Erding:"Darf ich bei Ihnen übernachten?"

Konrad Huber läuft als Straßenmusiker in vier Etappen von Erding nach Berlin. Er lebt von dem Geld, dass er mit seinem Gitarrenspiel verdient und übernachtet im Freien und bei Fremden. Die SZ ist in den kommenden Wochen auf seinem Weg mit dabei

Von Katrin Langhans , Erding

Konrad Huber, 46 Jahre alt, Kurzhaarschnitt, blaue Augen, hat die geplanten Tage satt. Als Musikschullehrer und Chorleiter in Reithofen hat er einen festgezurrten Tagesablauf. Schon seit ein paar Jahren überlegt er, einfach mal die Gitarre auf den Rücken zu schnallen, los zu laufen und in verschiedenen Städten als Straßenmusiker zu spielen. Ein paar Leute kennenlernen, ein bisschen Freiheit schnuppern. Sein Ziel: Nur von dem leben, was er mit dem Gitarrenspiel verdient, im Freien schlafen oder bei Fremden. In diesem Sommer packt er seine Sachen und läuft zu Fuß von Erding nach Berlin. Das sind insgesamt etwa 560 Kilometer. Konrad Huber teilt die Strecke in vier Etappen, die SZ ist auf seinem Weg mit dabei. In der ersten Folge läuft er von Erding bis nach Weiden. Er trifft freundliche Pfarrer, wütende Verkäufer und manch einen Reisenden, mit dem er nicht gerechnet hat.

Erding, Tag eins: Ein paar Schokoriegel im Gepäck

Ein paar Centstücke landen im Koffer, als Konrad Huber auf dem Sinnflut-Festival in Erding spielt. Dann packt er die Gitarre ein, schnallt den Rucksack auf den Rücken und läuft los. Im Gepäck: Gitarre, Isomatte, Schlafsack, Regenjacke, ein paar Schokoriegel, Obst und Wechselklamotten.

Moosburg, Tag eins: Irgendwer bleibt immer übrig

Vier Stunden läuft Huber bis er abends in Moosburg bei einem Jazzfestival eintrifft. Um 22 Uhr darf er als inoffizieller Schlussakt auftreten. Er hatte vorher per Mail angefragt, ob das möglich sei. Huber spielt Flamencostücke und eines seiner Lieder das "Feierabend" heißt. Dann wird es ernst. "Ich dachte ich muss am Ende übers Mikrofon fragen, wo ich schlafen kann, aber der Veranstalter bot mir an bei ihm zu übernachten. Der war es gewohnt, dass nach Festivals irgendwelche Musiker übrig bleiben", sagt Huber. Am Abend lernt er den Stolz der Familie kennen: Einen Hund, der sich auf Kommando tot stellen kann.

Pfeffenhausen, Tag zwei: Wer nicht grüßt, der ist koa Wanderer

Schon von weitem sieht Huber einen "Zigeunerwagen" mit Vorhängen an den Fenstern. Die Fahrer winken freundlich, Huber winkt zurück. "Auf der Straße grüßen sich die Reisenden", sagt er. Das verbinde. Nur die Lastwagenfahrer seien manchmal lästig. Denn der Luftzug, den ihr Gefährt hinterlässt, pustet Huber fast von der Straße.

Labertal, Tag zwei: Ein bisschen Schwund ist immer

Huber ärgert sich ein wenig, dass er an der Hauptstraße entlang läuft. So viel Lärm, so viele Autos. Er beschließt, ein Feld zu überqueren, um auf die gegenüberliegende Landstraße zu gelangen. Dabei muss er einen Bach überwinden. Konrad Huber will springen und tastet sich ganz nah ans Ufer heran. Dabei plumpst er in das Wasser. Die Hose ist kniehoch nass, aber die Gitarre bleibt trocken. Huber übernachtet am Straßenrand in einem Bushäuschen aus Holz.

Preview Straßenmusiker

SZ-Grafik; Zeichnungen: Korbinian Eisenberger

Bad Abbach, Tag drei: Maestro, hinsetzen!

Kurz vor Bad Abbach steht Huber mit großen Augen vor einem Plakat, das Fußpflege anpreist. "Die hätte ich jetzt auch gerne", denkt er. In Bad Abbach musiziert er vor einer Apotheke. Die Besitzerin findet das okay: "Solange sie keine Blaskapelle mitbringen!" Gegenüber ist eine Eisdiele. Nach dem Spiel winkt ihn der Besitzer an einen Tisch. "Maestro, hinsetzen", sagt er und serviert ihm kostenlos ein großes Glas Wasser und einen Schokonussbecher.

Regensburg, Tag drei: Stockfinster und kein Schlafplatz

Huber gibt sein erstes Geld im McDonald's für Pommes und einen Gartensalat aus. "Ich hatte so Bock auf Salz", sagt er. Nach einem Spiel in Regensburg fragt er in einer Herberge nach einem Schlafplatz. Der kostet 28 Euro die Nacht. Wucher, denkt Huber und sucht weiter. Da es schon den ganzen Tag lang regnet, ginge es im Freien höchstens geschützt unter einer Brücke. Aber da lungern Jugendliche mit Bierflaschen herum. Er fragt bei der Hochschule für Musik und in sechs Lokalen : "Darf ich bei Ihnen übernachten?" Sieben Mal bekommt er eine Abfuhr. Ein Mann rennt ihm nach: "Aber was umsonst essen können sie!" Es ist bereits halb elf. Huber lehnt dankend ab. In Lappendorf brennt in einen Pfarrheim noch Licht. Huber klopft an und darf im Jugendsaal schlafen.

Marienthal, Tag vier: Baden in der Natur

Auf dem Weg nach Schwandorf kommt Huber an einem Fluss vorbei. Er springt hinein und schwimmt eine Runde.

Schwandorf, Tag vier: Handy weg

Huber macht Pause beim Rewe, lädt sein Handy auf der Toilette auf und setzt sich draußen in die Sonne. Als er es wieder abholen will ist es weg. "Oh nee", denkt Huber, rennt zu einer Verkäuferin und fragt, ob vielleicht ein Handy abgegeben wurde. Huber hat Glück. Die Putzfrau hat's gefunden und dem Geschäftsführer gegeben. Der lässt Huber in seinem Büro das Handy aufladen. Später übernachtet er bei einem Bauarbeiter in einer, wie er sagt, "Bruchbude". Er hat ihn im Bahnhofscafé kennengelernt. "Oft helfen dir die, von denen du es am wenigsten erwartest", sagt Huber.

Neunkirchen, Tag fünf: Ein richtiges Bett!

Huber verdient zehn Euro in der Fußgängerzone von Nabburg und Schwarzenfeld. Er übernachtet bei einem Freund in Neunkirchen "in einem richtigen Bett".

Weiden, Tag sechs: Musik unerwünscht

Huber kauft sich für 99 Cent einen Kaffee in einem Backshop, setzt er sich an einen Tisch und spielt. Keine zwei Minuten später fragt ihn die wütende Verkäuferin, was das solle: "Straßenmusik spielen, das geht hier nicht." Huber sagt: "Wieso ich hab' doch eine Genehmigung ". Außerdem säßen andere Gäste auch eine Weile vor ihrem Kaffee. Der Verkäuferin verschlägt's die Sprache. Sie lässt ihn sitzen.

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