Handwerker nach weiteren Anschlüssen verlangten, wurde 1828 das Brunnenhaus erweitert, wovon die Wasserversorgung profitierte. Zu dieser Zeit kostete laut Chronik ein Eimer Wasser drei Pfennige.

4000 Einwohner zählte die Stadt, als 1913 ein elektrisch-automatisches Wasserwerk gebaut wurde, um eine Wasserversorgung mit ausreichendem Druck zu gewährleisten. 1914 wurde mit dem Bau des Wasserturms begonnen und 1915 wurde er fertiggestellt.

216 Kubikmeter Fassungsvermögen hatte der Wasserturm und bis 1982 diente er damit der Versorgung des Erdinger Stadtgebietes einschließlich der zugehörigen Ortsteile und Teilen des Erdinger Fliegerhorstes. Dann nahmen die Stadtwerke in Lupperg einen neuen, fast 10 000 Kubikmeter fassenden Trinkwasserbehälter in Betrieb und der alte Wasserturm wurde stillgelegt. Bereits kurz nach dieser Stilllegung wurde er in die Bayerische Denkmalliste aufgenommen und gilt daher auch überregional als bedeutendes Industriebauwerk.

Doch die Aufnahme in die Denkmalliste schützte ihn nicht vor dem Verfall: Leer stehend und mit undichtem Dach wurde der Turm immer maroder und musste sogar mit einem Schutznetz abgedeckt werden, um Unfälle durch herabfallende Ziegel zu vermeiden. Der Anblick schmerzte besonders den Bauingenieur Martin Neumaier, der in seiner Kindheit von seinem Fenster aus einen direkten Blick auf den Wasserturm hatte. Er bewarb sich bei der Stadt darum, den Wasserturm zu kaufen. Auf einen Kauf ließ sich die Stadt zwar nicht ein, aber man bot Neumaier an, den Wasserturm für die Dauer von 30 Jahren zum symbolischen Preis von einem Euro pro Jahr zu mieten. Sämtliche Ausbaukosten, die auf Grund des desolaten Zustands immens waren, gingen jedoch zu seinen Lasten.

2004 begann er mit den Arbeiten, Mitte 2005 konnte er sein neues Ingenieurbüro im Wasserturm beziehen. Welche Summen er in die aufwendige Sanierung gesteckt hat, darüber schweigt er sich heute noch aus. Aber er hat sich einen Kindheitstraum damit erfüllt. Und er ist sehr behutsam bei der Sanierung vorgegangen und hat Teile der Technik integriert: Er hat einen Teil der Tanks und der alten Gussrohre erhalten. Auch ein Teil der alten Leiter, die ab dem dritten Stock der einzige Weg nach oben war, steht noch: von oben zu sehen durch eine Glasplatte im Fußboden.

Und der Bauingenieur ist immer noch begeistert von dem Blick über die Stadt, den er von seinem Büro aus hat. Er schwärmt von den Sonnenuntergängen, dem Blick aufs Feuerwerk an Silvester und beim Herbstfest, aber insbesondere die Bewegung der Sonne im Jahreszyklus hat es ihm angetan: "Den einen Tag geht die Sonne noch links vom Stadtturm unter, am nächsten Tag schon rechts, das sieht man von unten gar nicht. Oder die Winter- und die Sommersonnenwende: das klafft immens auseinander." Und bei Stürmen, schwankt dann der Turm? "Ein bisschen schwankt er immer, aber so, dass man es merkt, das habe ich erst drei mal erlebt."

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