Erding:Faustdick hinter den Ohren

19-jährige Angeklagte muss sich unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten

Die Klasse 7a aus Finsing hat einen ungewöhnlichen Schultag: Sie dürfen zusammen mit ihrem Lehrer eine Schöffengerichtsverhandlung am Amtsgericht Erding mitverfolgen. Es geht um gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und Vermittlung bei einem Drogengeschäft. Als das Verfahren aufgerufen wird, schert ein junges Mädchen aus der Schülergruppe aus und setzt sich auf die Anklagebank: 1,50 Meter klein, zierlich, madonnenhafte Gesichtszüge. Die 19-Jährige, die früher in Oberding gewohnt hat, hat sich massiv mit ehemaligen Klassenkameradinnen gezofft. Eine soll sie bei einem zufälligen Treffen am Erdinger Bahnhof in den Bauch getreten haben, dann soll sie sie am Kopf gepackt und dreimal gegen einen Bauzaun geschlagen haben. Und das ist nur eine von drei Anklagen, die die Staatsanwaltschaft gegen sie erhebt. Die Kleine hat es offenbar faustdick hinter den Ohren.

Allerdings wird gleich zu Prozessbeginn klar, dass die Beweisführung nicht einfach werden wird. Drei von vier Zeuginnen sind nicht erschienen. Die Freundin der Angeklagten, die bei der Schlägerei dabei war, soll in Mannheim untergetaucht sein. Der Vorsitzende Richter Michael Lefkaditis konnte sie weder mit Hilfe des Einwohnermeldeamtes noch mit polizeilicher Unterstützung zu dem Prozess laden. Auch die Freundin des Opfers ist nicht gekommen. Sie befinde sich auf Klassenfahrt und wisse nichts von einer Vorladung, teilt die einzige Zeugin, das damalige Opfer, mit. Darüber hinaus konnte auch die ermittelnde Polizeibeamtin nicht kommen; ihr Kind ist kurzfristig erkrankt und habe hohes Fieber. Schöne Bescherung.

Neben der Schlägerei am Bahnhof wirft die Staatsanwaltschaft der Angeklagten vor, sie habe bei einem kleinen Geschäft mit Marihuana den Kontakt zwischen einem Interessenten und einem Verkäufer hergestellt. Der Interessent sei über Facebook an sie herangetreten, räumte die Angeklagte ein, sie habe ihn jedoch nicht gekannt. Sie habe ihm mitgeteilt, sie selbst sei "raus aus der Sache", könne aber einen Kontakt zu einem Dealer herstellen. Der Handel fand dann in ihrer Begleitung in Puchheim statt. Dort sollte Marihuana im Wert von 20 bis 30 Euro den Besitzer wechseln. Doch der Dealer zockte den Interessenten ab und verschwand mit dem Geld. Der Angeklagten legte man dennoch zur Last, beim Erwerb von Betäubungsmitteln behilflich gewesen zu sein.

Beim dritten Anklagepunkt spielten ebenfalls soziale Medien eine Rolle. Die Freundin der Angeklagten, die bei der Schlägerei dabei war, wohnte offenbar eine Zeit lang bei ihr. Das nutzte die Freundin aus, um unter dem Namen der Angeklagten Kleidung online zu bestellen und sich zuschicken zu lassen. Bezahlt hat sie die Kleidung zwar nicht, sie knipste aber Selfies von sich, während sie die neuen Klamotten trug und stellte die Bilder auf Facebook. Schließlich kam die Polizei dahinter und die Mutter der Angeklagten warf sie aus der Wohnung. Danach soll die Angeklagte ihre ehemalige Freundin per Whatsapp bedroht und beleidigt haben: die Beleidigungen waren derber sexueller Natur, und gedroht habe sie, sie werde die Freundin "zusammenschlagen, bis sie an ihrem Blut erstickt". Vor Gericht dementierte die Angeklagte jedoch, dass diese Beleidigungen und Bedrohungen von ihr stammten. Die Freundin habe vielmehr ihren gemeinsamen Partneraccount genutzt, um ihr diese Schmähungen anzuhängen; aus Rache, weil sie aus der Wohnung geflogen sei.

Um doch noch Licht in diese verworrene Geschichte zu bringen, beraumte Richter Lefkaditis einen Fortsetzungstermin am 1. März an, wobei er erneut versuchen will, weitere Zeugen zu laden.

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