Totschlagsprozess gegen Arzt:Verdächtiger hält sich in Südamerika auf

Totschlagsprozess gegen Arzt: Wann Michael B. wieder den Gerichtssaal in Landshut betreten wird, bleibt vorerst offen.

Wann Michael B. wieder den Gerichtssaal in Landshut betreten wird, bleibt vorerst offen.

(Foto: Renate Schmidt)

Anklage gegen früheren Erdinger Gynäkologen besteht seit Aufhebung des Freispruchs fort

Von Florian Tempel, Erding

Der frühere Erdinger Frauenarzt Michael B., der unter dem Verdacht steht, vor drei Jahren seine Ehefrau getötet zu haben, soll Deutschland in Richtung Südamerika verlassen haben - das berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung in ihrer Wochenendausgabe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Dezember den Freispruch für den 56-Jährigen aufgehoben und entschieden, dass der Fall am Landgericht Landshut noch einmal von vorne verhandelt werden muss.

Die Anklage gegen Michael B. besteht seit dem BGH-Urteil unverändert fort. Ihm wird zur Last gelegt, am 4. Dezember 2013 seine damals 60 Jahre alte Ehefrau in ihrem gemeinsamen Reihenhaus im Erdinger Stadtteil Pretzen brutal verprügelt und durch Ersticken und Erwürgen getötet zu haben. Im ersten Prozess wurde der Angeklagte am 19. Januar 2015 von diesem Vorwurf mangels Beweisen freigesprochen. Die Indizien reichten dem Gericht für eine Verurteilung nicht aus. Michael B. durfte nach 14 Monaten in Untersuchungshaft den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Er zog in die Nähe seiner Heimatstadt Osnabrück.

Revision gegen Freispruch

Die Staatsanwaltschaft Landshut und die Nebenkläger - die erwachsenen Kinder der Getöteten - gingen gegen den Freispruch in Revision. Der erste Strafsenat des BGH hob dann am 2. Dezember vergangenen Jahres das Urteil wegen eines Rechtsfehlers auf. Der BGH stellte fest, dass die Richter im ersten Prozess eine "erforderliche Gesamtwürdigung des Beweisstoffs vermissen" ließen. Die Karlsruher Richter machten jedoch explizit keine Aussage darüber, ob sie Michael B. für schuldig hielten. Im letzten Satz der Urteilsbegründung schreiben sie, es sei offen, "ob der weitere Verfahrensgang zu einer Verurteilung oder einem Freispruch führen wird".

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet nun, Michael B. habe Deutschland schon kurz vor dem BGH-Urteil verlassen. Seine angebliche Reiseroute wird recht konkret beschrieben. Er sei zunächst mit dem Zug nach Amsterdam gefahren und von dort nach Madrid geflogen, wo er am 30. November 2015 einen Flug nach Chile genommen habe. Den für den 12. Dezember gebuchten Rückflug habe er nicht angetreten. Weiter heißt es, er soll eine Menge Schulden hinterlassen haben, aber auch im Besitz eines großen Betrags Bargeld sein. Die Neue Osnabrücker Zeitung nennt als Quelle ihrer Informationen "Vertraute" des 56-Jährigen.

Keine Auskunft zum Aufenthaltsort

Einer der Verteidiger von Michael B., der Kölner Rechtsanwalt und Juraprofessor Karsten Fehn, sagte der SZ, er könne und dürfe zum Aufenthaltsort seines Mandanten keine Auskunft geben. Fehn wies darauf hin, dass sein Mandant seit dem Freispruch am 19. Januar 2015 und der gleichzeitig erfolgten Aufhebung des Haftbefehls frei sei, zu reisen, wohin er wolle.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Landshut, Hildegard Bäumler-Hösl, erklärte, die Staatsanwaltschaft habe bislang keinen neuen Haftbefehl beantragt. Man überlege zwar, dies zu tun, wolle aber den neuen Richtern erst einmal Gelegenheit geben, sich in den Fall einzuarbeiten. Womöglich werde sich ja das Gericht dazu entscheiden, "von Amtswegen" einen Haftbefehl zu erlassen.

Polizei hat sich Reisedaten beschafft

er Sprecher der Landgerichts Landshut, Rainer Wiedemann, räumte ein, dass dem Gericht der aktuelle Aufenthaltsort von Michael B. nicht bekannt sei. Auch Wiedemann sagte, dass sich die neuen Richter erst mit dem Fall vertraut machen müssten. Bis der zweite Prozess konkret terminiert werden könne, würden wohl noch mehrere Monaten vergehen.

Ohne einen Haftbefehl fehlt den Justizbehörden die Grundlage, um nach dem Angeklagten zu suchen. Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet allerdings, dass die Polizei kurz nach der Abreise von Michael B. in dessen Haus in der Nähe von Osnabrück gewesen sei. Außerdem soll sich die Polizei die Reisedaten bei der Fluggesellschaft beschafft haben, bei der er seinen Flug nach Südamerika gebucht habe.

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