Erding:Eine letzte Chance

Vor dem Amtsgericht in Erding muss sich ein 20-Jähriger aus Moosinning wegen Nachstellung und Körperverletzung verantworten. Dass er nicht lange hinter Gitter muss, verdankt er nur der Milde des Richters

Ines Alwardt

Prozess zu Telekom-Spitzelaffäre

Drei Wochen Dauerarrest, 750 Euro Schmerzensgeld und eine Therapie: Diese Auflagen machte der Richter dem Angeklagten 

(Foto: dpa)

Am Ende entschuldigte sich der Angeklagte dann doch noch für die Tat, von der er selbst angeblich nichts mehr gewusst habe. "Es tut mir furchtbar leid. Normalerweise schätze er sich nicht so ein", sagte der 20-Jährige, der sich am Dienstag gleich in mehreren Fällen vor dem Jugendschöffengericht in Erding verantworten musste. Die Liste der Anklagepunkte war lang: Dem Moosinninger wurde vorgeworfen, im Oktober in der Erdinger Diskothek Penthouse eine Frau auf der Tanzfläche ins Gesicht geschlagen zu haben - und zwar so sehr, dass diese starke Verletzungen zurückbehielt. Auch seine ehemalige Freundin hatte ihn angezeigt, da er ihr und ihrem gemeinsamen Sohn immer wieder nachstellte.

Jugendrichter Michael Lefkaditis war der Angeklagte bereits bekannt. Die Liste seiner Einträge im Bundeszentralregister ist lang und vielfältig: Betrug, Diebstahl, Besitz und Handel mit Betäubungsmitteln sowie Körperverletzung finden sich in seiner Akte. Auch zu einer zweijährigen Jugendstraße war er bereits verurteilt worden, aber immer wieder hatte er gegen die Bewährungsauflagen verstoßen. Im vergangenen Jahr hatte er eine fünfmonatige Drogentherapie hinter sich gebracht, einen Monat später aber beging er gleich wieder eine Straftat, an einem Abend im Oktober.

Er habe in dieser Zeit schon ab und zu etwas getrunken, gab der Angeklagte zu, vielleicht auch an diesem Abend in der Disco, an den er sich nicht mehr erinnern könne. Jedenfalls, so hatte das Opfer und auch dessen Freundin ausgesagt, hatte der 20-Jährige immer wieder versucht, sich auf der Tanzfläche den Frauen zu nähern. Als diese seine Annäherungsversuche nicht erwiderten und ihn wegschickten, zeigte er dem Opfer den Mittelfinger und schlug zu, als die Frau in wegschieben wollte.

"Der Angeklagte kann mit weiblicher Zurückweisung nicht umgehen", befand die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Denn auch nach der Trennung von seiner ehemaligen Freundin, mit der einen Sohn hat, hatte er nicht locker gelassen, war immer wieder bei ihr Zuhause aufgetaucht, hatte sie mit Anrufen und SMS belästigt und derart eingeschüchtert, dass sie sich am Ende nicht mehr traute, aus dem Haus zu gehen.

Dieses Verfahren stellte das Gericht jedoch noch am Dienstag auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein, der Angeklagte verpflichtete sich in einer Vereinbarung, die Wohnung seiner Ex-Freundin nicht mehr zu betreten, keinen Kontakt mehr zu ihr zu suchen und sich ihr nicht weiter als bis auf 50 Meter zu nähern. Sollte er das nicht einhalten, muss der Angeklagte künftig jeweils eine Vertragsstrafe von 300 Euro zahlen. Für den 20-Jährigen, der derzeit eine Ausbildung im Gas- und Wasserinstallationsbetrieb seines Vaters macht und dort 500 Euro verdient, sei dies eine angemessene Summe.

Viel schwerer machte sich das Gericht es mit dem Urteil im Falle der Körperverletzung. Dass der Angeklagte so kurz nach seiner Entlassung aus der Drogentherapie wieder straffällig geworden sei und auch wieder Alkohol trinke, zeigt nach Ansicht der Jugendgerichtshilfe, dass er den Ernst der Lage nicht begriffen habe. Über sechs Jahre lang hat der Mann illegale Drogen konsumiert, in jeglicher Form und Menge. Daher sei bei ihm eine "Reifeverzögerung" festzustellen, wie aus dem Bericht der Jugendgerichtshilfe hervorging. Es sei daher besonders wichtig, dass der Angeklagte in Absprache mit seiner Bewährungshelferin eine ambulante Therapie beginne. "Man muss ihm Druck aufbauen, anders passiert bei ihm nichts", sagte eine Mitarbeiterin.

Das Urteil fiel am Ende umfassend, für die Schwere der Taten aber dennoch milde aus: drei Wochen Dauerarrest in der JVA Landshut, dazu 750 Euro Schmerzensgeld für das Opfer der Körperverletzung. Außerdem muss der Angeklagte eine Therapie absolvieren, die er nicht abbrechen darf. Um zu verhindern, er wieder in seine Abhängigkeit rutscht, soll die Jugendgerichtshilfe regelmäßig Urin- und Haarproben entnehmen. Für den Angeklagten ist das Urteil eine letzte Chance auf ein straffreies Leben. Denn in ein paar Tagen wird der Moosinninger 21 - und dann gilt für ihn das Erwachsenenstrafrecht.

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