Ehrung im Landratsamt:13 Jahre liebevoll um den Vater gekümmert

Ehrung im Landratsamt: Landrat Martin Bayerstorfer, rechts, überreicht Ludwig, 2. von rechts, und Bernhard Stürzl, links, die Verdienstmedaille der Bundesrepublik.

Landrat Martin Bayerstorfer, rechts, überreicht Ludwig, 2. von rechts, und Bernhard Stürzl, links, die Verdienstmedaille der Bundesrepublik.

(Foto: Renate Schmidt)

Bernhard und Ludwig Stürzl aus Wartenberg erhalten die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik

Von Sebastian Fischer, Erding

Die Menschen in Wartenberg wussten Bescheid, 13 Jahre lang, jeden Tag. Wenn der rote Golf durch die Ortschaft fuhr oder der blaue Audi, auf dem Beifahrersitz ein breit grinsender älterer Herr. "Das sind wieder die Stürzlbuam", haben die Wartenberger dann gerufen, so erzählte es Bürgermeister Manfred Ranft am Dienstag im Erdinger Landratsamt, als er Bernhard und Ludwig Stürzl gegenüberstand. Der Beifahrer war ihr Vater Ludwig, "er war ein begeisterter Autofahrer", erzählte Ludwig, der Sohn. Doch der Vater konnte nicht mehr selbst fahren, seit ihm 1999 nach einer Narkose ein Bein und wegen eines schmerzvollen Bypass 2001 das andere amputiert wurde, er war fortan auf Hilfe angewiesen. Die Söhne haben ihren Vater dann gepflegt, allein, ohne die Unterstützung eines Pflegedienstes, 13 Jahre lang, bis zu seinem Tod im Jahr 2012. Dafür überreichte ihnen Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik.

Die Altenpflege ist eines der drängendsten politischen Probleme in Deutschland, die Gesellschaft wird älter, geschätzt 2,8 Millionen Menschen sind pflegebedürftig und es werden immer mehr. Doch es fehlen Fachkräfte, Pflegern fehlt es an angemessener Wertschätzung und Bezahlung, der Beruf muss aufgewertet werden, darin herrscht in Berlin achselzuckende Einigkeit. Nun zeigen Menschen wie die Wartenberger Ludwig, 58, und Bernhard Stürzl, 51, beispielhaft, dass es Lösungen aus der Mitte der Gesellschaft geben kann, so waren die Worte von Landrat Bayerstorfer zu verstehen: "Das Beispiel zeigt, dass es Menschen gibt, die das Problem selbst in die Hand nehmen." Doch in seiner Seltenheit ist das Beispiel ja wiederum auch eines für die Gegenseite, gestand der Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz (CSU) ein, der ebenfalls bei der Ehrung im Landratsamt vorbeischaute: "Natürlich verdient die Pflege mehr Wertschätzung."

Die Stürzl-Brüder, beide alleinstehend, konnten ihren Vater nur pflegen, weil ihnen ihr Arbeitgeber, das Maschinenbauunternehmen Jungheinrich in Moosburg, entgegenkam. Ludwig ist gelernter Maschinenschlosser und seit 2002 freigestellter Betriebsrat, sein Bruder Bernhard arbeitet als Montageschlosser. Sie teilten sich die Pflege auf, sodass täglich einer der beiden im Elternhaus sein konnte, in dem die Brüder 15 Autominuten vom Betrieb entfernt noch immer wohnen. Ihre Cousine schlug die Brüder für die Verdienstmedaille vor.

Kurze Zeit nachdem der Vater 1998 wegen Durchblutungsstörungen in ärztliche Behandlung kam, verstarb seine Frau Johanna plötzlich, die Söhne waren allein für die Pflege verantwortlich. Natürlich gab es immer mal wieder die Überlegung, professionelle Hilfe zu holen. Doch Ludwig Stürzl sagt: "Wenn jemand zwei Stunden täglich kommt, dann bringt das nichts." Es sei für ihn selbstverständlich gewesen, den Vater nicht allein zu lassen. "Er verdient das nicht. Und dann zweifelt man manchmal, aber man sagt: Es geht doch noch."

Also haben sie ihren Vater täglich im Rollstuhl an die frische Luft geschoben, 40 Mal sind sie in 13 Jahren nach Krumau in Tschechien gereist, seinen Geburtsort. Sie haben ihn mit zum Fußball genommen oder zum Ortsverein der SPD, "das hat ihn aufgebaut, ihm Kraft gegeben", sagt Ludwig Stürzl. Er und sein Bruder mussten auf viel verzichten, er seufzt, ja, "man zieht sich zurück." Doch der Verzicht war eine bewusste Entscheidung, eine seltene, lobte Bayerstorfer: "Diesen Gedanken haben nicht mehr viele."

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