Erding:"Das kann nur zweite Wahl sein"

Erding: Martin Kern vermutet, dass die Deutschen in einem Referendum so abstimmen würden wie die Iren.

Martin Kern vermutet, dass die Deutschen in einem Referendum so abstimmen würden wie die Iren.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Iren haben sich für die Gleichstellung homosexueller Paare entschieden. Martin Kern sagt, die Politik sollte das aus eigener Kraft schaffen. Der Kreisvorsitzende der SPD Erding hat im Vorjahr seinen Mann geheiratet

interview Von Gianna Niewel, Erding

Am Wochenende haben die Iren entschieden, homosexuelle Paare gleichzustellen. In Deutschland können Schwule und Lesben bislang lediglich eine "eingetragene Lebenspartnerschaft" gründen. Martin Kern ist Kreisvorsitzender der SPD Erding. Im vergangenen Jahr haben er und sein Mann geheiratet - "Homo-Ehe" heißt das im Volksmund, rechtlich gesehen ist es noch immer keine Ehe.

SZ: Herr Kern, wo fühlen Sie sich nicht gleichgestellt?

Martin Kern: Es sind Kleinigkeiten. Als mein Mann und ich im Juni geheiratet haben, stand auf der Urkunde "L0001". L für Lebenspartnerschaft - nicht Ehe. Wir waren das erste Paar, das sich in Donauwörth hat trauen lassen. Unser Stammbuch sieht anders aus, der Einband unterscheidet sich. Dass wir aus hanebüchenen Gründen nicht Blut spenden dürfen, so etwas.

Wie haben Sie das Referendum in Irland verfolgt?

Nur am Rande. Ich hab' das Ergebnis beim Einloggen ins Online-Postfach gesehen und auf den Artikel geklickt. Das war's.

Warum das?

Natürlich begrüße ich das Ergebnis. Aber es ist doch so: Entscheidend für uns ist, wie die Bundesregierung auf dieses deutliche Zeichen reagiert. Am Mittwoch will das Kabinett ein Gesetz beschließen, das die Gleichstellung ein Stück vorantreiben soll. Die Frage ist, ob nur diskutiert wird, oder ob relevante Änderungen gesetzlich verankert werden. Ob es um mehr geht, als um sprachliche Feinheiten von Verordnungen und stattdessen um wirkliche Gleichberechtigung. Der Erfolg hiervon hängt maßgeblich von der Union ab.

Die Entscheidungen in Berlin sind das eine. Wie geht es Ihnen hier in Erding?

Im Grunde nicht schlecht. Die Grüne Jugend hat eine Aktion gegen Homophobie am Schrannenplatz veranstaltet. Dann gab es "Erding bunt statt braun" - das schließt ja auch Homosexuelle ein. In Taufkirchen haben einige Republikaner noch ein ultrakonservatives Familienbild: Mutter, Vater, Kind. Die könnten wohl Probleme haben, aber das ist nur mein Empfinden. Und außerdem sind die ja selbst eine Minderheit. Ansonsten weiß ich gar nicht, ob es in der Stadt eine Szene gibt. Ich suche meine Freunde auch nicht nach ihrer Sexualität aus, ich gehe nicht in Schwulenbars. Auch das ist im Grunde ja ein bewusstes Abgrenzen.

Sie haben fast vier Jahre lang an einer katholischen Mädchenrealschule unterrichtet.

Während der Zeit habe ich meine Homosexualität versteckt. Mein Mann und ich führten zu der Zeit eine Fernbeziehung und waren deshalb ohnehin nur alle paar Wochenenden in Donauwörth. Aber wenn, sind wir nicht dahin gegangen, wo wir Schülerinnen vermutet haben.

Wieso haben Sie den Job aufgegeben?

Ich wollte zu meinem Partner nach Erding ziehen.

Das war alles?

Natürlich wünscht man sich einen Beruf, in dem man sein kann, wie man ist. An meinem letzten Arbeitstag habe ich mich vor meiner Klasse geoutet, eine achte war das.

Wie haben die Mädchen reagiert?

Gut, wirklich. Wir haben die ganze Klasse zu unserer Hochzeit eingeladen und sie kamen sogar. Das war denen wichtig.

Wieso war es Ihnen ein Anliegen?

Ich denke, es ist ein Vertrauensbeweis, etwas doch so Persönliches zu teilen.

Gleichzeitig darf das heute kein Problem mehr sein.

Ja, sollte es zumindest nicht. Ich habe einen Bekannten in der Nähe, der ist schwul. Er arbeitet als Selbstständiger und hat viel Kontakt mit Kunden und Behörden. Der heiratet nicht aus Angst, Kunden zu verlieren.

Finden Sie, dass auch Deutschland per Referendum entscheiden sollte, ob die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet wird?

Das kann nur die zweite Wahl sein. Die Politik sollte aus eigener Kraft etwas tun. Unabhängig davon bin ich sicher, dass das Ergebnis ähnlich wäre wie in Irland. Die Gesellschaft ist weiter als die Politik. Selbst in der Kirche sind viele Katholiken weiter als ihre Oberhäupter.

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