Erding:Ein mysteriöses Projekt

Lesezeit: 2 min

60 Appartements, 80, oder doch 200? Noch immer ist unklar, was auf dem "Sondergebiet Bundespolizei" in Erding geplant ist - und wer dort einmal wohnen soll

Von Florian Tempel, Erding

Die Arbeit am Bebauungsplan "Sondergebiet Bundespolizei" am westlichen Stadtrand unweit des Erdinger Weißbräu läuft weiter. "Aus Sicht der Stadtverwaltung ergibt sich keine Notwendigkeit, das derzeit laufende Bebauungsplanverfahren Nr. 220 zu ändern", heißt es in einer Pressemittelung. Dabei hat sich nicht nur die Grundlage für das Projekt längst völlig geändert: Der Polizisten-Wohnblock sollte vom Dorfener Investor Georg Scharl gebaut und an die Bundesimmobilienanstalt (Bima) vermietet werden, die ihn wiederum an die Bundespolizei vermietet hätte. Das Bundesfinanzministerium hat jedoch nach einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs der Bima untersagt, Investorenbauten umzusetzen. Völlig verändert hat sich zudem der Umfang des Projekts: Statt ursprünglich 80 Appartements für die Bundespolizei sollen fast dreimal so viele Wohneinheiten gebaut werden - und keiner kann oder will sagen, wer die "rund 200 Wohneinheiten" nutzen soll.

Die Bundespolizei hat mitgeteilt, dass sie stets nur 80 Einzelzimmerappartements gesucht habe und sich "dieser Bedarf nicht geändert hat". Auch die Bima schreibt: "Dieser Auftrag wurde zu keiner Zeit geändert." Die Stadtverwaltung, die nie Kontakt mit der Bima aufgenommen hat, weicht Anfragen der SZ aus, warum statt 80 sehr viel mehr Appartements geplant werden. Sie kümmere sich nur um "baurechtliche Fragen", sagt der Pressesprecher der Stadt. Warum das Bundespolizei-Projekt viel größer werden soll, als es der Bedarf der Bundespolizei ist, könne nur der Investor beantworten. Investor Scharl reagiert nicht auf SZ-Anfragen.

OB Max Gotz (CSU) weiß auch nichts. Er hat zwar im Stadtrat bekräftigt, dass ausschließlich die Bundespolizei im "Sondergebiet Bundespolizei" unterkommen könne. Der SZ erklärte er aber, die Wohnanlage könnten womöglich auch von Zollbeamte genutzt werden. CSU-Fraktionssprecher Jakob Mittermeier sagt ebenfalls, er "habe gehört", der Zoll oder andere "Bundeseinrichtungen" hätten Interesse. Die Bima, die der exklusive Immobiliendienstleister für alle Bundesbehörden ist, verneint ein solches Interesse.

Erding Jetzt-Stadtrat Hans Egger hat ebenfalls "etwas gehört": Dass die Flughafen München Gesellschaft (FMG) Interesse an der Wohnanlage für ihre Mitarbeiter habe. Ein FMG-Sprecher sagt, die FMG plane tatsächlich grundsätzlich, Wohnraum für Mitarbeiter zu schaffen - es gebe aber noch keine konkreten Projekte.

Die Vergrößerung des Bundespolizisten-Wohnblocks in Erding lässt sich anhand von Unterlagen der Stadtverwaltung nachvollziehen, aber nicht erklären: Als der Stadtrat im Dezember 2013 das Startsignal gab, hieß es in der Tischvorlage: "Die Planung sieht (. . .) zwei Gebäude mit einem möglichen Raumprogramm von etwa 60 bis 74 Dienstunterkünften vor." Eventuell war hier ungenau formuliert worden. Die Vorlage liest sich, als ob maximal 74 Appartements geplant wären. Womöglich war aber gemeint, dass zwei Gebäude mit je 60 bis 74 Appartements entstehen sollten. Das Bundespolizeipräsidium hat es offenbar so verstanden. Denn es teilt mit: "Die Bauplanungen des Investors sahen nach hiesiger Kenntnis 148 Wohneinheiten vor, von denen die Bundespolizei über die Bima 80 Unterkunftsplätze anmieten wollte." Die restlichen 68 Appartements und alles weitere wie Konferenz- und Schulungsräume, Büros, eine Kantine und eine "unter der Erdoberfläche gelegene Übungsschießanlage" - das alles findet sich im Bebauungsplan der Stadt Erding - "lag im überwiegenden Interesse des Investors, Stichwort Weitervermarktung außerhalb des Bedarfs der Bundespolizei", schreibt die Bundespolizei.

Das angesprochene "Weitervermarktungsinteresse" des Investors an einem Großteil der mittlerweile "drei Gebäude mit je 60 bis 80 Unterkünften" - so steht es im Bebauungsplanentwurf - bleibt unklar. Dennoch hält die Stadtverwaltung in einer Sitzungsunterlage zum Bebauungsplan eines fest: "Da es sich hier um eine der Allgemeinheit und der Öffentlichkeit dienende Nutzung handelt, sollte weiter an den Festlegungen des Bebauungsplans festgehalten werden."

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: