Erding:"Heute stirbt unser Steg"

Lesezeit: 3 min

Weg kommt sie: Bauarbeiter reißen die Brücke in Altenerding ab (Foto: Renate Schmidt)

Die Altenerdinger sind stinksauer: Ihre kleine Brücke über die Sempt wurde wegen Hochwassergefahr abgerissen - trotz großer Bürgerproteste. Doch ein Neubau scheint möglich.

Von Mathias Weber, Erding

Hans Huber hält mit seiner Meinung ganz bestimmt nicht hinter dem Berg. Viele Freunde in der Stadtverwaltung hat er sich damit in den vergangenen Jahren nicht gemacht - das gibt er ganz offen zu. Denn was sich derzeit in Altenerding abspielt, hält er für eine "Dummheit", für eine "Sauerei", für "Aktionismus". Und er ist entlang der Sempt nicht der einzige, der das so sieht.

Am frühen Freitagmorgen hat ein Bautrupp an die Petersbergstraße damit begonnen, den Steg über die Sempt abzureißen, der die Petersbergstraße auf der einen Seite mit der Landgerichtstraße auf der anderen verbindet. Der Grund: die Hochwassergefahr am Fluss. Beim großen Hochwasser im Juni 2013 wurden große Teile Altenerdings entlang der Sempt überschwemmt. Ein Grund dafür, sagt Josef Höschl vom Wasserwirtschaftsamt München, sei eben auch diese eine kleine Brücke gewesen. Sie lag tief, nur wenige Zentimeter über dem Wasserspiegel. Als das Wasser damals stieg, hatten sich Bäume und anderes Treibgut an der Brücke verfangen, das Wasser wurde gestaut und die Keller der Nachbarschaft liefen schnell voll.

So sieht es zumindest das Wasserwirtschaftsamt, und so sieht es auch die Stadt Erding: Das Brücklein an der Sempt ist eine Gefahrenquelle. Ein neues Hochwasser könne jederzeit wieder auftreten, sagt Höschl. Und für diesen Fall wolle er nicht für Schäden verantwortlich sein, sagte Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) bei der jüngsten Stadtratssitzung. Das Wasserwirtschaftsamt hatte die Empfehlung ausgesprochen, den Steg abzureißen. Die Entscheidung, das aber wirklich zu tun, hat die Stadt Erding gefasst.

Unterschriften wurden gesammelt

Jetzt ist es also passiert: Der Steg, den es schon so lange gibt, wie die ältesten Altenerdinger sich erinnern können, verschwindet. Schon als erste Pläne zum Abriss publik wurden, ging ein Aufschrei durch Altenerding. Unterschriften wurden gesammelt, bis zu 850 Stück, heißt es. Geholfen hat der Protest nichts. Die Arbeiter haben die Holzplatten entfernt, jetzt muss noch der fest betonierte Stahlträger weg, der sie getragen hatte.

Für die Anwohner in Altenerding ist der Abriss nun erst einmal unbequem: Sie verlieren eine schnelle Abkürzung über die Sempt. Während des Gespräches mit Anwohner Hans Huber kommen immer wieder Radfahrer vorbei, die gar nicht wussten, dass der Steg ab sofort gesperrt ist - und ärgern sich über den Umweg. Auch sie sind richtig sauer. Nun muss man entweder die Brücken südlich Am Altwasser benutzen oder nördlich über die Ardeostraße. Gerade ältere Bürger, sagt Huber, hätten es nun schwerer: Wenn sie von Osten zum Beispiel in die Kirche am Hofmarkplatz wollten oder von Westen zum Supermarkt. Am Bauzaun haben die Bürger sogar Transparente angebracht: "Heute stirbt unser Steg", heißt es, "Geld für Fischtreppen, kein Geld für neuen Steg" und "Wir Anwohner fordern seine Wiedererrichtung!"

Den Altenerdingern kommt der Abbruch reichlich sinnlos vor. Sie sagen, wenn vor Erding in einigen Jahren ein großes Hochwasserüberlaufbecken entstehen wird, dann wird die Sempt auch kein Hochwasser mehr bis an die Petersbergstraße führen - der Steg wäre auch kein Nadelöhr mehr. Das Wasserwirtschaftsamt allerdings sieht das anders: Auch wenn das Becken im Oberlauf der Sempt kommt, werde man nicht auf technischen Hochwasserschutz entlang der Sempt verzichten können. Wahrscheinlich wird dann ein Damm auf Hüfthöhe entlang des Flusses gebaut.

Würde man eine neuen Steg wollen, so kann der nur geplant werden, wenn das Hochwasserschutzkonzept für die Stadt Erding vorliegt, an dem derzeit gearbeitet wird. So äußerte sich Oberbürgermeister Gotz im Stadtrat. Offenbar wäre der Bau eines neuen Steges dann keine ganz kleine bautechnische Herausforderung: Um nicht wieder zu nah an den Fluss zu kommen, müsste der Steg höher gebaut werden, hochwasserfest natürlich, und womöglich mit Stufen. Teuer würde es dann werden, sagt Josef Höschl, wenn man einen neuen Steg auch barrierefrei machen wolle - in Altenerding spricht man von Kosten bis zu einer Million Euro. Offenbar war wohl bei der Stadt auch einmal angedacht, den jetzigen Steg zu erhöhen, sagt Höschl: "Man ist aber zu der Erkenntnis gekommen, dass das den Aufwand nicht wert sei."

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: