Erding:Ein labiles Gleichgewicht

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Eine Wiederwahl von Oberbürgermeister Max Gotz ist mehr als wahrscheinlich. Sollte allerdings die CSU im Stadtrat zu stark werden, könnte die Stimmung kippen

Von Antonia Steiger

Deutlicher als es die Beteiligten vermutlich beabsichtigen, spiegelt das Tableau der Bürgermeisterkandidaten die Verhältnisse wider: Oberbürgermeister Max Gotz erspäht nicht mehr als zwei Gegenkandidaten, und die kommen auch noch fast aus dem gleichen Lager. Petra Bauernfeind ist Kandidatin der UWE, Hans Egger der von "Erding jetzt". Beide Gruppierungen zählen sich zu den Freien Wählern. Wer also abseits der Parteipolitik wählen möchte, muss sich zwischen ihnen entscheiden. Aufgrund vermuteter Sinnlosigkeit haben Grüne, ÖDP und die noch kleineren Parteien auf Gegenkandidaten verzichtet, dies ist nur am Rande von Interesse. Das Fehlen eines SPD-Kandidaten jedoch wirkt sich wirklich förderlich für Gotz aus: Auch wenn viele SPD-Mitglieder ihre Partei nicht gerne in der von der Ortsvereinsspitze verordneten Nähe zur CSU sehen, werden einige doch ein Kreuz beim CSU-Kandidaten machen - und nicht bei Bauernfeind oder Egger. Dass die SPD keinen Kandidaten hat, das hat jedoch einen tragischen Hintergrund: Hans Schmidmayer sollte und wollte die SPD in den Wahlkampf führen - bis ein sehr schwerer Unfall seines Sohnes ihn aus der Bahn riss. An Schmidmayers Stelle einen anderen zu nominieren, das wollte die SPD nicht.

Die spannende Frage, die in Erding am Sonntag geklärt wird, ist sowieso nicht die nach dem künftigen Oberbürgermeister. Nicht alleine die Absenz tüchtiger Gegenspieler erleichtert dem Wahlbeobachter die Prognose, dass Gotz wieder OB wird. Er trägt dafür selbst den sehr viel größeren Teil der Verantwortung mit seiner Arbeit, die er nun sechs Jahre lang mit gleichbleibend sehr hohem Einsatz, ideenreich und konsequent erledigt hat. Er überlässt nichts dem Zufall, vermeidet Situationen, in denen er auf Informationen aus der Rathausverwaltung angewiesen ist, und hat es außerdem geschafft, dass diese Verwaltung hinter ihm steht. Und das trotz eines monströs anmutenden Arbeitsvolumens für die Menschen im Rathaus.

Zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem die Bauverwaltung, an deren Spitze ein nicht minder ehrgeiziger Stadtbaumeister steht: Sebastian Henrich ist es offensichtlich eine Freude, mit einem vergrößerten Team sämtliche Sanierungen, Renovierungen, Neubauten und Planungen zu erledigen, die der Stadtrat ihm auferlegt. Dazu gilt es, im Rahmen von Bauleitplanungen Pflöcke einzurammen für die künftige Entwicklung Erdings. Das betrifft Grünzüge, Verkehrszüge und S-Bahnzüge genauso wie Spielplätze, Wohnsiedlungen und Radwegenetze. Wer Lust am Gestalten hat, findet im Rathaus Erding gute Arbeitsbedingungen vor.

Die wahrlich spannende Frage, die die Wähler beantworten werden, ist die nach der künftigen Zusammensetzung des Erdinger Stadtrates. Einige neue Gesichter wird man dort zur ersten Sitzung des neuen Stadtrates begrüßen dürfen, das ist ein interessanter Aspekt. Der noch interessantere ist jedoch die Frage, ob die CSU eine absolute Mehrheit erringen kann - worüber sich die klügeren Köpfe selbst bei der CSU nicht wirklich erfreut zeigen dürften. Derzeit hat die CSU 15 Sitze und damit keine absolute Mehrheit, doch fehlt es in dem 40-köpfigen Gremium nicht an Willigen, der CSU einmal beizuspringen, wenn es knapp werden sollte. Noch also muss sich die CSU manchmal Mehrheiten suchen, das fiele bei zwanzig und mehr Stadträten weg. Unweigerliche Folge wäre ein gesteigertes Selbstbewusstsein bei der CSU - falls dies überhaupt möglich ist. Vermutlich mit ungünstigen Auswirkungen auf die Stimmung im Stadtrat, wo schon jetzt viele Engagierte sitzen, die sich manchmal abgebürstet vorkommen müssen. Roswitha Bendl, Hans Egger, Herbert Maier und andere bringen Ideen ein, die kaum kompatibel sind mit der Denkweise der CSU. Es kommen andere dazu, einige Kandidaten kennt man schon jetzt recht gut wie Stefan Treffler, Karl Heinz Jobst, Helga Stieglmaier und Jutta Harrer. Einen Stadtrat mit einer CSU-Mehrheit zu führen und gleichzeitig die Andersdenkenden einzubinden, das wäre eine schwere Aufgabe für den voraussichtlichen OB Gotz.

Unumstritten ist Gotz' Politik nicht. Zwar zeigen sich fast alle begeistert davon, dass Erding bei weichen Faktoren wie Stadtparksanierung, Radwegebau und hübsche Schulhäuser dazugewonnen hat. Doch bei schwerer wiegenden Entscheidungen wie dem Bahnhofsstandort, der Zusammenführung von Regionalbahn und S-Bahn und bei der Nordumfahrung gibt es im Stadtrat unüberbrückbar scheinende Gegensätze. Dennoch fanden sich für alle Projekte Mehrheiten, die Entscheidungen sind gefallen, so wie es Gotz haben wollte: Der Bahnhof kommt auf das Fliegerhorstgelände. S-Bahn und Regionalbahn werden dort verknüpft. Und die Nordumfahrung soll auf einer südlichen Trasse gebaut werden - und nicht durch das Fliegerhorstgelände. Der S-Bahn-Ringschluss ist von diesen Projekten das größte. Es wird die größten Auswirkungen auf das Leben in der Großen Kreisstadt haben. Hinter den Kulissen - und damit zum Leidwesen vieler nicht in der Öffentlichkeit - zimmert Gotz mit Bahn und Wirtschaftsministerium an einer stadtverträgliche Lösung. Das bedeutet, die Bahnübergänge an der Haager Straße und in Altenerding müssen tiefer gelegt werden, andernfalls würden die herabgelassenen Bahnschranken Erding zu einer zweigeteilten Stadt machen. Die offene Frage lautet: Wer zahlt?

Angesichts der Arbeitswut des 50-jährigen Max Gotz fällt es den Parteien und Gruppierungen schwer, brennend interessante Themen neu zu besetzen. Impulse für die Stadtpolitik gibt es jedoch viele, ihre Chancen auf Verwirklichung sind indes nicht besonders groß. So stößt Hans Egger (Erding jetzt) immer wieder Diskussionen zu mehr Transparenz an, Seite an Seite mit der ÖDP , deren Bemühen um eine Informationsfreiheitssatzung bislang nicht von Erfolg gekrönt war. Die SPD wird auch in der kommenden Amtsperiode für einen Seniorenbeirat kämpfen, und die Grünen werden die Stadtspitze weiterhin mit ihrem Wunsch nach mehr Fotovoltaik auf städtischen Gebäuden piesacken. Einig sind sich aber alle darin, dass wieder mehr Wohnraum zu erschwinglichen Preisen geschaffen werden muss. Neben dem S-Bahn-Ringschluss und der Frage nach der Nutzung des frei werdenden Fliegerhorstgeländes wird der Zuzug nicht nur viele Gemeinden, sondern vor allem die Große Kreisstadt beschäftigen.

© SZ vom 14.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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