Erding:Hochwassergefahr stoppt Wohnungsbau

Erding: Der Erdinger Westen: Im Süden kommt der Itzlinger Graben (gepunktete Linie) durch Altenerding nach Klettham.

Der Erdinger Westen: Im Süden kommt der Itzlinger Graben (gepunktete Linie) durch Altenerding nach Klettham.

(Foto: SZ Grafik)

Eine "Katastrophe" für Erding: Dem Stadtrat sind Analysen zum Hochwasser präsentiert worden, die massive Auswirkungen auf die Stadtentwicklung haben. Die Planungen für zwei Wohngebiete ruhen.

Von Mathias Weber, Erding

Kleine Gewässer, riesige Auswirkungen: Nicht jedem Erdinger sind die Namen einiger Bäche und Gräben bekannt, die um und durch die Stadt laufen; der Wiesengraben im Osten zum Beispiel oder der Aufhauser Graben im Süden. Sollten sie aber eines Tages wieder ähnlich massiv über ihre Ufer treten wie beim Jahrhunderthochwasser 2013, können sie, wie damals, zu großen Überschwemmungen führen. Und nicht nur das: Weil grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass noch unbebaute Gebiete innerhalb der Stadt überschwemmt würden, verlangt es das Gesetz, dass diese Flächen auch unbebaut bleiben. Das bedeutet: Zwei wichtige in Planung befindliche Baugebiete - das Erdbeerfeld, also ein Teil der westlichen Sandgrubensiedlung in Klettham, sowie das Gebiet zwischen Haager Straße und der Bundesstraße B 388 in Altenerding - können derzeit nicht weiterentwickelt werden. Die Planungen ruhen.

Um auf Basis von belastbaren Fakten die Hochwasserproblematik in Erding diskutieren zu können, hatte die Stadt das Ingenieurbüro Aquasoli aus Traunstein mit detaillierten Untersuchungen beauftragt. Einen ersten Teil dieser Analysen stellte Ingenieur Florian Pfleger am Mittwoch dem Stadtrat vor: Anhand von sehr genauen Landkarten zeigte er auf, welche Flächen und Gebäude im Stadtgebiet im Falle eines hundertjährigen Hochwassers in Erding betroffen wären. Welche Gebiete das im Groben sind, dürfte den Erdingern seit dem Junihochwasser 2013 klar sein. Doch noch nie wurde der gefährdete Bereich so detailreich dargestellt. Umso beeindruckender war Pflegers Kartenmaterial, da er sich bei den Analysen nur auf die Gewässer dritter Ordnung bezog, also auf die kleinen Bäche und Gräben. Die größeren Flüsse zweiter Ordnung, die Sempt etwa, waren gar nicht Teil seiner Untersuchung. Ihnen wird sich das Büro separat widmen. Auch die Grundwasserproblematik spielte in dieser Untersuchung keine Rolle.

Im Detail erklärte Pfleger den Stadträten und den gut 50 interessierten Besuchern, wie sich kleine Gräben zu Wasserfallen auswachsen und dann Dutzende von Wohn-, Geschäfts- und Produktionsgebäude im gesamten Stadtgebiet gefährden können. Meistens sei der Mensch schuld: Wenn die Bäche zum Beispiel "verrohrt" sind, also unterirdisch in Röhren laufen, und das Wasser nicht mehr aufnehmen können und es sich dann oberirdisch einen Weg sucht. Oder bei Gittern vor Durchlässen unter größeren Straßen, in denen sich Schwemmgut staut - und daraufhin das Wasser. Ein besonderer Fall ist der Itzlinger Graben im Osten Erdings. Er schlängelt sich unter der B 388 an der Therme vorbei nach Norden durch Altenerding bis zur Dachauer Straße. Eigentlich gibt es nun ein Gefälle, das den Graben weiter nach Norden laufen lassen würde. Im Wohngebiet südlich der Dachauer Straße macht der Graben aber einen 90 Grad-Knick nach Osten, sodass er in die Sempt fließt - ganz offensichtlich eine von Menschen gemachte Führung. Bei Hochwasser ist diese neue Führung dem Graben aber egal: Er fließt weiter in die natürliche Richtung nach Norden - über die Dachauer Straße in das Erdbeerfeld, dort, wo derzeit ein Wohngebiet geplant wird.

Durch die Analyse zeigt sich nun, dass das Erdbeerfeld ein Überschwemmungsgebiet ist. Was das rechtlich bedeutet, erläuterte Andreas Erhard vom Rechtsamt der Stadt. Das Bayerische Wassergesetz sieht grundsätzlich vor, dass für Überschwemmungsgebiete im Außen- wie im Innenbereich ein Bauverbot gilt. Im Innenbereich kann auf kleinen Baulücken gebaut werden. Für die neuen Siedlungen ist das egal: Die Gebiete Sandgrubensiedlung West und Haager Straße Ost sind Überschwemmungsgebiete, rechtlich gibt es keine Möglichkeit, die Bauleitplanung weiter zu treiben. Ein Grund wäre hierfür zum Beispiel, dass die Bebauung der Gebiete von hohem öffentlichen Belang sei - "Wohnbebauung ist das aber kein hoher öffentlicher Belang", sagte Erhard.

Erding: Östlich der Haager Straße und westlich der B388 ist ein Wohngebiet geplant.

Östlich der Haager Straße und westlich der B388 ist ein Wohngebiet geplant.

Die Stadträte zeigten sich schockiert. Dies sei eine sehr ernste Situation, sagte Jakob Mittermeier von der CSU, für die Stadtentwicklung "eine Katastrophe". "Wo kann man in Erding noch anbauen?", fragte er. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) wollte die Analyse des Ingenieurbüros als einen Puzzlestein in einem zukünftigen gesamtheitlichen Hochwasserkonzept verstanden wissen, aber die Stadträte wollten Konkretes: Wie geht es jetzt weiter, ist die Situation zu beseitigen?

Ingenieur Pfleger sagte, dass es technisch durchaus Möglichkeiten gäbe, den Gräben wieder ihre ursprüngliche Form zu geben, dem Wasser neue Wege zu weisen. "Wie viel das kostet, wird man sehen", sagte er aber auch.

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