Erding:"Daheim, das bin ich hier"

Erding: Monika Gruber in der Aula des Anne-Frank-Gymnasiums.

Monika Gruber in der Aula des Anne-Frank-Gymnasiums.

(Foto: Bauersachs)

Nach einer Auszeit kehrt Monika Gruber mit ihrem Buch "Man muss das Kind im Dorf lassen" auf die Bühne zurück. Im Gespräch mit der SZ erzählt sie von ihrer Schulzeit, ihrer Aussteuer und den Nachteilen des Landlebens.

Von Mathias Weber

Die Mähne blond, die Fingernägel knallpink und die Sprache so schnell, dass man kaum mitkommt: Die Kabarettistin Monika Gruber, die in Tittenkofen aufgewachsen und in Erding zur Schule gegangen ist, stellte Anfang der Woche bei einer Lesung am Anne-Frank-Gymnasium ihr erstes Buch vor. In "Man muss das Kind im Dorf lassen" erzählt sie Anekdoten aus ihrer Jugend. Die SZ trifft Gruber vor ihrem Auftritt zum Gespräch im Musikzimmer des Gymnasiums, an den alten Schultischen, zwischen Schlagzeug und Tuba.

Süddeutsche Zeitung: Wenn Sie hier an Ihr altes Gymnasium zurückkommen, da erwachen bestimmt wieder Erinnerungen.

Monika Gruber: Ja, der Geruch alleine! Ich bin ja ein olfaktorischer Mensch: Man riecht die Aula, die Klassenzimmer, die Mischung aus Büchern, dem Teppich, Hormone... Und man denkt sich: Gott, so war das damals.

Freuen Sie sich, hier zu sein, oder bringt die Umgebung auch gemischte Gefühle mit sich?

Ich freu mich schon. Aber natürlich ist man immer besonders nervös, wenn man daheim auftritt. Im Publikum sitzen ja viele Leute, die mir sehr nahe stehen, Freunde, Familie, Bekannte. Da möchte man sich nicht blamieren, aber wenn man es besonders gut machen will, geht's oft daneben, da habe ich ein bisschen Angst davor. Und natürlich ist auch der ein oder andere Lehrer da.

Ihre ehemaligen Lehrer unterrichten noch?

Auf jeden Fall. Der Kunstlehrer Herr Bibl zum Beispiel. Der meinte aber, er erinnere sich nicht wirklich an mich. "Die hat ja die Klappe nicht auf gekriegt", hat er gesagt. Ich glaube, ich war eher eine stille Schülerin.

Waren Sie kein Klassenclown?

Am Ende hab ich dann schon versucht, aufzufallen. Ich war ja ein Exot an der Schule. Ich war die einzige, die richtig baierisch gesprochen hat, die vom Bauernhof kam, die einzige, die keine Markenklamotten trug. Diese Andersartigkeit habe ich versucht zu kompensieren, indem ich der Clown war. Aber nur in der Pause, im Unterricht war ich zurückhaltend.

Waren Sie eine gute Schülerin?

Relativ gut. In den Sprachen war ich gut. Ich mochte sogar Latein gern, da habe ich mit einem Einser abgeschlossen. Mathematik und Physik war nicht so meins, da hat mich irgendwann die Lust verlassen.

Das Buch, das Sie über ihre Jugend in Erding und Tittenkofen geschrieben haben, ist aus einem Beitrag zum 75-jährigen Bestehen des Gymnasiums entstanden.

Olaf Eberhart (Leiter der Landkreisbibliothek, Anm. der Red.) hatte mich gebeten, etwas für die Festschrift zu schreiben. Ich habe dann über meinen ersten Schultag geschrieben, der war mir noch sehr präsent. Irgendwann hatte ich dann aber statt einer acht Seiten, und habe dann auf vier gekürzt. Und daraufhin habe ich angefangen, punktuell Erinnerungen aus der Kindheit aufzuschreiben. Zum Beispiel das Hühnerhaus, in dem wir als Kinder früher gespielt haben, der ausgeschlachtete R4, das Zwergpony, das dann das Auto gezogen hat.

Ist Ihnen das Schreiben leicht gefallen?

Lustigerweise ja. Manche Kapitel waren aber schwieriger, weil man sich auch fragt: Was darf man schreiben? Kann man alles schreiben, ohne jemanden auf den Schlips zu treten? Meine Familie ist da eh sehr heikel, die halten sich lieber bedeckt. Ansonsten ist es mir aber sehr leicht gefallen, es hat mir Spaß gemacht. Wenn ich für ein Kabarettprogramm schreibe, muss man ja immer auf Pointen schreiben, es soll ja lustig sein.

Und das war im Buch nicht so?

Da kann man auch mal von Dingen erzählen, die vielleicht nicht so lustig sind. Zum Beispiel die Geschichte vom Nachbarsbub und bestem Freund, der im Alter von 19 Jahren tödlich verunglückt ist. Das ist ein Kapitel, das kann ich nicht vorlesen, da müsste ich weinen.

Man hat das Gefühl, Monika Gruber ist jemand, der wenig von seinem Privatleben preis gibt. Aber in dem Buch erfährt man viel über Sie.

Ja und nein. Ich gebe schon viel von mir preis, aber nicht das, bei dem ich das Gefühl habe, das ist zu privat. Ich schreibe zum Beispiel nicht über meine Beziehungen, das geht niemanden etwas an. Ich habe auch manche Kapitel in meiner Vergangenheit, die nicht so schön waren. Die hab ich dann rausgelassen.

Es war nicht alles gut

Es war nicht alles gut?

Der Untertitel des Buches lautet ja: "Meine furchtbar schöne Kindheit". Nein, es war nicht alles schön. Wenn ich da an meine Kommunion denke, wenn andere Kinder ein Radl oder eine Reitbeteiligung bekommen. Ich habe halt ein Besteck für sechs Personen und Teile eines Kaffeegeschirrs bekommen - weil man ja für die Aussteuer ansammlen muss.

Das nutzen Sie bestimmt heute noch.

(lacht)Ja tatsächlich, das ist nämlich ein schönes Besteck und Geschirr, in dem Sinne hatte meine Mutter natürlich recht. Aber damals fand ich das total uncool. Oder Urlaub: Nur einmal waren wir alle zusammen im Urlaub, eine Woche in Bibione, da muss man im Nachhinein darüber schmunzeln. Man muss aber auch ehrlich sagen: Wir waren frei. Mir ist nichts abgegangen, ich hab nichts vermisst.

Sie waren auch frei in der Wahl ihrer Schule, Sie wollten aufs Gymnasium.

Meine Eltern haben gesagt: "Du bist ein Mädl, du muss nicht unbedingt aufs Gymnasium. Aber wenn du willst, können wir dir nicht bei den Hausaufgaben helfen, und Nachhilfe gibt es auch nicht." Sie waren dann auch nicht so interessiert an der Schule, ich habe ihnen halt die Zeugnisse gezeigt und alles war in Ordnung. Ich wurde nie unter Druck gesetzt, nicht so wie die Kinder heute: Reiten, Ballett, Geige, das war bei uns nicht so.

Die Zeiten sind heute anders.

Ich glaube, Kinder haben es heutzutage schwerer: Druck in der Schule, die Eltern erwarten viel. Kinder sind heute ein Projekt: Aus meiner Grundschulklasse sind zwei aufs Gymnasium gegangen, heute sind das vielleicht 20. Da sieht man schon: Da herrscht eine ganz andere Erwartungshaltung. Und dann werden die Kinder mit so viel konfrontiert, der materielle Wohlstand ist viel größer.

Nicht so wie damals auf dem Bauernhof in Tittenkofen.

Wir hatten zum Beispiel kein fixes Taschengeld. Wenn wir etwas wollten, mussten wir auch dafür arbeiten. Ich wollte zum Beispiel immer so ein Chiemsee-Sweatshirt, das war damals unglaublich in und hat bestimmt 200 Mark gekostet - wahnsinnig viel Geld. Dafür habe ich dann freitags und samstags im Baumarkt Schrauben sortiert und Ware etikettiert und mir so das Sweatshirt verdient.

Würde es so eine Monika Gruber geben, wenn Sie zum Beispiel in Schwabing aufgewachsen wären?

Sicher nicht. Das Leben im Dorf hat mich irre geprägt. Die Verwurzelung ist hier ganz anders. Immer, wenn ich nach Erding rausfahre habe ich das Gefühl: Ich komme Heim. Das hat viel mit den Menschen und der Sprache zu tun. Ich war zum Beispiel kürzlich am Tegernsee, da ist es landschaftlich wunderschön. Aber daheim, das bin ich hier.

Könnten Sie sich vorstellen, woanders zu leben?

Für eine gewisse Zeit sicher, vielleicht ein Jahr in Italien, oder vielleicht auch Frankreich, England. Aber irgendwann würde mir etwas abgehen, die Sprache vor allem. Und ganz ehrlich: Auch eine gscheide Butterbrezen.

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