Erding: Faschingsfinale in der Innenstadt:Alles ein bisschen anders

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Gut gelaunt in Grün: Im 28. Jahr des Erdinger Moosgeister-Umzuges finden sich wieder hunderte Faschingsnarren an der Langen Zeile ein.

Anja Perkuhn

Natürlich mussten es pinkfarbene Luftschlangen sein, die aus der Sprühdose schossen. Schließlich hatte das knapp meterhohe Mädchen auch eine pinke Jacke an und trug eine pinke Glitzersonnenbrille, als sie neben ihrer Mutter über die Lange Zeile stiefelte, die an diesem Dienstag zur Flaniermeile für den Erdinger Fasching und zahllose wildgrüne Moosgeister wurde.

Das traditionelle Austreiben des schwarzen Kalbes, in dem der Geist einer bösen Frau haust, übernahmen auch in diesem Jahr wieder die Moosgeister. (Foto: Peter Bauersachs)

Zielstrebig richtete die Kleine ihre Sprühdose auf eine Frau im täuschend echt aussehenden Polizisten-Kostüm und wollte schon abdrücken. Ihre Mutter kam ihr glücklicherweise zuvor: die Uniform war doch eine echte.

Unbeeindruckt zog das Mädchen weiter - bis es auf einen Moosgeist traf, mit riesigen Stierhörnern und einer wilden, braunen Zottelmähne. Die wahre Autorität dieses Tages. Da war es aus mit dem Selbstbewusstsein und die Kleine versteckte sich hinter ihrer Mama.

Die Relationen sind verschoben am Faschingsdienstag in Erding, alles ist ein bisschen anders. "Heute ist Ausnahmezustand, da haben wir alle nur Vornamen!", flötete beispielsweise eine Dame mit metallisch glänzendem Lidschatten, die an diesem Dienstag also nur Liesl hieß. Sie und ihre Begleiter gehen jedes Jahr wieder zum Moosgeister-Treiben, "da trifft man Leute, die man sonst das ganze Jahr über nicht sieht", erklärte sie.

Und nicht nur Leute, sondern eben auch Gestalten, wie die Moosgeister. Der Tradition gemäß zogen sie mit dem Umzugswagen die Lange Zeile hinauf und herunter, trommelten, ratschten, klingelten und verteilten grüne Farbe, auf dass sich der Geist einer Frau in Gestalt eines Kalbes aus Erding treiben ließe.

Der Tradition gemäß ist das auch in diesem Jahr wieder gelungen, nach dem alten Faschingsbrauch ist nun also der Winter aus der Stadt ausgetrieben. Dass dieser alte Brauch aber gar nicht so alt ist, das hatten sich die meisten Faschingsnarren in Erding gar nicht so bewusst gemacht.

"Das ist schon seit hundert Jahren Tradition", erklärte ein Erdinger mit Sonnenbrille großzügig, der an diesem Tag nicht einmal einen Vornamen tragen wollte. Der Hinweis, dass das Kalb erst seit den 80er Jahren ins Moos zurückgejagt wird, brachte ihn da auch nicht aus der Fassung.

Er verzog kurz den Mund, schaute über die Menschenmenge, in der sich Tiger, römische Legionäre, Scheichs, Prinzessinnen und allerlei Getier friedlich nebeneinander tummelte, und befand: "Das ist doch eigentlich egal. Ist ja Fasching."

Walter Schweinberger hörte das glücklicherweise nicht. Der Erfinder des Moosgeister-Umzuges und selbsternannte "Unterste Moosgeist" - als oberster von irgendetwas wollte er sich nicht bezeichnen - saß wie auch schon im Vorjahr auf einem Thron vor der Erdinger Stadtapotheke, die er 50 Jahre lang geführt hatte.

1983 hatte der zum ersten Mal einen solchen Umzug in Erding organisiert und auch die Sage erdacht, die Grund ist für den ganzen Umzug, den Lärm, die grüne Farbe und die Feuerwerkskörper, die nicht bei Nacht sondern am Tag und sogar bei strahlendem Sonnenschein wie an diesem Dienstag in den Himmel geschossen werden.

Eine böse Frau soll es nach dieser Sage gegeben haben, die in München lebte und nach ihrem Tod weiterhin durch das Haus spukte - in Gestalt eines schwarzen Kalbes. Ein Priester wollte den Geist austreiben, schaffte es aber nur, ihn in eine "zinnerne Flasche", so die Legende, zu sperren.

Die vergrub er im Erdinger Moos, wo sich noch mehr Geister tummeln - und weshalb die Farbe grün im Gegensatz zum Beispiel zum blütenweißen Dorfener Faschingsumzug in Erding dominiert. Da im November all diese Geister erweckt werden und die Stadt heimsuchen, muss man sich ihrer am Faschingsdienstag wieder entledigen.

Strenggenommen war auf der Langen Zeile trotz vieler Moosgeister recht wenig Moos zu sehen. Die Geister trugen außer ihren farbenfrohen und kunstvoll gestalteten Masken aus der Sammlung von Walter Schweinberger vor allem noch Efeuranken an ihren Kostümen.

Und das schwarze Kalb ist eigentlich auch eher schwarz-weiß gescheckt. Aber wer will sich schon an botanischen Kleingeistigkeiten aufhalten, wenn die Moosgeister wieder einmal erfolgreich den Winter aus Erding gescheucht haben?

© SZ vom 09.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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