Erding:Das Rivera-Palais

Das Haus gilt als der bei weitem repräsentativste profane Barockbau Erdings. Vor wenigen Wochen hat die Stadt das Gebäude gekauft, das noch heute einen Zugang zur Innenstadt markiert

Von Antonia Steiger, Erding

Mehr als ein paar landwirtschaftliche Anwesen hat Gräfin Maria Adelheid Theresa von Rivera wohl nicht vorgefunden, als sie auf der Suche nach einem Grundstück für den Bau ihres Ruhesitzes in Erding die Straße entlanggegangen ist, die heute die Münchner Straße ist, die wichtigste Zufahrt in die Erdinger Innenstadt. Damals nannten die Erdinger diesen Teil die Münchner Vorstadt. Er lag außerhalb der Stadtmauern. Dorthin musste die wachsende Bevölkerung ausweichen, der Platz innerhalb der Mauern war zu klein geworden.

Die Gräfin lebte zu diesem Zeitpunkt in München in der Theatinerstraße 45 in einem von Giovanni Antonia Viscardi gebauten Haus. Sie überließ das Haus jedoch ihrer einzigen Tochter und deren Ehemann und zog nach Erding, das sie als geborene von Preysing recht gut kannte. Viscardi baute auch dieses Haus, das Rivera-Palais. Es gilt als der bei weitem repräsentativste profane Barockbau Erdings. Vor wenigen Wochen hat die Stadt Erding das Haus gekauft.

Im Jahr 1710 kaufte Gräfin Adelheid von Rivera von Melchior Tormaier das Anwesen, 1712 bezog sie ihr neues Haus in Erding, in dem sie gerne Gäste empfing, unter anderem Mitglieder des kurfürstlichen Hofes, Fürstbischöfe von Freising und die Mitgliedes des Freisinger Domkapitels. Die Gräfin von Rivera hatte aber vor allem ein sehr starkes soziales Bewusstsein. Gegenüber ihrem Haus lag damals das 1697 eröffnete Kapuzinerkloster, das ihr sehr am Herzen lag. Es wurde 1802 im Zuge der Säkularisation aufgelöst, die Gebäude wurden versteigert und die Kirche abgerissen. Der ehemalige Klostergarten blieb im Besitz des bayerischen Staates, der dort das Amtsgericht mit Gefängnis errichtete.

1722 gründete Gräfin von Rivera in Heilig Blut neben der Wallfahrtskirche auch Erdings erstes Waisenhaus, denn viele Kinder waren nach dem Spanischen Erbfolgekrieg verwaist. 15 von ihnen bekamen in Erding ein neues Zuhause. Anfangs leitete Gräfin von Rivera das Waisenhaus selbst, dann übertrug sie die Leitung einem Priester der Bartholomäer. Das Waisenhaus geriet nach dem Tod der Gräfin 1725 in Schwierigkeiten, weil ihr Schwiegersohn zunächst mit den regelmäßigen Zahlungen in Rückstand geriet und sie 1740 ganz einstellte. Die Waisenkinder wurden weggeschickt, es kamen kranke und verwundete Soldaten in dem Haus unter. Es wurde 1742 bei einem Brand zerstört und später wieder neu errichtet. Später kaufte es Baron Grainger, der in der Folge den Stadtpark anlegen ließ.

Maria Adelheid Theresa Gräfin von Preysing wurde 1648 auf Schloss Hohenaschau geboren. 1682 heiratete sie Franz Ernst Graf Criechingen, der 1686 starb, die Ehe blieb kinderlos. 1688 heiratete Maria Adelheid zum zweiten Mal. Ihr Gatte wurde Johann Baptist Simeon de Balbi Graf Rivera, der einem Adelsgeschlecht aus Savoyen entstammte. Rivera besaß zahlreiche Güter im Erdinger Land, in Aufhausen, Oberneuching und auch die Hofmark Ottenhofen. Auf Schloss Ottenhofen wurde 1689 auch die einzige Tochter Maria Antonia Josepha geboren.

Graf Rivera hatte seiner Frau die Verwaltung der Güter übertragen. Als er zum Kommandeur der kürfürstlichen Leibgarde berufen wurde, erteilte er Giovanni Antonio Viscardi den Auftrag, ein Stadtpalais in München zu bauen - die heutige Adresse würde Theatinerstraße 45 lauten. Rivera konnte seine neue Stadtwohnung jedoch nicht mehr beziehen. Er fiel 1695 bei der Erstürmung des Schlosses Namur. 1697 zog Gräfin Adelheid von Rivera mit ihrer Tochter in das Münchner Stadtpalais. Maria Antonia Josepha heiratete 1709 Maximilian Emanuel Cajetan Hieronymus Bertrand de la Perouse. Er besaß ebenfalls eine Vielzahl von Herrschaften, Würden und Titel. Die beiden bekamen 1726 einen Sohn, Felix, 1738 starb Maria Antonia Josepha, 1755 Perusa.

Das Rivera-Palais markiert noch heute einen Zugang zur Stadt Erding. Über dem Tor wacht eine Hausmadonna, in zwei Nischen stehen Heiligenfiguren, Johann von Nepomuk und Franz von Paula. Der heilige Johannes wurde 1243 in Nepomuk geboren und gilt als Märtyrer des Beichtgeheimnisses. Er wurde auf Befehl von König Wenzel von Böhmen getötet, weil er sich geweigert hatte, das Beichtgeheimnis zu brechen. Der König hat demnach von Johannes wissen wollen, was seine Frau, die Königin, gebeichtet hatte.

Der heilige Franz wurde 1416 als Sohn armer Leute in Paola in Süditalien geboren. Er trat in den Franziskanerorden ein und zog sich als Einsiedler in eine Felsenhöhle zurück. Auf Befehl des Papstes ging er nach Frankreich, wo ihm Ludwig XI vor seinem Tod beichtete. Franz blieb in Frankreich, er fastete sein Leben lang und wurde 90 Jahre alt.

Das Rivera-Palais ging nach dem Tod der Gräfin Adelheid in den Besitz ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes über. Später wechselte der Besitzer mehrmals, auch die Stadt Erding soll das Haus schon einmal besessen haben. Advokaten, Kaufleute und Notare gehörten zu den Besitzern. 1972 kaufte es dann der Rechtsanwalt Walter Jaensch, der das Gebäude aufwendig renovieren ließ. Jaensch wurde dafür mit der Medaille "Für vorbildliche Heimatpflege" ausgezeichnet. Zur 750-Jahr-Feier ließ Jaensch auch die Statuen an der Fassade renovieren.

Der Text bezieht sich im Wesentlichen auf den Aufsatz "Das Rivera-Palais" von Karl Riss, der von 1953 bis 1965 Direktor das Amtsgerichts war. Er wurde in Band 13 der Reihe "Erdinger Land" von Joe A. Schmöger herausgegeben und mit Anmerkungen versehen.

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