Erding:Der Reiz des Mittelalters

Erding: Das gibt es nicht alle Tage zu sehen: In gespielter Grimmigkeit gehen zwei Ritter aufeinander los. Neben Schaukämpfen bietet der Mittelaltermarkt in Taufkirchen Stände mit zeitgenössischen Speisen.

Das gibt es nicht alle Tage zu sehen: In gespielter Grimmigkeit gehen zwei Ritter aufeinander los. Neben Schaukämpfen bietet der Mittelaltermarkt in Taufkirchen Stände mit zeitgenössischen Speisen.

(Foto: Renate Schmidt)

Am Wochenende lockt ein Markt wieder zahlreiche Besucher in den Weidenhain in Taufkirchen. Vielen genügt das Zusehen aber nicht, sie wollen selber leben wie Ritter und Gaukler

Von Tanja Kunesch, Erding

Wer hat als Kind nicht davon geträumt, in eine andere Welt einzutauchen? Einmal als tapferer Ritter gegen böse Drachen kämpfen oder als Gaukler Herr über das Feuer zu sein? Eine Zeitreise in das bunte Treiben des Mittelalters bietet an diesem Wochenende der Markt am Weidenhain in Taufkirchen. Wirklich Mittelalterbegeisterte genügt ein Marktbesuch jedoch nicht: Sie wollen selbst darstellen, wie das Leben früher gewesen sein könnte. "In eine andere Welt abtauchen und einfach mal abschalten", davon schwärmt zum Beispiel Uwe Woiczechowski. Er ist Gründer der Communitas Ardeoingas, der größten Gruppe in Erding, die mittelalterliches Lagerleben darstellt. Und er genießt ganz besonders die Abende am Lagerfeuer, wie er sagt.

Lagerfeuer, Händler und Musik finden auch die Besucher des Taufkirchener Marktes, wohin 30 Künstlergruppen gereist sind. Sie präsentieren sich als Ritter, Gaukler, Handwerker, Wirte und Lagerleute. Beim Schlendern durch den Weidenhain können die Besucher zusehen, wie im Mittelalter Körbe geflochten und Waffen geschmiedet wurden. Ritter in Rüstung zeigen Schaukämpfe, Händler bieten mittelalterliche Waren wie Bögen, Hörner und Schatztruhen zum Kauf an.

Vor zwei Jahren hatte das Ehepaar Josef und Gerlinde Kolbeck aus Moosinning den Mittelaltermarkt in Taufkirchen ins Leben gerufen. "Wir waren ganz überrascht, wie gut er angenommen wurde", sagt Gerlinde Kolbeck. Mehr als 10 000 Interessierte haben den Markt ihr zufolge besucht. In der Szene bekannt als die Event-Gastronomie "Hexelinde" organisieren die Kolbecks seit 2010 Mittelaltermärkte. Seit jeher waren beide in der Gastronomie tätig, in die Mittelalterszene seien sie mehr durch Zufall geraten, sagt Gerlinde Kolbeck. "Jetzt macht es uns natürlich viel Spaß, so eine Veranstaltung zu organisieren." In Taufkirchen betreiben sie den Gastrostand "Hexenküche" und die Schänke. Dort und an vier weiteren Ständen können Besucher den Geschmack der alten Zeit kosten: Die Ritterspieße, der Hexentopf, Fladenbrote und das Hefegebäck werden frisch zubereitet, selbstverständlich nach historischem Rezept.

Zwischen Schaukämpfen, Zauberern und Gauklern campiert die Lagergruppe "Ars et Arma". In sechs Zelten stellen sie hauptsächlich handwerkliche Arbeiten vor. Besucher können dort zusehen, wie Körbe geflochten werden und wie ein Schmied mit einem Blasebalg die Metalle in die gewünschte Form bringt. "Wir legen sehr viel Wert drauf, dass alles so authentisch wie möglich ist", sagt Peter Brych von "Ars et Arma". So gebe es bei ihnen kein Essen mit Kartoffeln, die damals noch nicht angebaut wurden. Stattdessen gibt es Pastinaken.

An bis zu sechs Märkten im Jahr schlägt die Gruppe "Ars et Arma" ihr Lager auf. Früher war Brych oft mit seinem Sohn auf dem Kaltenberger Ritterturnier. Vor sechs Jahren hat er dann mit seiner Familie seinen eigenen Verein gegründet. Von acht bis 63 Jahren ist dort jedes Alter vertreten. Am spannendsten findet Brych das Handwerk: "Einen Ritter darstellen kann jeder. Wir wollen vor allem das alte Handwerk weitergeben, auch an die jungen Kinder." Und die dürfen ihre Nase in jeden Topf stecken und sich selbst am Körbeflechten versuchen. "Mit Kleinigkeiten kann man große Dinger erreichen", sagt Brych und hofft, einige Besucher mit seiner Liebe zur Handwerkskunst anstecken zu können.

Die Händler von "Waldschrat" sind bereits seit 19 Jahren auf Mittelaltermärkten unterwegs und bieten eine große Auswahl: Von Schaf- und Rattenfelle über Ledertaschen bis hin zu Holzschnitzereien können sich Besucher am Gewandungsstand zeitgenössisch einkleiden lassen.

David, der Gaukler, wird vor allem den Kleinen etwas bieten, während Katinka, die Frau auf den Riesenstelzen, durch den Markt stakst. Einen richtigen Schwertkampf gibt es nicht zu sehen, das sei einfach zu gefährlich, sagt Gerlinde Kolbeck. Dafür gebe es aber ein handbetriebenes Riesenrad. Für musikalische Unterhaltung sorgen die Gruppe "Minnepack" und die "Spielleut Neumen Troll" mit Mittelalter-Folk und Balladen.

Die Erdinger Gruppe Communitas Ardeoingas ist erst im September im Bauernhausmuseum zu sehen. Für ihr Lager verwenden sie nur das, was es damals gab. Von den Tischen bis hin zu den Kleidern machen die 16 Mitglieder der Communitas alles selbst. Plastikbecher sind tabu, getrunken wird nur aus Tonkrügen und Zinnbechern. Und dann wird die Geschichte gelebt, sagt Monika Woiczechowski - oder Monika von Elbing, wie sie sich im Lager nennt. Uhr, Strom und fließend Wasser, das gibt es alles nicht. "Wir sind alle Naturmenschen, wir brauchen nicht immer ein Handy oder den Fernseher", sagt sie. Sie stellen nur her, was sie selbst brauchen, und wollen aus ihrem Hobby keinen Profit schlagen. "Wir wollen Besuchern nur zeigen, wie es früher gewesen sein könnte, und das so authentisch wie möglich gestalten", sagt Uwe Woiczechowski.

Ulrich Steinhauser ist einer der Mitorganisatoren des historischen Markts im Bauernhausmuseum und selbst fahrender Ritter. In den vergangenen zwei Wochen war er nur zwei Tage zu Hause. "Man lässt schon viel hinter sich und steigt teilweise richtig aus", sagt Steinhauser. "Wie jeder andere Künstler muss man sich eben entscheiden." Die Faszination solcher Mittelaltermärkte zu beschreiben, findet er schwer. Die unterschiedlichsten Charaktere trifft er dort: Ganz klischeehaft gebe es den Typen, der im Leben nicht das geschafft habe, was er wollte. Aber viele suchen nur einen Ausgleich für ihr Leben. Begeistert verschwindet Steinhauser in eine andere Welt und ist doch froh, kein echter Ritter zu sein: Er schätzt seine Heizung sehr, wenn ihm zu kalt ist. Wieso er in seiner Freizeit als Ritterdarsteller vom Markt zu Markt tingelt, kann er nicht sagen. "Was ist denn der Sinn des Lebens?", fragt er und lacht.

Am Freitag hat der Mittelaltermarkt am Weidenhain in Taufkirchen begonnen, er setzt sich am Wochenende fort. Geöffnet ist er am Samstag von 11 bis 23 Uhr und am Sonntag von 11 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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