EHC Klostersee:Mit Narben in neuen Farben

Bob Wren war Eishockey-Profi in den USA, nun trägt der Kanadier ein Fünft-Liga-Trikot. Im Finale trifft der 43-Jährige am Freitag auf einen alten Bekannten. Seinen größten Kampf hat er aber schon gewonnen

Von Korbinian Eisenberger

Drei Erinnerungen sind ihm geblieben, unter dem Schlüsselbein, am Bauch und an der Taille. Beim Umziehen in der Kabine kann man die Narben sehen, dunkle Flecken, mehrere Zentimeter lang. "Das war die Chemo", sagt der Mann ohne Shirt. Von da an dachte er nur noch an den Tod, "meine Welt war zerstört". Er legt den Brustpanzer an, streift das Trikot darüber. Die Mundwinkel gehen nach oben. Gleich ist Training.

Der Kanadier Bob Wren war einmal ein Star. Er galt als einer der besten Stürmer in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), in Österreich hat er mit Wien 2005 die Meisterschaft gewonnen, und er spielte in der besten Eishockeyliga der Welt, der US-Profiliga NHL. An diesem Freitag wird Wren nun in einem Fünftliga-Spiel in Oberbayern auflaufen. Statt vor 10 000 Fans wird er im zugigen Grafinger Eisstadion vor nur 500 Gästen spielen. Und trotzdem sagt Wren: "Ich will auf keinen Fall verlieren."

Dienstagabend in Grafing, Bob Wren zieht sich mit seinen Kollegen um, überall Schoner, Helme und Schlittschuhe. Wren hat ein Käppi auf, mit 43 ist sein Bart stellenweise grau geworden, doch er hat immer noch das Leuchten in den Augen. "Wir müssen es konzentriert angehen", sagt er ohne eine Miene zu verziehen. Wenn am Freitag um 20 Uhr die erste Partie der Finalserie gegen Endspielgegner Bad Kissingen läuft, geht es um den bayerischen Landesmeister-Titel. Für Grafings kanadischen Stürmer geht es aber noch um etwas mehr.

Der Gegner hat einen alten Freund in seinen Reihen, mit dem Bob Wren schon vor 30 Jahren zusammen gespielt hat: Mikhail Nemirovsky. Mit ihm stand Wren einst für eine der besten kanadischen Nachwuchsmannschaften auf dem Eis, Ende der 80er Jahre spielten beide für ein Auswahlteam aus Toronto. "Wir waren praktisch unschlagbar", sagt Wren. Jetzt wird einer von beiden den Kürzeren ziehen, so viel ist sicher. Klar ist auch: Beide Teams haben den Aufstieg in die Bayernliga schon sicher. Im Kampf um die Meisterschaft geht es jetzt vor allem ums Prestige. Und um das Duell zwischen dem Kanadier Wren und dem Russen Nemirovsky. Zwei, die große Klubs durchlaufen haben und jetzt in Grafing seit langem wieder gemeinsam auf dem Eis stehen. Nur dass sie nun Gegner sind.

Bob Bobby Wren vom EHC Klostersee Grafing Eishockey Kabine

Grafinger Kabinen-Kumpel: Bob Wren (links) hat viele Kämpfe ausgefochten - im Eishockeytrikot und im Krankenbett. Beim EHC Klostersee geht es für den 43-Jährigen nun vor allem um die Freude an seinem Sport - und um den Lerneffekt für seine Teamkollegen vom EHC Klostersee.

(Foto: Korbinian Eisenberger/OH)

In der Kabine riecht es nach alten Socken, Bob Wren hat trotzdem ein Lächeln aufgesetzt. Sein alter Spezl Mike? "Ich habe ihm gesagt, er muss auf dem Eis aufpassen, weil ich ihm sonst eins auswische", sagt er, der Schelm - eine kleine nicht ganz wörtlich zu nehmende Kampfansage. Und Nemirovsky? Der Stürmer bekommt am Tag darauf am Telefon die Konterchance, doch er gibt sich reichlich defensiv. Vorab eine auswischen will er Wren keine, "er ist mein Freund, ein Super-Typ, wir kennen uns seit ich neun bin", sagt er. Für ihn sei Grafing im Endspiel Favorit. Aber, sagt er: "Im Eishockey kann alles passieren."

Natürlich ist der EHC Klostersee in der Finalserie haushoher Favorit. Nicht nur weil die Grafinger mit Wren den versierteren der beiden ehemaligen Starangreifer in ihren Reihen haben. Auch weil der EHC im Gegensatz zu Bad Kissingen eine nahezu perfekte Saison gespielt hat. Von 34 Spielen hat Grafing 33 glatt gewonnen, nur in Pegnitz setzte es eine Pleite. Bad Kissingen hat dagegen neunmal verloren und hätte das Finale in der Nord-Gruppe beinahe verpasst. Um Meister zu werden, müssten die Unterfranken in ihrem Heimspiel gegen den EHC am Sonntag siegen und zudem ein Auswärtsspiel in Grafing gewinnen - ein Kunststück, das seit zwei Jahren keiner Mannschaft mehr gelungen ist.

Wren ist jetzt in voller Montur, nichts mehr zu sehen von den Narben. Als die Darmkrebs-Diagnose im Oktober 2014 öffentlich wurde, bastelten die Anhänger der Vienna Capitals ein Plakat mit Genesungswünschen. In Iserlohn, wo Wren zwei Jahre spielte und seine Frau kennenlernte, hielten sie Schilder mit seiner Nummer neun hoch. Wren lag da schon im Krankenhaus, an Eishockey war da längst nicht mehr zu denken. Das Lachen ist jetzt aus Wrens Gesicht verschwunden. Der Kampf gegen den Krebs war hart, sagt er, doch er hat ihn gewonnen. Dafür hat er um die 30 Kilo verloren, und es dauerte, ehe die Muskeln zurück kamen "Der Anfang war schwer, ich hatte Ewigkeiten nicht gespielt", sagt er. "Dass er wieder auf dem Eis steht, war harte Arbeit", sagt EHC-Vorstand Sascha Kaefer. Er hofft, dass Wren auch nächste Saison für den EHC spielt. Wren sagt: "Es ist 99 Prozent sicher, dass ich bleibe."

EHC Klostersee - Bobby Wren

In Aktion.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kurz vor acht, Wren greift sich den Schläger, klatscht mit seinen Kameraden ab. "Let's go." Die meisten reden Englisch mit ihm, Wren beherrscht zwar eine Litanei an bayerischen Schimpfworten, ansonsten ist er im Deutschen jedoch nicht so textsicher. Dafür ist er besonders wertvoll fürs Team, als Spieler und als Typ, das betonen Vorstand Kaefer und Chefcoach Dominik Quinlan. "Er spricht viel mit uns jungen Spielern", sagt Angreifer Vitus Gleixner, 18, Wrens Banknachbar in der Kabine. "Wir alle profitieren von seiner Erfahrung." Weil man eben viel erlebt hat, wenn man im lila Trikot der Mighty Ducks of Anaheim in der NHL aufgelaufen ist. Jetzt geht es im roten Klostersee-Dress um die Fünftliga-Meisterschaft. In neuen Farben gegen ein Team aus Franken, das für ihn wie ein Kuss klingen muss. Er sagt: "Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen"

In der Final-Serie um den bayerischen Landesliga-Meistertitel empfängt der EHC Klostersee am Freitag, 20 Uhr, Bad Kissingen. Spiel zwei steigt am Sonntag, 18 Uhr, in Oberfranken. Sollte es nach Siegen 1:1 stehen, kommt es am Freitag, 23. März, 20 Uhr, zum Showdown im Grafinger Eisstadion.

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