Ein Ortsbesuch:Es reicht

Ein Ortsbesuch: Bei der Tafel engagieren sich Ehrenamtliche trotz der Pandemie.

Bei der Tafel engagieren sich Ehrenamtliche trotz der Pandemie.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Gemeinde Hallbergmoos boomt. Trotzdem hat die Tafel seit Jahren Zulauf. Auch aus Neufahrn und Eching kommen immer mehr Menschen, die auf Lebensmittelspenden angewiesen sind

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Knapp 20 Menschen sind an diesem heißen August-Nachmittag im Schatten des alten Schulhauses in Goldach, es dauert noch eine Viertelstunde, dann öffnet die Tafel. Einmal die Woche verteilen hier Helfer die von Supermärkten, Bäckereien und Bauern gespendeten Lebensmittel, die nahe am Ablaufdatum sind. Für einen Euro kann jeder, der seine Bedürftigkeit nachweist, einkaufen, was in die mitgebrachten Taschen passt. Es ist auffallend still, die Blicke bleiben gesenkt. Die meisten sind im Seniorenalter, einige junge Frauen sind da, ein paar Kinder und nur wenige mit ersichtlichem Migrationshintergrund. Dass er Essensspenden brauchen könnte, sieht man fast keinem an.

"Die Scham ist groß, fast alle versuchen ihre Armut zu verbergen, auch vor den Nachbarn", sagt Tanja Voges, die vor elf Jahren die Tafel unter dem Dach der Hallbergmooser Nachbarschaftshilfe initiiert hat. Zehn Kunden hatte die Tafel zu Beginn, und zwölf ehrenamtliche Helfer, heute sind es 68. Die Zahl der Kunden ist auf 380 gestiegen, sie wird weiter steigen, davon ist Tanja Voges überzeugt - auch wenn die Tafel nur anerkannte Flüchtlinge, keine Asylbewerber annimmt.

An diesem Nachmittag ist noch wenig los, aber die zwei Kleinbusse aus Neufahrn und Eching sind schon da sind. Denn von Anfang an stand die Hallbergmooser Tafel auch den beiden Nachbarorten offen, die Resonanz dort wächst seit ein paar Jahren. Inzwischen gibt es regelmäßige Fahrdienste, geleistet von Ehrenamtlichen und gespendeten Kleinbussen. Heute sind Paul Kratz aus Eching gefahren und Gerti Höng aus Neufahrn, mit je sieben Leuten. "Es gibt aber auch Tage, da muss ich zweimal fahren", sagt Höng. Momentan decken sich rund 70 Menschen aus Eching und 90 aus Neufahrn an der Hallbergmooser Tafel ein.

Mittlerweile ist es 15 Uhr geworden, Helfer verteilen die Nummern. "Ich habe mich dagegen gewehrt, weil es Menschen sind, aber es kam immer wieder zu tumultartigen Szenen", sagt Tanja Voges fast entschuldigend. Die Helfer der Lebensmittelausgabe sorgen dafür, dass von begehrter Ware auch höhere Nummern etwas bekommen. Immer nur drei, vier Kunden dürfen in den kleinen Ausgaberaum, mehr nicht. So bleibt alles entspannt und Zeit für einen Ratsch. Das Angebot ist überwältigend, die Spendenbereitschaft hoch. Sieben beschriftete Kühlschränke brummen vor sich hin, darin stapeln sich Milch, Joghurt, Käse, Wurst, auch Bio-Ware. In der Gemüseecke haben die Helfer alles hübsch drapiert, gleich daneben stehen Kisten voll Semmeln, Zuckergebäck und Brot, in den Regalen dahinter stapeln sich Konserven. Schon Tage im Voraus sind die Tafel-Leute unterwegs, um die Spenden bei Gemüsebauern, Metzgern, Bäckern, Supermärkten und der Flughafentankstelle einzusammeln. Auffallend ist, wie freundlich und offenherzig die Helfer ihre Arbeit erledigen. Das, betont Tanja Voges, nehme man ernst. "Es gibt immer wieder mal unverschämte Leute, aber für uns ist es wichtig, die Kunden nicht als Mensch zweiter Klasse zu behandeln." Deshalb gibt es auch eine Kaffeeecke neben dem Ausgaberaum. Sie ist für Kunden mit höheren Nummern gedacht, auf den Tischen steht Gebäck, dazu kann sich jeder Kaffee oder Getränke nehmen, gratis. Zehn Minuten nach Öffnung der Tafel sind bereits alle Tische belegt. "Es gibt Leute die kommen vor allem wegen der Kaffeeecke, nicht nur weil Kaffee teuer ist, sondern weil sie den Austausch schätzen", erklärt Voges.

Sorgen bereitet dem Helferteam etwas anders: Die Auflagen der Lebensmittelsicherheit werden immer komplexer. Deshalb such man gerade händeringend nach neuen Räumen, um die frischen Lebensmittel besser lagern zu können. Kürzlich musste sich die Tafel außerdem einen Kühlwagen kaufen, die 40 000 Euro aus Spenden hat man schon fast zusammen.

Mehr Infos gibt es unter www.nbh-hallbergmoos.de/tafel.

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