Erding:Chefarzt wehrt sich gegen Kündigung

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Das Arbeitsgericht sieht die fristlose Entlassung als nicht richtig an - und ändert damit seine Meinung. Eine Einigung zwischen dem Klinikum Erding und dem früherem Leiter der Gynäkologie ist nicht in Sicht

Von Florian Tempel, Erding

Die fristlose Kündigung des Chefarztes für Gynäkologie und Geburtshilfe, Michael Krauth, droht für das Klinikum Erding zu einer sehr teuren Angelegenheit zu werden. Das Arbeitsgericht München hält die Kündigung für überzogen und damit für unwirksam. Die Vorsitzende Richterin der 7. Kammer, Camilla Rösch, sagte beim zweiten Gerichtstermin in dieser Sache, es sei zwar "ein schwerer Arbeitsvertragsverstoß", dass Krauth eine Studentin am 4. November 2014 eine Wunde zunähen ließ, während er nicht im OP-Saal war. Da sich Krauth jedoch in seinen acht Jahren als Chefarzt sonst nichts zu Schulden kommen ließ, sei die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt. Rösch mahnte dringend eine gütlichen Einigung an. Als daraus nichts wurde, packte Klinikchef Sandor Mohácsi aus, dass es noch andere Gründen für den Rauschmiss gäbe: Krauth soll eine Mitarbeiterin sexuell belästigt und Mitarbeiter und Patienten seiner Abteilung "grob beleidigt" haben. Krauth wies das als "bodenlose" Unterstellungen zurück.

Bei einem ersten Gerichtstermin im Januar hatte die Vorsitzende Richterin die fristlose Entlassung noch als richtig angesehen. Nun aber hat das Gericht seine Meinung revidiert: Dass eine Studentin ein halbes Jahr vor dem Abschluss ihres Medizinstudium eine Wunde vernähe, die noch dazu gut verheilte, sei kein großes Drama. Krauth hätte die Studentin zwar beaufsichtigen müssen. Dass er es nicht tat, könne jedoch nicht mit einer sofortigen Entlassung geahndet werden.

Mohácsi und die Klinik-Anwältin blieben dabei, dass sie es anders sähen, und kündigten an, gegen eine Aufhebung der Kündigung - das Urteil ergeht in drei Wochen - in Berufung zu gehen. Dann packte Mohácsi schmutzige Wäsche aus, die er bislang, "auch zum Schutz von Herrn Krauth" zurückgehalten habe, wie er sagte.

Anfang November 2014 seien eine Oberärztin und eine Assistenzärztin "teilweise in Tränen aufgelöst" zu ihm gekommen, um sich bitterlich über Krauth zu beschweren. Das sei "der Auslöser der gesamten Situation" gewesen. Er habe daraufhin, so Mohácsi, "Einzelgespräche" mit allen Abteilungsmitarbeitern geführt. Die Aussagen seien dann im Beisein von Personalräten protokolliert worden. Der Vorfall mit der im OP-Saal allein gelassenen Studentin sei nur ein Ergebnis der Mitarbeiterbefragung gewesen. Nach Rücksprache mit Medizinrechtlern habe man diesen Vorfall als fristlosen Kündigungsgrund erkannt. Die Anwältin des Klinikums sagte, "die schriftlichen Zeugenaussagen sind nicht schön - ich als Frau musste schon schlucken". Zum Schluss las sie vier Passagen aus den Gesprächsprotokollen vor.

Krauth sagte, er habe mit den beiden Ärztinnen lediglich "sehr ernste Mitarbeitergespräche geführt". Die Oberärztin hätte ihm darauf gedroht, "dass ich schon sehen werde, wer hier eine auf den Hut bekommt". Die in den Gesprächsprotokollen erhoben Vorwürfe seien nicht wahr.

Nach Informationen der SZ war das Verhältnis zwischen Chefarzt und Klinikchef auch deshalb angespannt, weil Krauth Mohácsi dafür kritisiert haben soll, ein sogenanntes Medizinisches Versorgungszentrum mit einer gynäkologischen Praxiszulassung am Klinikum zu installieren.

Alle Bemühungen der Vorsitzenden Richterin, die beiden Parteien zu einem Vergleich zu bewegen, scheiterten. Sie hatte folgenden Vorschlag gemacht: Die Kündigung wird zurückgenommen, das Klinikum stellt Krauth wegen des zerrütteten Verhältnisses von der Arbeit frei, zahlt ihm aber bis Ende Juni 2016 sein Chefarztgehalt weiter und dann 250 000 Euro Abfindung. Mohácsi war das viel zu viel, Krauth und seinem Anwalt Stefan Baumann war es zu wenig: Sie forderten 400 000 Euro Schmerzensgeld. "Drunter geht's nicht." Zusammengerechnet forderten sie etwa 700 000 Euro. Krauth, der seit April als Oberarzt in Wasserburg arbeitet, hatte während der Verhandlung gesagt, es gehe ihm in erster Linie "um vollständige Rehabilitation". Er sei "öffentlich hingerichtet", sein Ruf als Mediziner sei "massiv besudelt" worden.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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