Ein Amerikaner in Nandlstadt:Exoten auf einem Bauernhof in der Hallertau

Ein Amerikaner in Nandlstadt: Seine Freunde nennen ihn einen "Bavarican". Das trifft es gut, findet Spider Monkey. Seit fünf Jahren leben er auf einem Bauernhof in der Hallertau.

Seine Freunde nennen ihn einen "Bavarican". Das trifft es gut, findet Spider Monkey. Seit fünf Jahren leben er auf einem Bauernhof in der Hallertau.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Zufall brachte den Bassisten Spider Monkey mit seiner Band Simeon Soul Charger in den Landkreis Freising. Bleiben wollten die Musiker drei Monate, inzwischen sind daraus fünf Jahre geworden. Viele Nandlstädter sind immer noch etwas verwirrt über die Amerikaner im Ort

Von Clara Lipkowski, Nandlstadt

Ein Amerikaner in Nandlstadt, mit dem Namen Spider Monkey? Dem 26-jährigen Berufsmusiker ist bewusst, dass er ein ungewöhnliches Leben führt. Seit mehr als fünf Jahren lebt er mit seiner Psychedelic-Rockband "Simeon Soul Charger" auf einem Nandlstädter Bauernhof. Dort haben sich die vier Bandmitglieder in einer Art "Community" zusammengerauft. Sie proben gemeinsam, fahren mit dem Band-Van zu Konzerten oder laufen über ein paar Felder zum nächsten Supermarkt und zur Lieblingspizzeria im Ort. Im Garten haben sie Tomaten und Salat gepflanzt, und zum Gespräch mahlt Spider frischen Kaffee.

Den Spitznamen Spider Monkey bekam der Bassist schon als Teenager, als er mit Freunden einen Thriller sah, in dem der Charakter Spider Monkey einen Gangster spielte. Inzwischen ist der Musiker froh über sein Pseudonym, denn er will nicht, dass sein Name öffentlich bekannt wird, weil die Band immer populärer wird.

Spider ist in Ohio, genauer Akron, aufgewachsen. Er ging auf die Highschool und schlug sich nach dem Abschluss zwei Jahre lang mit Gelegenheitsjobs durch. Aber eigentlich war für ihn klar, seit er vierzehn Jahre alt war, dass er Musiker werden würde. "Seit mein Bruder Rick (Gitarrist bei Simeon Soul Charger) mir eines Tages einen Bass in die Hand gedrückt hat, habe ich nicht mehr aufgehört zu spielen." Seine Mutter unterstützte seine Leidenschaft und schrieb ihm hin und wieder Entschuldigungen für die Schule, damit er Gigs spielen konnte. Umso glücklicher ist er heute, dass er mit der Musik seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Die Band mit einem Gitarristen, Bassisten, Schlagzeuger und Sänger hatte sich 2008 zusammengetan, 2011 trat Spider an die Stelle des Bassisten.

Der Zufall wollte es, dass ein Konzertbesucher 2009 so angetan war von der Band, dass er sie einlud, in Deutschland Konzerte zu geben. Der Zuhörer war Bernhard Buchberger aus Langenbach und wurde der erste Manager der Band. 2011 ergab sich eine weitere Konzertreise, da war Spider bereits Bassist der Band. Bernhard Schauer, der neue Manager, machte den Bauernhof ausfindig und fand ihn geeignet. "Als wir hier ankamen, waren drei Monate Aufenthalt geplant." Da die Reise ein voller Erfolg war, stand die Band dann aber vor der Frage, ob sie ihre Karriere in der Heimat oder in Deutschland in Angriff nehmen sollte. Kurzerhand entschlossen sich die Musiker, in Deutschland zu bleiben. "Diese Zeit war verrückt", erzählt der Bassist, "eigentlich hatten wir schon viele Fans zu Hause, aber trotzdem haben wir den Schritt gemacht." Aus den geplanten drei Monaten wurden sechs, daraus ein Jahr. "Und jetzt sind es schon fünf Jahre."

Die vier Bandmitglieder richteten sich also ein, machten den Bauernhof winterfest, spielten zig Konzerte und probten an neuen Stücken. Für Spider bedeutete das Leben im ländlichen Bayern keinen großen Kulturschock. "Am Anfang lebten wir wie in einer Blase. Wir spielten etwa 100 Konzerte im Jahr und waren ständig unterwegs. Überall wo die Band war, wurde Englisch gesprochen, auf dem Hof, bei den Konzerten." Ein typisches bayerisches Landleben sieht anders aus. Hinzu kam, dass Spider bayerische Gewohnheiten schon durch seine Großmutter kannte. Sie war in Tegernsee geboren und aufgewachsen. "Obwohl sie lange in Amerika gelebt hat, ist sie eine echte Bayerin." Sie war der Liebe wegen mit ihrer Tochter nach Amerika gegangen und geblieben, aber "sie hat nie ihren deutschen Akzent verloren", sagt Spider. "Als Kind war es für mich normal, zu ihr zu gehen und Brezel und Leberkäse zu essen." Er nennt sie "Oma", realisiert aber erst viel später, dass dies nicht ihr Name, sondern der deutsche Begriff für "Grandma" ist. "An Essen und Sprache war ich also schon ein bisschen gewöhnt, als ich in Bayern ankam."

Im Ort allerdings sind die Musiker Exoten. "Als wir neu im Dorf waren, sind einfach irgendwelche Leute auf unseren Hof gekommen und haben, ohne etwas zu sagen, durch unsere Küchenfenster hereingeschaut." Und: "Im Ort haben uns Leute auf der Straße angestarrt." Seine langen, blonden Dreadlocks seien zwar ziemlich ungewöhnlich, sagt der Musiker, aber so etwas habe er in Amerika nie erlebt. "Sogar fünf Jahre später sind die Einwohner noch verwirrt über uns Amerikaner im Dorf." Außerdem habe ihn die Direktheit der Deutschen überrascht. "Dass die Menschen sehr direkt sagen, was sie denken, hat mich anfangs geschockt. Inzwischen aber finde ich genau das gut, diese Ehrlichkeit gefällt mir." Durch diese Erfahrung blicke er anders auf seine Heimat. "Dort sind viele Menschen amerikanisch-freundlich. Sie sagen etwas Nettes zu dir und sprechen später schlecht über dich."

Der Kontakt zu seiner Familie ist ihm auch in der Ferne wichtig. Besonders zu seiner Mutter hat er ein gutes Verhältnis, aber sie machte keinen Druck. "Hätte meine Mutter mich jeden Tag angerufen und gefragt, wann ich nach Hause komme, wäre mir das Ankommen viel schwerer gefallen." Möglichst bald möchte er sie für einen Besuch in ihre alte Heimat holen.

In Freising fühle er sich manchmal wie im "Zentrum Europas", sagt der Bassist, da die Band innerhalb weniger Stunden in einem anderen Land sein könne. Für die Zukunft plane er nicht konkret. Vor Kurzem hat er seine deutsche Freundin geheiratet. Sie wohnt mit ihm im "Bandhaus". "Deswegen wünsche ich mir, dass ich hier und in Amerika ein Zuhause haben kann." Mit der Band werde es erst einmal so weiter gehen, sagt er, solange die Musiker so gefragt seien, werden sie möglichst viele gute Konzerte spielen. Vorerst tritt die Band allerdings erstmals als Trio auf, Sänger Aaron hat sich eine Auszeit genommen. Dennoch habe die Gruppe ein abwechslungsreiches Programm aus neuen und neu interpretierten Stücken vorbereitet, kündigt der Musiker an. Auf die Frage, ob er sich als Freisinger fühle, antwortet er. "Das zwar nicht", aber durch seine Zeit in Deutschland habe er viel über die Wurzeln seiner Familie gelernt. Seine Freunde nennen ihn mittlerweile einen "Bavarican" und er ist gar nicht unglücklich darüber.

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