Goldenes Buch der Stadt Erding:Ein Stück Zeitgeschichte

Das neue Goldene Buch soll sich ebenso entwickeln wie die Stadt selber. Für den gelernten Gerbermeister und OB Max Gotz kam deshalb als Einband nur Kalbsleder in Frage. Das alte Exemplar war nach 58 Jahren mit knapp 250 Einträgen bis zur letzten Seite vollgeschrieben.

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

aufgehängt.

Das neue Goldene Buch

(Foto: Renate Schmidt)

Seit wenigen Wochen hat die Stadt Erding ein neues Goldenes Buch. Das bisherige Exemplar ist nach 58 Jahren mit etwa 250 Einträgen bis zur letzten Seite beschrieben. Äußerlich ist der neue Band einfach gehalten: Der Stadtname in schnörkellosen Lettern und die Pflugschar des Stadtwappens zieren den hellen Ledereinband. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hat mit der Wahl des Materials und der nüchternen Aufmachung dem Buch eine persönliche Note verliehen, denn Gotz ist gelernter Gerbermeister.

Vor mehr als zwei Jahren begann Gotz über die Gestaltung des neuen Buchs nachzudenken. Schlicht sollte es werden und sich gleichzeitig in den kommenden Jahren äußerlich verändern - die Analogie zur Stadtentwicklung liegt nahe. Das naturreine Kalbsleder und die "besonders feine Narbung" - die Oberflächenstruktur - ermöglichten das, erklärt Gotz. Unterschiedliche Luftfeuchtigkeit und die Gebrauchsspuren der Gäste, wie etwa ihr Schweiß, ließen das Leder über die Jahre hinweg natürlich altern. Das neue Buch unterscheidet sich auch beim Papier von seinem Vorgänger. Die Seitenkanten sind mit einer feiner Goldschicht überzogen. Das diene nicht zuletzt der "Bildsprache", wenn die Viertklässler zu ihrem alljährlichen Besuch kämen, sagt Gotz.

In kräftigem Rot und mit einer Goldeinfassung leuchtet hingegen das alte Goldene Buch. 1958 von Bürgermeister Hans Schmidmayer (SPD) angeschafft, hätten die prägnant hervorstechenden Narbenmuster des Einbands dem "Geist" der damaligen Zeit entsprochen, sagt Gotz. Und um Zeit geht es, wenn man in den Handschriften auf den dicken Papierseiten schmökert. "Die Einträge sind ein Spiegel ihrer Zeit. Das Buch erzählt ein Stück Geschichte dieser Stadt." Das zeigt sich bereits im Grußwort des Bürgermeisters auf der ersten Seite. Schmidmayer erinnerte 1958 an "Krieg, Zerstörung und schweres Leid", aber auch an den "unermüdlichen Aufbauwillen" der Erdinger über die Jahrhunderte. Gotz macht 2016 auf die "dynamischen Veränderungen" der Stadt aufmerksam, bei denen "immer der Blick auf die Menschen im Mittelpunkt liegen" solle. Neuen Bürgern "sei eine gute Zukunft und ein friedliches Miteinander das Ziel".

Bürgermeister Schmidmayer erinnerte 1958 an "Krieg, Zerstörung und schweres Leid"

Politiker, Unternehmer, Geistliche, Sportler, ein Nobelpreisträger, Deutsche, Amerikaner, Japaner, Afrikaner - die Liste der vertretenen Persönlichkeiten und Vereine ist lang. Immer wieder haben sich Angehörige des Fliegerhorsts und der US-Armee eingetragen. Alle sechs Jahre unterzeichnen die Stadträte und auch Erding ist selbst zwei Mal vertreten: 1978, als man 750 Jahre Stadtrecht feierte, und 2013 aus Anlass der Ernennung zur Großen Kreisstadt. Ein Zeichen für Inklusion sei der Eintrag von Eleni Fotakido und Felix Lechner, die 2013 bei den Special Olympics vier Goldmedaillen gewonnen haben.

Als Oberbürgermeister entscheidet Gotz darüber, wer sich eintragen darf, und formuliert die kurzen Texte auf den Seiten. "Wir wollen damit den Anlass für den Besuch auf den Punkt bringen." Das ist nicht immer so gewesen. Blickt man auf die ersten Seiten, finden sich dort notizartige und handschriftliche Grußworte, zum Teil mehrere untereinander. 1967 kommt zum ersten Mal ein Foto dazu, fünf Jahre später folgt die erste Verzierung. Seit der Einweihungsfeier der Polizeidirektion Erding am 1. August 1979 ist jeder Eintrag mit einer aufwendigen Kalligrafie verziert und die Texte sind einheitlich in einer Frakturschrift gesetzt. Margit Oslislo, eine ehemalige Mitarbeiterin im Erdinger Rathaus, zeichnet und schreibt sie seit 37 Jahren. Und manchmal erlaubt sich es Gotz, eine kleine Botschaft in den Zeichnungen zu platzieren: Als sich im Juli 2012 das Jugendkammerorchester Violinissimo einträgt, lässt er den ersten Takt von Beethovens berühmter "Ode an die Freude" auf die Seite setzen.

Gotz ist es wichtig, sich mit jedem Gast auch unter vier Augen zu unterhalten. "Unglaublich sympathisch", "offen", "beeindruckend", "menschlich", "keine Hierarchien", "ohne Allüren", "interessant" - so beschreibt er die Gesprächspartner, von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über den früheren Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) bis hin zu Castingshow-Gewinnerin Sara Nuru, Torwart Oliver Kahn, Firmenchef Maximilian Auer und Vertretern der Jungbauernschaft Altenerding.

Das alte Buch wird in Gotz' Büro bleiben. Einerseits, damit die Ehrengäste darin blättern könnten, andererseits weil auch er gerne einen Blick in das Buch werfe, etwa beim Schreiben eines Grußworts.

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