Erding:Indizienprozess

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Von Donnerstag an steht der Erdinger Frauenarzt Michael B. vor Gericht. Der 55-Jährige ist angeklagt, seine Ehefrau getötet zu haben. Da er die Tat bestreitet und die Beweislage dünn ist, ist der Ausgang des Verfahrens ungewiss

Von Florian Tempel, Erding

Es wird das spannendste Gerichtsverfahren des Jahres: Am Donnerstag beginnt am Landgericht Landshut der Prozess gegen den Erdinger Frauenarzt Michael B. Der 55-Jährige bestreitet nach wie vor vehement, Anfang Dezember vergangenen Jahres seine Ehefrau Brigitte B. in ihrem Reihenhaus im Erdinger Stadtteil Pretzen getötet zu haben. Da die Beweislage dünn ist, wird Staatsanwalt Klaus Kurz versuchen, das Gericht mit einer Kette aus Indizien davon zu überzeugen, dass nur Michael B. und kein anderer der Täter sein kann. Auf der anderen Seite werden gleich vier Verteidiger, darunter zwei Jura-Professoren, alles daran setzen, die Aussagekraft der Indizien zu erschüttern und so ihren Mandanten vor einer Verurteilung zu bewahren. Für den Prozess sind 29 Verhandlungstage bis Ende Januar angesetzt.

Der Angeklagte Michael B. ist ein renommierter Gynäkologe. Bevor er sich 2012 mit einer Praxis in Erding niederließ, war er jahrelang Chefarzt an kirchlichen Krankenhäusern in Bremen und Osnabrück sowie Professor für Frauenheilkunde an der Medizinischen Hochschule Hannover. Er war zudem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin und als Gutachter in Zivil- und Strafprozessen tätig. In Erding war er Mitglied des lokalen Rotary Clubs und sogenannter Clubmeister des Elite-Vereins.

Am 4. Dezember 2013 kam Michael B. gegen 19.15 Uhr zu einem Nachbarn und bat ihn, einen Rettungsdienst zu verständigen. Er habe eben zuvor seine Ehefrau leblos im Bad seines Hauses gefunden. Schon dem Notarzt, der wenig später die Leiche als erster untersuchte, fiel auf, dass die Frau offensichtlich eines gewaltsamen Todes gestorben war. Die Obduktion im rechtsmedizinischen Institut in München ergab, dass Brigitte B. zunächst grob verprügelt und schließlich erwürgt oder erstickt worden war.

Für die Festnahme von Michael B. waren zwei Gründe ausschlaggebend: Die Kripo fand keine Hinweise und Spuren, dass ein unbekannter Dritter am Tatort war. Und es gab "ganz massive Zweifel an seiner Einlassung, unter welchen Umständen er seine Frau aufgefunden haben will", sagte ein Polizeisprecher nach der Festnahme. Da Michael B. zudem kein Alibi für den schnell eingrenzten Todeszeitpunkt seiner Frau vorweisen konnte, reichte das, um ihn in Untersuchungshaft zu nehmen.

Die weiteren Ermittlungen gestalteten sich allerdings schwierig. Ein ungewöhnlicher Presseaufruf der Polizei machte das schnell deutlich: Fünf Tage nach der Tat wurde in der Presse ein Foto von Michael B. veröffentlich und gefragt, "wer hat diesen Mann am Mittwoch, 4. Dezember 2013, zwischen 11.40 und 19.15 Uhr in Erding oder Umgebung gesehen?". Die nachträgliche Öffentlichkeitsfahndung brachte keine greifbaren Erfolge. Auch Ermittlungen der Kripo Erding im persönlichen Umfeld von Michael B. führten offenbar zu keinen klaren Erkenntnissen, welches Motiv er gehabt habe, seine Frau zu töten. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft räumte ein, "bei dem Bisschen, was wir bis jetzt haben, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als zurückhaltend zu sein". Und: "Ein dringender Tatverdacht macht noch keine Anklage oder eine Verurteilung."

Andererseits scheiterten die Verteidiger von Michael B. mit einer im Februar eingelegten Haftbeschwerde, in der sie wegen der dürftigen Beweislage die Freilassung ihres Mandanten aus der Untersuchungshaft forderten. Das Landgericht und in zweiter Instanz auch das Oberlandesgericht München sahen die Verdachtsmomente als ausreichend für eine Inhaftierung an. Staatsanwalt Kurz ließ dann bis zur Anklageerhebung Anfang Juli zahlreiche kriminaltechnische und rechtsmedizinische Gutachten anfertigen, denen im Prozess besondere Bedeutung zukommt. Er braucht sie um eine überzeugende Indizienkette zusammenbauen zu können.

Die Anklageschrift ist auf den ersten Blick ungewöhnlich kurz. Sie besteht aus nur vier Sätzen. Die Kürze der Anklageschrift ergibt sich allerdings daraus, dass es offensichtlich an klaren Beweisen mangelt und ein Nachweis - wenn überhaupt - nur auf der Basis von Indizien möglich sein kann. Indizien haben, da sie für sich alleine keine Beweiskraft haben, in einer Anklage nichts zu suchen.

Indizienprozesse sind gleichwohl weder selten noch selten erfolgreich. Das Landgericht Landshut verurteilte beispielsweise 2007 einen Mann wegen Mordes an seiner Lebensgefährtin, obwohl die Leiche der Frau nie gefunden wurde. Zudem konnte weder einen Tatort ermittelt werden noch, wie die Frau ums Leben kam. Dennoch gab es so viele und zueinander nahtlos passende Indizien, dass sich das Gericht in seinem Urteil zweifelsfrei sicher war.

© SZ vom 05.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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