Erding:Bargeld statt Gutscheine

Erding: Asylbewerber müssen in Erding nicht mehr im Verkaufsraum in Erding einkaufen

Asylbewerber müssen in Erding nicht mehr im Verkaufsraum in Erding einkaufen

(Foto: Bauersachs)

Das Landratsamt Erding folgt der Regierung von Oberbayern und stellt die Versorgung der Asylbewerber um. Jetzt können sie in normalen Geschäften einkaufen. Die Aktionsgruppe Asyl ist erleichtert.

Von Florian Tempel

Die Flüchtlinge im Landkreis werden vom 1. März an Bargeld ausbezahlt bekommen, um sich selbst ihr Essen kaufen zu können. Ein Erwachsener wird etwa 140 Euro für Lebensmittel im Monat erhalten. Das Landratsamt, das bislang hartnäckig am sogenannten Sachleistungsprinzip festgehalten hat, folgt der Regierung von Oberbayern, die auf Bargeldzahlungen für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften umstellt. "Das Landratsamt Erding akzeptiert die Entscheidung und wird entsprechend verfahren", heißt es in einer Pressemitteilung. Das Landratsamt hätte auch bei seiner bisherigen Praxis bleiben können. Sprecher der Regierung und Oberbayern und des bayerischen Sozialministeriums erklärten, jeder Landkreis entscheide selbst. Es gebe keine Anweisung oder auch nur die Empfehlung, auf Bargeldzahlungen umzusteigen.

Bei den Flüchtlingen im Landkreis Erding verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. In den vergangenen Wochen war der Unmut unter vielen Flüchtlingen enorm gewachsen, weil andere Landkreise schon längst dazu übergangen waren, Bargeld auszuzahlen und nicht erst jetzt der Regierung von Oberbayern folgen. Wegen der ungleichen Behandlung je nach Wohnort, "wollten mehrere Flüchtlinge bei uns die Shops boykottieren und in den Hungerstreik gehen", sagte Giorgio Zolyniak-Patuelli, einer der Sprecher der Aktionsgruppe Asyl. "Wir haben mehrere kritische Zeitpunkte gehabt." Letztlich sei es ihm und anderen jedoch gelungen, die Flüchtlinge zu beruhigen, da sich die Umstellung auf Bargeld bereits abzeichnete.

Eine Orange für 40 Cent

Die Erdinger Flüchtlinge mussten sich bislang in einem von zwei für sie eingerichteten Mini-Shops zu festgelegten Uhrzeiten montags und donnerstags mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln eindecken. In Grucking öffnete ein Shop in einem Container für die dort lebenden Flüchtlinge lediglich einmal in der Woche. Die Waren wurden bargeldlos nach einem Punktesystem abgerechnet. Betrieben wurde das Flüchtlingsshopsystem durch einen privaten Anbieter. Außer der Ungleichbehandlung mit anderen Flüchtlingen andernorts wurden auch beklagt, dass die Waren in den Shops zum Teil überteuert waren. Wenn man den Wert der Einkaufspunkte in Euro umrechnete, kostete beispielsweise eine einzelne Orange umgerechnet 40 Cent oder sechs Mal 1,5 Liter Mineralwasser etwa fünf Euro. Ganz allgemein kritisiert die Aktionsgruppe Asyl zudem, dass es unverständlich sei, warum Flüchtlinge beim Einkaufen von Lebensmitteln von der normalen Welt ferngehalten wurden. Nur die Flüchtlinge, die in Isen leben, erhielten bislang Gutscheine, mit denen sie in Supermärkten einkaufen können.

Das Landratsamt war stolz auf sein bisheriges System. In den "bewährten Shops" werde "in vorbildlicher Umsetzung des Sachleistungsprinzips den Asylbewerberinnen und Asylbewerbern auf diesem Weg Güter des täglichen Bedarfs zur Verfügung gestellt", heißt es in der aktuellen Pressemitteilung.

In anderen Landkreisen war die Situation längst anders. Im Landkreis Ebersberg bekommen Flüchtlinge seit zwei Jahren sowohl für Essen als auch Kleidung Geld ausbezahlt. Eine Regelung, die das Landratsamt Erding bislang für unmöglich hielt.

"Nicht interpretierbar"

Das Landratsamt vertrat bisher die Position, erst wenn die Rechtslage geändert würde, könne man Flüchtlingen Bargeld für Lebensmittel auszahlen. Der zuständige Abteilungsleiter betonte noch im November 2013 in einem Pressegespräch, es sei gesetzlich festgelegt, dass Flüchtlinge Sachleistungen erhalten müssten. Das sei "nicht interpretierbar". Er verwies dabei auf das deutsche Asylbewerberleistungsgesetz. In Paragraf 3 steht zwar, dass Flüchtlinge mit Sachleistungen versorgt werden. Doch schon im folgenden Absatz gibt das Bundesgesetz die Möglichkeit "Geldleistungen zu gewähren". Auch die bayerische Durchführungsverordnung zum Asylbewerberleistungsgesetz sieht die Möglichkeit von Bargeldzahlungen explizit vor.

Die Entscheidung der Regierung von Oberbayern, auf Geldzahlungen umzusteigen, basiert nicht auf einer Änderung der Rechtslage. Die Gesetze sind gleich geblieben. Geändert hat sich jedoch die politische Haltung der bayerischen Staatsregierung. Bereits im Juli 2013 hatte die damalige Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) die Auszahlung von Essensgeld an Flüchtlinge angekündigt. So steht es in einer im Juli 2013 veröffentlichten Pressemitteilung unter dem Titel "Bayerns Asylpolitik: menschlich und modern". In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagte Haderthauer damals, es habe keinen Sinn, dass Bayern weiterhin das "gallische Dorf" spiele.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: