Erding:"Es ist eine schwierige Geschichte"

Während des Hochwasser 2013 liefen in der Sandgrubensiedlung die Keller voll, die Anwohner sind immer frustriert. Die Stadt veröffentlicht nun ein Gutachten dazu

Von Mathias Weber

Wie konnte es so weit kommen? Warum sind während des Hochwassers 2013 auch in der Sandgrubensiedlung in Klettham die Keller vollgelaufen, fernab der Erdinger Flüsse? Zwei Gutachten kommen nun zu dem Ergebnis, dass eine neue Bebauung oberhalb dieser Siedlung kaum daran Schuld sein kann. Der Schaden lässt sich demnach einfach auf den starken Regen zurückführen - der Stadt oder dem Bauträger ist das steigende Grundwasser kaum anzukreiden.

Während des Hochwassers, das vor fast genau einem Jahr die Stadt Erding traf, richtete sich der Blick der Öffentlichkeit auf die am schwersten betroffenen Ortsteile Altenerding und Langengeisling. Aber auch in Klettham gab es wegen des steigenden Grundwassers Schäden in fast dreißig Häusern: Die Sandgrubensiedlung, deren Häuser zum Großteil in den sechziger und siebziger Jahren gebaut wurden, liegt ungefähr zwei Meter unter der darüber liegenden Siedlung. Während des Hochwassers ist aber der Grundwasserspiegel derart angestiegen, dass die Keller dieser Siedlung überraschend vollgespült wurden. Der Frust der Anwohner sitzt dort tief.

Bald wurde die Vermutung geäußert, dass die rege Bautätigkeit oberhalb der Sandgrubensiedlung im "Am Erdbeerfeld" genannten Wohngebiet den Boden so flächendeckend versiegelt hat, dass das Regenwasser durch die Versickerungsanlagen und unter der Erde weiter in Richtung der Sandgrubensiedlung abgeflossen ist. Weil die Stadt dieses Gebiet überhaupt als Baugebiet auswies, musste sie sich ebenso Kritik anhören wie der zuständige Bauträger Decker aus Dorfen. Und auch das Wasserwirtschaftsamt in Freising, das in einem Gutachten zum Bebauungsplan nichts auszusetzen hatte, wurde kritisiert.

Die Stadt hat reagiert: Zum einen hat sie ein hydrogeologisches Gutachten erstellt, das darstellen sollte, wie das Wasser in diesem Bereich versickert und ob die Bebauung darauf Einfluss hat. Zudem soll es eine Bürgerversammlung zu diesem Thema geben: Sie wird am 23. Juni im Pfarrsaal St. Vinzenz in Klettham, 17 Uhr, stattfinden. Für das Gutachten hat der Münchner Geowissenschaftlers Georg Wagerer Bohrungen durchführen lassen, Versickerungsversuche durchgeführt und Messstellen installiert. Er kommt zu einem die Stadt und den Bauträger großteils entlastenden Ergebnis: Ein messbarer Einfluss der Versickerungsanlagen im Baugebiet auf die Sandgrubensiedlung sei auszuschließen, Dies ist demnach auch die Ansicht der Stadt, wie der für Rechtsangelegenheiten zuständige Andreas Erhard bei der jüngsten Sitzung des Bauausschusses sagte.

Im Gutachten werden mehrere Gründe genannte, warum das so sei: Die Versickerungsanlagen hätten einfach eine zu geringe Reichweite. So sei es zum Beispiel auch im südlichen Teil der Sandgrubensiedlung zu Schäden gekommen, ein Einfluss des weit davon entfernten Baugebiets sei unmöglich. Auch seien in anderen Messstellen in Erding während des Hochwassers ein fast gleicher Anstieg des Grundwassers gemessen worden wie in Klettham.

Trotzdem, ein Hintertürchen lässt das Gutachten: Ganz auszuschließen sei der Einfluss des am Erdbeerfeld versickerten Wassers auf den Grundwasserspiegel nicht. Aber wenn, dann nur minimal und örtlich sehr begrenzt. Die Anwohner allerdings sehen das Gutachten kritisch: Sie sagen, dass es durch die ausgebliebenen Regen- und Schneefälle in den vergangenen Monaten wenig aussagekräftig sei, die Messungen des Gutachters fanden zu dieser Zeit statt.

Für den Bauträger Robert Decker hat das Gutachten sogar eine sehr klare und entlastende Aussage parat: "Bestehende Tiefgaragen (...) führen nicht zu einer Erhöhung der Grundwasserstände (...)" - auch das war eine Befürchtung der Anwohner. Decker hat zuvor selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben, das der SZ vorliegt. Der Sachverständige Andreas Bauer kommt dort zu dem Ergebnis, dass die Einrichtungen am Erdbeerfeld, die für eine Versickerung sorgen sollen, "keine Veränderung des Grundwasserspiegels im Bereich der Nachbarbebauung verursachen (...)". Der Bauträger fühlt sich somit auf der sicheren Seite.

Auch beim Wasserwirtschaftsamt hat man einen Blick in das Gutachten der Stadt geworfen. Für Josef Höschl, der dort für den Landkreis Erding zuständig ist, zeigt es, dass die Bebauung am Erdbeerfeld keinen messbaren Einfluss auf den Grundwasserspiegel habe. Vielmehr sagt er: "Es ist schon lange bekannt, dass die Sandgrubensiedlung Probleme mit dem Grundwasser hat." Das Grundproblem sei, dass sich Hausbauer nicht mit Grundwasser beschäftigten und über Jahrzehnte ohne Baugrundgutachten gebaut worden sei: "Da wird gerne irgendwo gespart", sagt er.

Etwas gegen das Grundwasser zu tun, das sei praktisch unmöglich. Man könne es nicht abpumpen, technische Lösungen gebe es nicht. "Im Endeffekt bleibt nur, die Keller abzudichten", so Höschl. Das haben viele Anwohner mittlerweile getan und dafür teilweise mehrere Zehntausend Euro ausgegeben. Mehr können sie kaum tun: Nicht einmal Versicherungen gibt es. Grundwasserschäden werden nämlich nicht von Hochwasserschutzversicherungen abgedeckt. "Es ist eine schwierige Geschichte", sagt Höschl vom Wasserwirtschaftsamt, "und wenig befriedigend für die Anwohner."

Grundsätzlich aber könne sich Erding glücklich schätzen: Bis auf die Sandgrubensiedlung und in Teilen von Siglfing spiele das Grundwasser kaum eine Rolle. Aber man beobachte genau: Bei hohen Niederschlägen könne das Grundwasser wieder dramatisch ansteigen, auch die Anwohner leben in dieser Angst. Denn zu diesem Schluss kommt auch das Gutachten des Bauträgers Decker: In der Sandgrubensiedlung seien "langfristig gegenüber den Hochwasserständen von 2013 noch höhere Wasserstände nicht auszuschließen."

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