Klinikum Erding:Chefarzt klagt gegen fristlose Kündigung

Der Geschäftsführer des Klinikums Erding hat diesen Schritt erwartet: "Das ist für uns nicht überraschend." Die Stelle von Michael Krauth ist dennoch bereits zur Wiederbesetzung ausgeschrieben.

Von Florian Tempel

Der Ende November fristlos entlassene Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Erding, Michael Krauth, wird seine Kündigung anfechten. Krauth hat über seinen Anwalt Stephan Baumann eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht München eingelegt. Der Chef des Klinikums Erding, Sándor Mohácsi, sagte, man habe eine Klage erwartet: "Das ist für uns nicht überraschend." Krauths Stelle ist dennoch bereits zur Wiederbesetzung ausgeschrieben. Das Klinikum Erding sucht "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" einen neuen Gynäkologie-Chefarzt. Eine gänzlich überraschende Nachricht ist jedoch, dass Krauth nach Informationen der SZ kurz nach seiner Entlassung von unbekannten Männern verprügelt worden sein soll. Ein Polizeisprecher bestätigte, dass Rechtsanwalt Baumann in der vergangenen Woche im Namen seines Mandanten Anzeige wegen Körperverletzung erstattet hat. Baumann wollte die Anzeige und die Umstände des Angriffs auf Krauth nicht näher erläutern.

Die fristlose Entlassung des 53-jährigen Krauth, der seit 2006 Chefarzt in Erding war, war von der Klinikleitung mit einem groben Verstoß gegen dessen ärztlichen Pflichten begründet worden. Er soll bei einer Operation im Oktober einer Medizinstudentin im Praktischen Jahr (PJ) das Zunähen einer Wunde übertragen und dann den Operationssaal verlassen haben. Es gab zwar keine Komplikationen. Die Studentin machte ihre Sache gut, und die Wunde verheilte sauber. Doch darauf komme es nicht an, sagte Mohácsi. Es sei unbedingt erforderlich, dass ein Facharzt eine Operation bis zuletzt verantworte.

Krauth will sich auf Anraten seines Rechtsanwalts nicht zu dem Vorwurf äußern, er habe sich ein grobes Pflichtversäumnis zu Schulden kommen lassen. Auch Anwalt Baumann hält sich vorerst bedeckt. Er rechnet damit, dass das Gericht bereits im Januar oder Februar den Fall verhandeln wird.

Allein die Einreichung der Klage macht jedoch deutlich, dass er und Krauth die fristlose Entlassung als eine zumindest überzogene Reaktion der Klinikleitung erachten. In ähnlich gelagerten Fällen haben Arbeitsgerichte eine fristlose Kündigung als unwirksam beurteilt, da sie eine zu harte Maßnahme des Arbeitgebers darstellte.

Klinikum Erding: Im Klinikum Erding kehrt keine Ruhe ein: Schon in wenigen Wochen wird am Arbeitsgericht München über die Chefarzt-Kündigung verhandelt.

Im Klinikum Erding kehrt keine Ruhe ein: Schon in wenigen Wochen wird am Arbeitsgericht München über die Chefarzt-Kündigung verhandelt.

(Foto: Renate Schmidt)

Der Kölner Medizinrechtsexperte Professor Karsten Fehn vertritt die Ansicht, dass man das auch im Fall Krauth so sehen könnte. Zwar sei es "bedenklich", wenn eine PJ-Studentin eine Operationswunde zunähe, ohne dass ein Facharzt neben ihr stehe. Gleichwohl stelle sich im Medizinrecht unter anderem die Frage, wann eine Operation abgeschlossen sei. Nach Aussage von Klinikchef Mohácsi war die Operationswunde schon geklammert, als die PJ-Studentin sie zunähte. Krauths Anwalt könnte argumentieren, dass die Operation damit schon beendet war und die PJ-Studentin lediglich eine Nachversorgung vornahm, als sie die Wunde zunähte. Zudem, so Fehn, könnte das Gericht berücksichtigen, dass zu keinem Behandlungsfehler gekommen ist, da die Wunde gut verheilte. Da eine fristlose Entlassung die härteste arbeitsrechtliche Reaktion eines Arbeitgebers ist, könnte das Gericht zur Auffassung kommen, ein milderes arbeitsrechtliches Mittel wie eine Abmahnung hätte bereits genügt, so Fehn.

Verfahren am Arbeitsgericht enden nicht immer mit einem Urteil. Nicht selten schließen beide Seiten einen Vergleich, der so aussieht: Die fristlose Kündigung wird zurückgenommen, beide Seiten trennen sich einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag - und gegen Zahlung einer Abfindung an den zuvor gekündigten Arbeitnehmer.

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