Erding:In der Warteschleife

Der Eröffnungstermin für das Flüchtlingszentrum am Fliegerhorst Erding steht noch immer nicht fest. Eines ist jetzt aber entschieden: Die Zufahrt aufs Gelände erfolgt weit im Osten an der B 388

Von Florian Tempel, Erding

Die offiziellen Informationen zum im Aufbau befindlichen Durchgangszentrum für Flüchtlinge am Fliegerhorst Erding bleiben spärlich. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das für das Flüchtlingszentrum verantwortlich ist, hat aber wenigstens eine echte Nachricht: Der Ein- und Ausgang zum Flüchtlingsbereich mitten im Fliegerhorst wird im Osten an der Bundesstraße B 388 liegen. Ansonsten nichts Neues: Die Arbeiten seien im Gang. Es werden zunächst 1500 Schlafplätze eingerichtet, später seien bis zu 5000 möglich. Und: "Einen Eröffnungstermin können wir nicht nennen."

Was kommt, wenn es los geht, auf Erding zu? Ein Anruf bei Barbara Unger (CSU), der Bürgermeisterin der Gemeinde Feldkirchen bei Straubing, bringt da mehr Erkenntnisse. In ihrer Gemeinde ist seit knapp zwei Wochen das erste Durchgangszentrum des Bundes auf einem Teil der Gäubodenkaserne in Betrieb. Schon beim Aufbau des Camps habe sie erfahren, "in Erding kommt das gleiche hin". Seit der Eröffnung in Feldkirchen gehe "auf den Zufahrtsstraßen die Post ab", sagt Unger, "permanent kommen Busse und fahren wieder ab". Zu jeder Tageszeit. Allein in der Nacht auf Mittwoch kamen etwa 700 Flüchtlinge aus der bayerischen Grenzregion nach Feldkirchen. Außerdem herrsche reger Verkehr durch die knapp 300 Mitarbeiter des Bamf, der Bundeswehr, des Technischen Hilfswerks (THW) und des Roten Kreuzes, die im Flüchtlingscamp arbeiten, aber außerhalb des Geländes in Hotels und Pensionen logieren. "In der ganzen Gegend ist kein Zimmer mehr frei", sagt Unger. Dazu kommen die Anlieferung von Essen, Getränken und allen möglichen anderen Dingen.

Ein nicht kleiner Teil der Flüchtlinge, Unger schätzt 20 bis 30 Prozent, würden das Durchgangscamp von sich aus wieder verlassen, noch vor oder gleich nach ihrer Registrierung. "Es wird ja keiner eingesperrt." Die "jungen Burschen" gingen in kleinen Gruppen, die Familien mit ihren Kindern an der Hand und Babys auf dem Arm. Tag für Tag wandere "ein Flüchtlingstreck" durch ihre Gemeinde. "Wir kennen das jetzt nicht mehr nur aus dem Fernsehen", sagt Unger, "bei uns ist das vor unseren eigenen Türen angekommen".

Alle, die den umzäunten und mit Stacheldraht bewehrten Flüchtlingsbereich aus eigenem Antrieb verließen, hätten das gleiche Ziel: den sechs Kilometer entfernten Bahnhof in Straubing. "Viele wollen nach Hamburg oder Dortmund oder nach Schweden - die wollen weiter, sonst nichts". Unger rät: "Stellen sie Wegweiser zum Bahnhof Erding auf, in englischer Sprache." Flüchtlinge, die genügend Geld haben, reisten per Taxi weiter. Vor dem Eingang des Flüchtlingszentrums "steht immer eine Wartereihe von Taxis."

Die in schnellem Rhythmus neu ankommenden Flüchtlinge seien bei ihrer Ankunft in der Gäubodenkaserne verunsichert, sagt Unger. Sehr hilfreich sei es da, dass ein Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, der das Flüchtlingscamp bewacht und für Ordnung sorgt, mehrere orientalische Sprachen spreche. "Das ist ein unheimlich freundlicher Mann", sagt Unger, "der geht sofort in die Busse rein und bringt das gleich so in geordnete Bahnen, das ist unglaublich". Überhaupt seien alle Mitarbeiter, ob vom Bamf, den "helfenden Händen" der Bundeswehr, dem Roten Kreuz oder THW, sehr freundlich im Umgang mit den Flüchtlingen: "Die Menschen werden als Menschen behandelt."

Viele Neuankömmlinge hätten großen Hunger, sagt die Bürgermeisterin. Die Essensversorgung sei gut, auch wenn es noch keinen Caterer gebe, der warmes Essen auftischt. Es gebe ordentliche Lunchpakete, mit Semmeln und Brot, Putenwurst und Salaten, warme Milch für die Kinder, Kaffee und Tee für die Erwachsenen. Jeder Flüchtling erhalte schnell eine Chipkarte, mit der er in einem großen Zelt Essen und Getränke erhalte. Ein ebenso großes Bedürfnis sei für viele, eine SIM-Karte für ihr Mobiltelefon zu kaufen. Auch das sei mittlerweile im Flüchtlingszentrum möglich. "Besorgen Sie wen, der in Erding SIM-Karten verkauft, das ist ganz wichtig!" Und: Zigaretten seien ebenso gefragt. Bald werde man auch einen mobilen Verkaufsstand für Lebensmittel haben, "das haben wir auch schon organisiert".

Ob die Feldkirchener Bürger Angst vor den Flüchtlingen haben? "Das eher nicht", sagt Bürgermeisterin Unger. Ihre Mitbürger trügen die Situation "mit Fassung", fragten sich allerdings, "wie lange das so weiter geht". Bis auf die Flüchtlinge, die vorbei marschierten, "kriegen die ja nicht viel mit". Sie selbst sei als Bürgermeisterin jeden Tag im Flüchtlingszentrum. Und wenn sie dort die vielen Menschen sehe, Familien mit kleinen Kindern oder junge Erwachsene, die keine richtigen Schuhe haben, sondern nur in Flipflops unterwegs sind, "dann habe ich vor allem Mitleid, das geht mir unter die Haut".

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