Elektronische Musik:Zurück in die Zukunft

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Peter Pichler ist einer der ganz wenigen Trautonium-Spieler - weltweit. Und er ist der einzige, der auf dem Instrument klassische Musik spielt. (Foto: oh)

Das 1930 entwickelte Trautonium war ein Vorläufer moderner Synthesizer. Das Konzert von Peter Pichler in der Kreismusikschule ist eine der seltenen Gelegenheiten, seinen einzigartigen Klang live zu erleben

Von Mathias Weber, Erding

Ein Schock war das, als die Besucher am 20. Juni 1930 im Großen Saal der Staatlichen Musikhochschule Berlin einen völlig neuartigen Klang erlebten. Die drei Musiker Oskar Sala, Paul Hindemith und Rudolph Schmidt spielten "Sieben Triostücke für drei Trautonien". Das Trautonium wurde erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und war ein noch nie da gewesenes Instrument. Ende der 20er-Jahre entwickelt, war es das erste deutsche elektrische Musikinstrument, sozusagen ein Ur-Synthesizer. Die Töne: unbekannt, synthetisch, irgendwie falsch, aber doch warm und emotional. Die Technik: höchst kompliziert und fehleranfällig. Und: der Ton kam plötzlich nicht nur von vorne. Die Verstärker, die an das Trautonium angeschlossen waren, standen mal links vom Publikum, mal mitten drin.

Den modernen Menschen des 21. Jahrhunderts schockieren solcherlei Töne nicht mehr. Elektronische Musik ist etwas Alltägliches. Das Trautonium als historisches Musikinstrument ist aber etwa ganz Besonderes. Die Erdinger haben am kommenden Freitag, 28. April, die seltene Möglichkeit, während eines außergewöhnlichen Konzertes an der Kreismusikschule dieses Instrument live zu erleben. Der Musikschullehrer Peter Pichler wird ein Konzert geben, zusammen mit einem Orchester: "Eine Zeitreise zu den Ursprüngen der elektronischen Musik" soll es werden. Pichler ist einer der ganz wenigen Trautonium-Spieler - weltweit. Und er ist der einzige, der auf dem Instrument klassische Musik spielt. Er ist fasziniert von dem Mixturtrautonium, so heißt die von Pichler genutzte Weiterentwicklung des ursprünglichen Instrumentes, das für ihn "höchste Hochkultur" darstellt.

Der Münchner Musiker Peter Pichler, der seit sieben Jahren Gitarre und E-Gitarre an der Kreismusikschule lehrt, beschäftigt sich seit seinem Musikstudium mit dem Trautonium. Das Instrument ist nach dem Ingenieur Friedrich Trautwein benannt, einem Ingenieur, der zwischen den Weltkriegen Forschung am jungen Medium Radio betrieb. Sein Trautonium wurde als futuristisch wahrgenommen, als richtungsweisendes Gerät. Das Radio war gerade erst erfunden, das Fernsehen noch nicht. Die Entwickler hätten sich gesagt, jetzt brauchen wir ein elektronisches Instrument, das des Zeitgeist widerspiegelt, sagt Pichler heute. Die Firma Telefunken hat dann 200 Geräte für den Massenmarkt produziert, aber der große Durchbruch blieb aus. Mit der Machtergreifung der Nazis hatte sich das kulturelle Klima im Land geändert, außerdem waren die Geräte wenig handlich und vergleichsweise teuer. Ein Telefunken-Trautonium kostete 400 Mark, etwa halb so viel wie ein Neuwagen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das Instrument ein kleines Revival. In Edgar-Wallace-Filmen und von Alfred Hitchcock wurde das Trautonium eingesetzt und prägte einen typischen Sound der Zeit - der Klang der Hoffnungslosigkeit der Zerstörung und gleichzeitig der Euphorie eines neuen Anfangs und Aufbruchs. Die Original-Trautonien sind heute auf der ganzen Welt verteilt, viele stehen in Museen. Einige werden ab und an bei Musikproduktionen in Tonstudios eingesetzt.

Peter Pichler aber ist jemand, der das Instrument so spielt, wie es gedacht war. Über Jahrzehnte hinweg hat er es sich angeeignet und Stücke für elektronische Musik für das Trautonium bearbeitet. Den Trautonium-Spieler der ersten Stunde, Oskar Sala, hat er noch kennengelernt.

Für sein Konzert in der Kreismusikschule kommt Pichler mit dem Mixturtrautonium gewissermaßen nach Hause zurück. In Erding hat er - mit Unterstützung der KMS - eine CD aufgenommen. Beim Konzert wird er klassische, verschollene und nie veröffentlichte Originalwerke von Harald Genzmer spielen: Orchesterwerke und Sonaten mit Klavierbegleitung sowie Live-Filmvertonungen. Pichler wird während des Konzerts immer wieder erklären, was er wie spielt und wie das Instrument funktioniert. Angst vor dem Instrument und dessen Sound muss wirklich niemand haben, sagt er: "Das wird kein atonales Konzert, die ist Musik nichts, das weh tut und nervt. Wir spielen klassische Musik."

Außer - das verrät er schon einmal - das Publikum wünscht sich eine Zugabe. Dann zeigt Peter Pichler, was in das Trautonium noch alles kann - dann spielt er Techno-Musik.

Das Konzert von Peter Pichler mit Begleitung am Freitag, 28. April, in der Kreismusikschule beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Klangproben des Trautoniums gibt es auf der Homepage von Peter Pichler unter peterpichler-trautonium.com.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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