Erding:Einheimischenmodelle neu geregelt

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Auch Auswärtige dürfen sich künftig um die vergünstigten Baugrundstücke bewerben. Ortsansässigkeit bringt zwar weiterhin Pluspunkte, doch soziale Kriterien werden wichtiger

Von Florian Tempel, Erding

Einheimischenmodelle müssen in Zukunft auch für Auswärtige offen sein. Das klingt paradox, ist aber eine wesentliche Neuerung, die fortan von den Kommunen beachtet werden muss. Der Grundsatz der Offenheit gilt, seit sich die EU-Kommission und Deutschland im Streit um die Zulässigkeit von Einheimischenmodellen geeinigt haben. Doch es tut sich noch mehr. Ehrenamtliches Engagement eines Bewerbers soll stärker bei der Vergabe berücksichtigt werden. Eine weitere neue Idee: Statt lediglich Baugrundstücke zu vergünstigten Preise abzugeben, sollte in Zukunft auch der Erwerb einer preisreduzierten Wohnung möglich sein.

Einheimischenmodell ging bislang so: Wenn eine Gemeinde ein größeres Baugebiet auswies, kaufte sie einen Teil des Areals, um ein Drittel bis die Hälfte der Baugrundstücke unter Preis zu vergeben. In den Genuss eines vergünstigten Grundstücks konnten bislang ausschließlich Einheimsche kommen. Der Begriff des Einheimischen musste dafür definiert werden. Zum Beispiel so: Einheimischer ist, wer schon seit mindestens fünf Jahren in der Gemeinde lebt oder dort arbeitet oder hier bis vor kurzem gelebt hat. Einheimischer zu sein, war eine Voraussetzung, um sich für ein Baugrundstück im Einheimischenmodell überhaupt bewerben zu dürfen.

Das ist nun anders. Die Ortsansässigkeit darf keine Voraussetzung mehr sein. Denn das wäre - hier hat sich die EU-Kommission durchgesetzt - eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit, laut der jeder EU-Bürger in jedem Mitgliedsstaat diskriminierungsfrei ein Grundstück für sich kaufen darf, um sich darauf ein Haus zu bauen. Die Privilegierung der Einheimischen erfolgt aber im zweiten Schritt, bei der Vergabe nach einem ausgetüftelten Punktesystem. Ortsansässigkeit ist und bleibt hierbei ein wesentliches Kriterium.

In Dorfen konnte man sich zum Beispiel bis zum Stichtag 31. Dezember 2016 noch nach einem alten Modell um eines von 16 Baugrundstücken im Baugebiet "An der Mühlleite" bewerben. Ortsansässigkeit wurde in der Stadt Dorfen stark gewichtet und konnte leicht mehr als die Hälfte der Gesamtpunktzahl ausmachen. In dem Kompromiss mit der EU hat sich Deutschland aber nunmehr darauf geeinigt, dass künftig die Ortsansässigkeit maximal die Hälfte der erreichbaren Punkte ausmachen darf.

Wie das geht, zeigt sie Gemeinde Vaterstetten im Landkreis Ebersberg, die schon ein "EU-konformes" Einheimischenmodell aufgelegt hat. Die Gewichtung wurde hier von der Ortsansässigkeit hin zu stärker betonten "sozialen Kriterien" verschoben. Kinder, Großeltern, behinderte oder pflegebedürftige Familienangehörige sowie ein geringeres Einkommen bringen relativ viel Punkte. Ganz wichtig: Voraussetzung für eine Bewerbung ist nun, dass das eigene Einkommen unter dem Durchschnittseinkommen in der Gemeinde liegt.

In Zukunft kann deshalb aber Folgendes passieren: Eine Gemeinde bietet beispielsweise 20 Grundstücke in einem EU-konformen neuen Einheimischenmodell. Es bewerben sich einheimische Bürger und auch Auswärtige. Die Ersteren haben zwar den Vorteil, Einheimischen-Punkte einstreichen zu können, die Letzteren können aber womöglich mit vielen Kindern, einer pflegebedürftigen Oma und geringen Einkommen eben so viele Punkte erreichen. Und falls sich weniger als 20 Einheimische bewerben sollten, kommen auf alle Fälle auch Auswärtige zum Zug.

Bei der Berücksichtigung von ehrenamtlicher Arbeit als Bewerbungskriterium gehen bislang alle davon aus, dass das nur bei Einheimischen gelten kann. Dass ein auswärtiger Bewerber an seinem bisherigen Wohnort Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war, interessiert also nicht. Eine ungeklärte Frage jedoch ist, welche Art von ehrenamtlichem Engagement überhaupt berücksichtigt werden soll: Bringt es auch Pluspunkte, wenn man Notenwart im Gesangsverein ist oder Schriftführer beim Ortsverein einer Partei?

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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