Gutscheine für Asylbewerber:Erdinger Sonderweg ist rechtswidrig

Flüchtlingshilfe im Amt für Wohnen und Migration in München, 2014

Bargeld statt Sachleistungen: Überall in Oberbayern erhalten Flüchtlinge ihr Kleidergeld ausgezahlt - nur das Landratsamt Erding sträubt sich.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Flüchtlingen steht Bargeld für Kleidung zu. Landrat Bayerstorfer (CSU) muss die Gutscheine nun abschaffen

Von Florian Tempel, Erding

Die Kleidergutscheine für die im Landkreis Erding lebenden Flüchtlinge sind nicht gesetzeskonform. Wie alle anderen Flüchtlinge, die nach ihrer Erstaufnahme dezentral in Wohnungen oder Containeranlagen untergebracht sind, steht ihnen auch im Landkreis Erding Bargeld für Kleidung und Schuhe zu. Das hat das bayerische Sozialministerium noch einmal ausdrücklich auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Doris Rauscher (SPD) festgestellt: "Die Umstände im Landkreis Erding rechtfertigen keinen Ausnahmefall." Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) ist nun aufgefordert, das rechtswidrige Erdinger Gutscheinsystem abzuschaffen.

Wie geht es nun weiter? Unklar.

Dass er das tun wird, dafür gibt es noch keine Anzeichen. Aus dem Sozialministerium heißt es lediglich, man sei "im engen Austausch mit dem Erdinger Landrat". Übersetzt heißt das, Bayerstorfer weigere sich nach wie vor einzusehen, dass sein Gutscheinsystem nicht länger Bestand haben dürfe. Auch von der Regierung von Oberbayern und aus dem Landratsamt Erding war am Montag nicht zu erfahren, wie es nun weiter gehen soll.

Als Leiter einer Unteren Staatsbehörde müsse er dafür sorgen, "dass Recht und Ordnung umgesetzt werden", hat Bayerstorfer vor kurzem in einem Gespräch mit der SZ gesagt. Eine Rücknahme des von ihm mit der Begründung "Bargeld schafft falsche Anreize" eingeführten Gutscheinsystems meinte er damit aber nicht. Seine Forderung nach der Einhaltung von "Recht und Ordnung" bezog sich auf anderes: Auf Wasserleitungen, Bauvorschriften, die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger, Notfalltransporte und die erkennungsdienstliche Erfassung von Flüchtlingen im Warteraum Asyl am Fliegerhorst. Der Bund und seine Behörden, so Bayerstorfers Kritik, missachteten in vielfältiger Weise die Gesetze.

Gutscheine nur "im Einzelfall"

Das Asylbewerberleistungsgesetz schreibt vor, dass Flüchtlinge nach der Erstaufnahmezeit ein Existenzminimum bar ausgezahlt bekommen. So haben das der Bundestag und das Bundesrat im Frühjahr beschlossen und damit auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 reagiert. Der im Gesetzestext eingebaute Zusatz - "soweit es nach den Umständen erforderlich ist" - lässt zwar die Möglichkeit offen, auch Gutscheine auszugeben.

Allerdings hat das bayerische Sozialministerium bereits im Mai deutlich gemacht, dass der Zusatz keine einfache Wahlmöglichkeit darstellt. Eine Ausnahme dürfe nur "im Einzellfall" erfolgen. Ein Beispiel: Falls ein Flüchtling sein Geld notorisch zweckwidrig verwendet, könnte man ihm die Auszahlung von Bargeld verweigern und ihm stattdessen Gutscheine geben. Pauschale Argumente, die alle treffen, sind aber nicht zulässig.

Aufwendig für alle Beteiligten

Landrat Bayerstorfer hat das nicht beeindruckt. Er blieb bei seiner Haltung und seinem System, für das er sich im April die Billigung aller Kreistagsfraktionen gesichert hatte. Eine verabredete neuerliche Besprechung des Gutscheinsystems, das mittlerweile von den Grünen und der SPD abgelehnt wird, hat nicht stattgefunden. Im November verschickte das Landratsamt erneut mehrere tausend Kleider- und Schuhgutscheine an die im Landkreis lebenden Flüchtlinge.

Es ist ein für alle Beteiligten aufwendiges System: Die Gutscheine können nur in Geschäften im Landkreis eingelöst werden. Die Verkäufer müssen die gekauften Waren einzeln auflisten, abstempeln und die Gutscheine mit Quittungen dem Landratsamt vorlegen, um an ihr Geld zu kommen. Und im Landratsamt ist man damit beschäftigt, die vielen tausend Gutscheine zu prüfen und die Überweisungen an die Geschäfte auszustellen.

Fünf Monate wurde geprüft

Eine im Juni von der Regierung von Oberbayern eröffnete Überprüfung des in Bayern einzigartigen Erdinger Gutscheinsystems zog sich über fünf Monate hin. Ein Grund war offensichtlich, dass man zweierlei abwarten wollte: Landrat Bayerstorfer hätte die Gutscheine selbst abschaffen können. Zudem wurden in den vergangenen Wochen die Asylgesetz geändert. Eine Änderung weg von den Bargeldauszahlungen für Flüchtlinge nach der Erstaufnahmezeit gab es jedoch nicht. Die Gesetzeslage ist in diesem Punkt gleich geblieben - ebenso wie die Rechtswidrigkeit des Erdinger Sonderwegs.

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