Erding:Fernweh unterm Sonnensegel

Erding: Wer unterm Sonnensegel keinen Platz mehr hatte, setzte sich eben auf die Wiese. Beim schönen Spätsommerwetter war das kein Problem.

Wer unterm Sonnensegel keinen Platz mehr hatte, setzte sich eben auf die Wiese. Beim schönen Spätsommerwetter war das kein Problem.

(Foto: Renate Schmidt)

Hermann Kraus' Lesung über das Reisen lockt viele Zuhörer in den Stadtpark. Er selbst hat schon viel von der Welt gesehen.

Von seinem ersten Besuch in Italien 1964 erzählte der Erdinger Hermann Kraus im Stadtpark unterm Sonnensegel. "È stata una bella settimana", ist sein Fazit über die Reise in seinem Fiat 600 nach Rimini: Es war eine schöne Woche. Diese und andere Geschichten und Gedichte übers Reisen hat Kraus in der einstündigen Lesung vorgetragen. Die war mit rund 160 Zuhörern so gut besucht, dass nicht mehr alle auf die Sitzgelegenheiten unter dem Sonnensegel auf der Mayr-Wirt-Insel passten. Viele wichen dann aus, entweder auf die Wiese im Schatten, die Stufen am Ufer der Sempt oder die Engelsleiter, die über den Fluss ragt.

Gleich am Anfang der Lesung warnte Kraus die Zuhörer, dass die S-Bahn zweimal in der nächsten Stunde vorbeifahren würde - aber das passe ja sehr gut zum Thema Reisen. Die Vögel sangen leise und von irgendwoher hörte man Hundegebell, als Kraus vom Sehnsuchtsland der 1950er-Jahre, Italien, erzählt, eben davon, wie er mit seinem Fiat in Rimini war und dann schließlich, in Herbert Scheiders Geschichte "Parlavere Italiana", über das Ehepaar Randlshofer. Die beiden schlagen sich mehr schlecht als recht mit ihren Sprachkenntnissen in Italien durch und beklagen sich, dass die Einwohner "überhaupt kein richtiges Italienisch" können, als sie Herrn Randlshofer warmes Bier bringen. Dabei hatte er doch nach "birra molto caldo" gefragt.

Die Geschichte "Eingeschneit" von Michael Ebert aus dem SZ Magazin über zwei in einer Berghütte eingeschneite Skifahrer wurde dann von der S-Bahn kurz unterbrochen. Nach weiteren Vorträgen über die Schwierigkeiten des Reisens empfahl Kraus schließlich das Reisen mit der Eisenbahn. Er selbst sei viel damit unterwegs gewesen, durch die USA, China und Russland, nach Prag, Mailand oder auch Paris. Auch auf seinen regelmäßigen, einwöchigen Fahrradtouren habe er schon Vieles gesehen. "Eine Radltour ist einfach wunderbar", schwärmte Kraus.

Nach einigen Gedichten des Münchner Dichters Eugen Roth erzählte Kraus von seinen Erfahrungen als Reiseleiter, aber auch von Dia-Abenden, zu denen er von Freunden nach deren Reisen eingeladen worden war. Dort habe er manches Mal mit der Müdigkeit kämpfen müssen. Nachdem schließlich unerwartet die unangekündigte dritte S-Bahn vorbeigefahren war, erzählte Kraus noch von seiner Reisemüdigkeit. Aber vielleicht komme ja seine Reiselust wieder. Und wenn nicht, findet er das auch nicht schlimm, denn er habe schon so viel von der Welt gesehen. Bis dahin fahre er auch gerne auf dem Motorrad durch Bayern.

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