Erding:Hässliche Kratzer am friedlichen Image

Die Messerattacke von Bad Tölz schockt die Eishockeyszene - doch auch in Dorfen und Erding häufen sich die Zwischenfälle

Matthias Vogel

Die Messerattacke auf den 20-jährigen Eishockeyfan während des Oberligaspiels zwischen den Teams der Tölzer Löwen und Deggendorf Fire hat die Szene aufgeschreckt. Der Anhänger der Deggendorfer bekam im Verlaufe einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem offenbar dem Tölzer Lager angehörigen Fan eine Klinge in den Rücken gerammt. Er überlebte den Angriff. Das schreckliche Ereignis hat dann die Partie zwischen den Erding Gladiators und den Tölzer Löwen in der Erdinger Eissporthalle am vergangenen Wochenende zu einer Art Sicherheitsspiel gemacht. Verantwortliche und Polizei fürchteten einen Racheakt der Deggendorfer.

Erding: Fans des EHC Klostersee zünden in der Erdinger Eissporthalle bengalische Feuer, ein ehrenamtlicher Ordner versucht einzuschreiten. Foto: Baumann

Fans des EHC Klostersee zünden in der Erdinger Eissporthalle bengalische Feuer, ein ehrenamtlicher Ordner versucht einzuschreiten. Foto: Baumann

(Foto: Baumann)

Mit dem Etikett der Friedfertigkeit ihrer Fans ging der Eishockey stets hausieren. Dieses Image hat durch den schrecklichen Vorfall einen dicken Kratzer erhalten. Sowohl Wolfgang Krzizok, stellvertretender Spartenchef bei den Gladiators, als auch Peter Ratajak, Chef des Bayernligisten ESC Dorfen, sind sich zwar sicher: Eine Tat dieser Qualität war die eines einzelnen Fehlgeleiteten. Keinesfalls dürften die gesamte Szene über einen Kamm geschert werden. Aber Krzizok sagt auch: "Die Gewaltbereitschaft hat merklich zugenommen."

Einige Beispiele aus der laufenden Saison haben ihn zu diesem Schluss kommen lassen: Tölzer Anhänger klagten nach dem Spiel ihrer Löwen beim EHC Klostersee in Grafing über zerkratzte Autos, abgebrochene Rückspiegel und darüber, bei der Abfahrt mit Steinen beworfen worden zu sein. In Erding lieferten sich Klostersee-Anhänger und Gladiatoren-Gefolgschaft eine heftige Keilerei. In Erding zündeten Klostersee-Fans einen "Bengalo". "Etwas, was in der Halle überhaupt nicht geht", sagt Krzizok.

Und auch während der Begegnung mit den Black Hawks Passau drohte in der Erdinger Eissporthalle die Situation zu eskalieren, als ein Spieler der Niederbayern nach dem Ausgleich der Gladiatoren das Publikum provozierte und selbiges ihn daraufhin bespuckte und mit Bier überschüttete. Das Szenario gipfelte mit dem Schlägerschlag des Spielers gegen den Kopf eines unbeteiligten 15-jährigen Zuschauers, der dadurch eine dicke Platzwunde davontrug. In der Bayernliga wollten in dieser Saison Dorfener Fans die Kabine des Schiedsrichters stürmen - zum Glück ohne Erfolg.

Dem vermeintlichen Racheakt wurde gründlich vorgebeugt. Die Erdinger Polizei zeigte am Sonntag starke Präsenz in der Eissporthalle, laut Krzizok und Anton Altmann, Leiter der Polizeiinspektion Erding, stets ein sehr wirkungsvolles Präventionsmittel. Darüber hinaus habe Deggendorfs Vorsitzender Manfred Heidel, selbst bei der Kriminalpolizei angestellt, im Vorfeld den Kontakt zu den führenden Köpfen der eigenen Anhängerschaft gesucht. "Er hat uns daraufhin hoch und heilig versprochen, es sei nichts zu erwarten", so Krzizok. Damit habe er allerdings auch nicht gerechnet. "Ich bin in einigen Fan-Foren angemeldet und habe festgestellt, dass die Szene von der Messerattacke zutiefst geschockt und eher zusammengerückt ist."

Die Vereine sind nun für Spiele mit Konfliktpotential mehr denn je sensibilisiert. Nach besten Kräften werden sie in Zusammenarbeit mit der Polizei versuchen, für die Sicherheit in den Hallen zu sorgen. Was bleibt, ist die Suche nach den Ursachen für die gestiegene Gewaltbereitschaft. "Imponiergehabe spielt sicher eine Rolle. Meistens sind das Jüngere, die es schick finden, wenn 'Ultras' auf ihrer Jacke steht", sagt Krzizok. Ratajak glaubt, immer mehr würden versuchen, ihren privaten Frust bei solchen Sportveranstaltungen abzuladen.

Krzizok glaubt außerdem, dass die Hemmschwelle mehr und mehr fällt, das Gefühl für fremdes Eigentum mehr und mehr abhanden kommt. "Das halte ich für sehr bedenklich." Zustände wie in England, wo Fußball-Hooligans wegen ihres Stadionverbots nun bei Eishockeyspielen Krawall machen, fürchtet Krzizok aber nicht. Wegen begrenzter Personalressourcen bei der Polizei und dem fehlenden Geld für professionelle Security halten sowohl Ratajak als auch Krzizok den Dialog mit den eigenen Fans für unabdingbar. Die meisten seien ja um friedliche Stimmung bemüht, so der Tenor.

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