Vortrag:Ganz nah dran

Der Heute-Journal-Moderator Claus Kleber spricht bei der Sparkasse Erding über Amerika und Barack Obama. Und er gibt Einblicke in den Entstehungsprozess eines Nachrichtenmagazins

Von Antonia Steiger, Erding

Mit den Nachrichten im Deutschlandfunk morgens um 7.30 Uhr beginnt der Tag für Claus Kleber. Um 9.30 Uhr folgt die erste Konferenz im Sender - ohne Kleber. Um diese Zeit ist der Moderator des Heute-Journals noch zu Hause. "Chaotisch und sehr wenig hierarisch", so läuft dann der Tag ab, bis am Ende eine Sendung herauskommt, "die Sie als seriös empfinden". Sie sei es auch. Claus Kleber war am Mittwoch zu Gast im Schrannensaal der Sparkasse Erding-Dorfen und referierte vor den Bankkunden, die zu der Reihe "Von Mensch zu Mensch" eine Einladung erhalten hatten. Er sprach viel über Amerika, wo er 17 Jahre lang gelebt und gearbeitet hatte, über die zahlreichen Krisen in der Welt und auch darüber, dass er ungern ein Heute-Journal präsentiere, in dem es in jedem Beitrag um Krisen, Kriege, Seuchen und andere Bedrohungen geht. "Das ist manchmal aber ganz schön schwierig."

Aufmerksam und ohne nach der Fernbedienung zu suchen, wie Kleber feststellte, lauschten die Erdinger dem 59-Jährigen, wie er seine vielfältigen Erfahrungen mit der amerikanischen Politik und vor allem mit den amerikanischen Präsidenten schilderte. Ein "Scheinriese", das ist seiner Auffassung nach Barack Obama, der aus der Ferne groß wirke, aber immer kleiner, je näher man ihm komme. Obama sei zwar der wohl intelligenteste amerikanische Präsident der vergangenen Jahrzehnte. Er lasse es die Menschen aber auch spüren, dass er sich stets für den schlausten halte. "Und das stimmt wahrscheinlich auch." Er könne Massen in seinen Bann ziehen, aber er könne keine fünf oder sechs Leute in einem Raum für sich und seine Überzeugungen gewinnen. Ganz im Gegensatz zu Bill Clinton, dem der Kongress ähnlich feindlich gesonnen gewesen sei. Republikaner-Führer Newt Gingrich habe aber regelmäßig Erholung nötig gehabt, wenn er mit Clinton verhandelt habe, "so sehr hat der ihn um den Finger gewickelt und überzeugt und gelegentlich auch erpresst". Clinton habe auf diese Weise viel bewegt. Warum er zu so einer großen Enttäuschung für die Amerikaner hatte werden können? Diese Frage hat Kleber an Barack Obama selbst gerichtet. Der habe geantwortet, er sei nur ein Rad in einem großen Getriebe. So habe er sich selbst klein gemacht.

Vortrag: Auge in Auge mit Zuhörern, das sei netter als in eine Linse zu schauen, die nicht auf eine Bemerkung reagiert: Claus Kleber im Schrannesaal.

Auge in Auge mit Zuhörern, das sei netter als in eine Linse zu schauen, die nicht auf eine Bemerkung reagiert: Claus Kleber im Schrannesaal.

(Foto: Renate Schmidt)

Magische Momente und solche, an die er heute noch mit Gänsehaut zurückdenkt, auch die hat Kleber mit Obama erlebt: Als er 2008 als Präsidentschaftskandidat bei einer Rede an der Siegessäule 250 000 Berliner in den Bann gezogen hat und als Obama erstmals gewählt worden ist. "Damals ist die Stadt Washington förmlich in eine Party explodiert." Doch seitdem habe sich das Klima in Washington geändert. Die Republikaner hätten sich nach 2009 als oberstes Ziel gesetzt, dass Obama nur vier Jahre im Amt bleibe. "Nichts war ihnen wichtiger", sagte Kleber. Das habe Amerikas Kultur verändert. Eine Grundfairness in der Berichterstattung, "das ist heute nicht mehr so". Kleber verwies auch auf die Bedeutung des 11. September 2001. Die frühere Toleranz gegenüber Gefahren sei einer neuen Aggressivität gewichen. "Wenn ein Land merkt, dass es so verwundbar ist - für den Anschlag haben zwei Dutzend Teppichmesser gereicht -, dann verändert es seinen Charakter."

Bevor Kleber einige Bücher signierte, gab es eine Fragerunde. Der frühere Bundestagsabgeordnete Max Lehmer wollte seine Meinung zu TTIP wissen: Kleber sagte, er halte ein Freihandelsabkommen für sinnvoll, nur müssten sich die Europäer gut rüsten. "Denn die Amerikaner sind sehr geschickte Verhandler in wirtschaftlichen Dingen." Eine Frage nach dem Ukraine-Konflikt bot Kleber die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass sein Heute-Journal als erste Sendung gezeigt habe, wie sich die Nato immer näher an Russland herangeschoben habe. Es sei wichtig, auch einmal eine andere Sicht auf die Dinge zu wagen. Im übrigen sei das Journal eine "Moderatoren-Sendung": Es werde nichts gesendet, was der Moderator nicht mag. Und wenn der Moderator etwas unbedingt in der Sendung haben will, dann werde das meistens auch so gemacht. Die Zuschauer sollen sich optimal informiert fühlen, und sie sollen alles verstanden haben. Vier Millionen scheint es täglich so zu gehen- mit den Quoten ist Kleber zufrieden.

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