Erding:Das lukrative Geschäft mit alten Kleidern

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Der Landkreis Erding hat einen Vertrag mit einer kommerziellen Recyclingfirma und verdient gut mit. Hilfsorganisationen dagegen können auf öffentlichem Grund kaum noch Container aufstellen.

Von Robert Gast

Omas altes Sommerkleid, Papis abgetragenes Jackett, die mittlerweile viel zu kleine Kinderjeans: Solche Klamotten landen hierzulande oft im Altkleider-Container. Die meisten Spender meinen das als wohltätige Geste. Die wenigsten dürften wissen, dass die Altkleider für die Sammler ein sehr lukratives Geschäft sind - und dass der Erlös daraus längst nicht immer wohltätigen Zwecken zu Gute kommt.

Im Landkreis Erding hat das Landratsamt die Altkleider-Wirtschaft fest in seiner Hand. Seit Anfang 2009 besteht ein Vertrag mit der Recyclingfirma Wittmann aus Geisenhausen, etwa 150 Container hat das Unternehmen quer über den Landkreis verteilt. In ihnen landen jährlich gut 600 Tonnen Altkleider. Sie werden an Sortierbetriebe in Italien, den Benelux-Ländern und Osteuropa verkauft. Das Landratsamt verwendet die Mieten für die Stellplätze, um die Müllgebühren zu senken, teilt die Behörde mit. Hilfsorganisationen hingegen haben nur noch wenige Altkleider-Container im Landkreis Erding.

Das ist auch eine Folge einer Neufassung des "Kreislaufwirtschaftsgesetzes", das im Juni 2012 in Kraft getreten ist. Wichtige Neuerung: Sammler müssen ihr Vorhaben bei den Landkreisämtern anmelden, bei gewerblich operierenden Textilunternehmen können die Behörden ihre Zustimmung enthalten, etwa wenn der oder die Sammler als unzuverlässig gelten. Gemeinnützigen Sammlungen beispielsweise von Hilfsorganisationen müssen die Landratsämter hingegen zustimmen.

Dass dennoch im Landkreis Erding auf öffentlichem Grund praktisch keine Container von Hilfsorganisationen mehr stehen, empfinden die Malteser als ungerecht. Die Hilfsorganisation fühlt sich in Sachen Altkleider aus dem Landkreis gedrängt. Das Landratsamt vergebe die Plätze auf den Wertstoffinseln und an anderen öffentlichen Plätzen fast nur noch an die Firma Wittmann, sagt Heinz Mauermann, der Zuständige für Altkleidercontainer bei den Maltesern. Aktuell stehen nur fünf Container der Malteser im Landkreis Erding: Zwei auf dem Gelände der katholischen Hilfsorganisation in der Stadt Erding, zwei in Moosinning, einer in Oberding. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) - in anderen Landkreisen sehr aktiv bei der Kleidersammlung - betreibt laut Auskunft von Danuta Pfanzelt vom Kreisverband des BRK sogar nur einen Container: auf dem BRK-Grundstück.

Nur in Moosinning und Oberding traf Malteser-Mitarbeiter Mauermann auf Bürgermeister, die Container der Hilfsorganisation nach mehreren Gesprächen auf dem Grund ihrer Gemeinde genehmigten. Die meisten anderen hätten mit Blick auf den Vertrag zwischen Landratsamt und der Firma Wittmann ans Landratsamt verwiesen, das der Hilfsorganisation laut Mauermann aber keinen Platz auf den Wertstoffinseln einräume.

"Sammlungen durch gemeinnützige Organisationen wurden vom Landratsamt Erding nicht untersagt", erwidert das Landratsamt - was jedoch nicht heißt, dass die öffentlichen Stellplätze nicht bevorzugt an die kommunale Partnerfirma Wittmann vergeben werden. Die Malteser würden gerne so wie in anderen Landkreisen mehr Container aufstellen - 50 wären "nicht zu viel", sagt Heinz Mauermann. "Die Erlöse unserer Altkleider gehen zu 100 Prozent an die Dienststelle im Landkreis." Dass die Erlöse aus den Altkleidern so überschaubar sind, sei bitter für die hiesigen Malteser. Unter anderem bei der Hospiz- und Jugendarbeit mache sich das Fehlen der Mittel aus der Altkleidersammlung bemerkbar. Dabei gehe es auch anders, sagt Mauermann: Viele Landkreise, beispielsweise Mühldorf, ließen den Hilfsorganisationen mehr Raum, dort würde man bewusst Platz für Hilfsorganisationen auf den Wertstoffinseln reservieren.

Wer als Hilfsorganisation noch im großen Stil sammeln möchte, kann das in Erding im Grunde nur noch im Rahmen eines Aktionstages tun. So macht es die DLRG in Wartenberg und Taufkirchen: Bürger stellen an angekündigten Tagen Altkleidersäcke an den Straßenrand - pro Sammlung kämen etwa vier Tonnen zusammen, berichtet Jürgen Hartmann vom DLRG Wartenberg. Ein größeres Volumen fördert die Katholische Landjugendbewegung mit einer ähnlichen Aktion zu Tage - sie sammelt zwei Mal im Jahr insgesamt etwa 70 bis 80 Tonnen. Auch die Kolpingwerke rufen ab und an zur Spende auf, stets an einem Tag im Frühjahr.

Insgesamt erlebe die Altkleiderbranche einen Trend in Richtung "Kommunalisierung", wie Rainer Binger sagt, Geschäftsführer des Textilrecycling-Unternehmens FWS, bundesweit in vielen Kreisen Partner der Malteser. Jahrzehntelang hätten die Kommunen und Kreise nicht groß im Altkleider-Geschäft mitgemischt, sagt Binger. Aber aktuell ist der Altkleider-Preis auf einem historischen Hoch: Bis zu 450 Euro zahlen Händler für eine Tonne Containerware, von der knapp die Hälfte im Secondhand-Handel landet, meist in Afrika, Asien und Osteuropa. Der Rest wird zu Putzlappen, Dämmstoff oder Restmüll.

Dass die Kommunen selbst die Altkleider als Einnahmequelle entdeckt hätten, sei eben "der Gang der Dinge", sagt Martin Wittmann vom kommunalen Partner des Landratsamtes. Die karitativen Organisationen könnten ja weiter sammeln - auf ihren Privatgrundstücken.

Eine andere Sorge eint hingegen Malteser und Kommunen: Altkleider sind heutzutage so lukrativ, dass zunehmend illegale Händler auf den Plan treten. Das DLRG und die Katholische Landjugendbewegung berichten von Fremden, die am Sammeltag Kleidersäcke vom Straßenrand in ihren Van laden. Der Firma Wittmann sind in Taufkirchen jüngst gar vier Container abhanden gekommen.

Manche Firmen stellen hingegen einfach Container ohne Anmeldung auf, oftmals auf Privatgrundstücken ohne Erlaubnis der Eigentümer. "Illegale Container schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden", sagt Mauermann. Oftmals ähneln die Container sehr denen karitativer Organisationen, Supermarktparkplätze scheinen ein beliebter Ort zu sein. Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) rät Spendern daher, genau zu prüfen, wer hinter einem Container steht und nach einem bvse-Siegel Ausschau zu halten - und im Falle eines Verdachts entweder die Einwurfklappe zu überkleben oder die Behörden zu kontaktieren.

Ein gewerblicher Altkleidersammler, der im großen Stil in Erding Container aufgestellt hatte, hat nun sogar gegen den Freistaat Bayern geklagt. Verhandelt wird kommende Woche vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht. Genauere Informationen zum Gegenstand der Klage konnten weder das Verwaltungsgericht noch das Landratsamt bis Redaktionsschluss geben. Doch vermutlich ist es ein ähnlicher Prozess, wie er in zahlreichen Regionen in den vergangenen Monaten stattfand: Die Firmen wollen nicht akzeptieren, dass nun die Partner der Landratsämter Vorrang haben.

© SZ vom 14.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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