Eching:Nicht die Katze suchen

Paul Raphael Reindl

Im Dachgeschoss seines Hauses hat der Echinger Künstler Paul-Raphael Reindl sein Atelier, dort oben ist auch sein Rückzugsort.

(Foto: privat)

Künstler Paul-Raphael Reindl erschafft abstrakte Bilder, die jedem eine eigene Betrachtung eröffnen sollen. In der Gemeinde arbeitet er gerade an einer Skulptur, die einen ganz konkreten Nutzen haben wird

Von Clara Lipkowski, Eching

Steigt man die Holztreppe im Haus von Paul-Raphael Reindl bis unters Dach hinauf, steht man plötzlich zwischen Staffeleien, an die Wand gelehnten Bildern, Pinseln, die vor sich hin trocknen, Schwämmen, Farbtöpfchen und Holzschienen, die einmal Bilderrahmen werden. Durch die Schrägfenster scheint die Nachmittagssonne in das Atelier des Echinger Künstlers. Hier erschafft er Bilder; aus dem Fenster heraus macht er Fotografien, wenn das Wetter mal wieder verrücktspielt. Wenn er seine Ruhe will, nutzt er den Ort zum Rückzug.

Der 55-Jährige ist Maler, Bildhauer und Hobbyfotograf und lebt seit dem vierten Lebensjahr in Eching. Nach einer Feinmechaniker-Lehre und mehreren Stationen im Kundendienst technischer Firmen, hat ein Unfall eine Wendung in seinem Leben gebracht. "Ich hatte einen stressigen Job, wenig Zeit für die Familie. Als der Unfall kam, haben wir gemeinsam in der Familie überlegt, wie es weiter geht." Er entschied sich für die Kunst. Seit 1997 widmet er sich hauptsächlich dem Malen.

Kunst hatte ihn schon als Kind fasziniert. Seine Bilder hat er bei vielen Ausstellung in Deutschland gezeigt. "Viele können mit abstrakter Kunst nichts anfangen", sagt Reindl. "Für mich bedeutet sie, dem Betrachter nicht vorzugeben, was er sehen soll, sondern etwas Eigenes im Kunstwerk zu finden." Deswegen nennt er seine Kunst auch lieber "gegenstandslos". Klare Konturen sind auf seinen Bildern nur vereinzelt zu sehen, meist lassen sich Umrisse oder eine Silhouette erahnen. "Mir geht es nicht darum, mit Bildern etwas fotografisch festzuhalten. Es geht um Stimmung und Atmosphäre. Das will ich transportieren."

Am liebsten malt der 55-Jährige nachts. "Dann sprudelt es richtig aus meinen Fingern", sagt er. Tagsüber mache er, was im Alltag eben anfalle, den Haushalt und dergleichen. Aber nachts werde er kreativ. Dann schaltet er die besonders hellen LED-Leuchten über der Staffelei ein und hört Musik, Rockmusik der 70er, 80er und 90er Jahre oder auch mal Klassik.

Für die Bilder nimmt er nicht nur Acrylfarbe, die er in bis zu 20 Schichten aufträgt, sondern auch Spachtelmasse aus allen möglichen Materialien. Aus einem Türkeiurlaub habe er einmal unter den misstrauischen Augen mehrerer Zollbeamter mit Maschinenpistolen eine Halbliterflasche mit Schiefergestein exportiert. "Da habe ich schon öfter fast einen Herzkasper gekriegt", sagt seine Ehefrau Sabine Reindl, die sich dazu gesellt, an den Esstisch neben den Kamin. Damit am Flughafen auszureisen, könne die Sicherheitskontrolle nämlich erheblich verlängern. Aber das sei sie nun schon gewohnt: "Er braucht das halt für seine Kunst." Bis ein Bild fertig ist, können Wochen oder Monate vergehen. "Ich arbeite immer an mehreren Bildern parallel", sagt der gebürtige Münchner.

Hat er ein Werk fertig gemalt, hängt er es im Haus auf und betrachtet es über mehrere Wochen. "Das ist ein Prozess. Wenn ich das Bild dann an der Wand sehe, überlege ich mir, was ich ändern möchte." Derzeit hängt ein großformatiges Bild an der Wand des offenen Wohnzimmers. Es zeigt blaue, gelbe und weiße wolkenartige Vermischungen. Ein Blick in den sommerlichen Himmel könnte es sein, aber der Titel "Erhebend", verrät nichts Konkretes: "Ich wähle immer übergeordnete Titel für meine Bilder", sagt Reindl, "damit jeder in das Bild einsteigt und einen eigenen Weg findet. Würde ich ein Bild "Katzenbild" nennen, würde der Betrachter immer nur die Katze im Bild suchen. Das möchte ich vermeiden."

Kreativ zu sein unter Druck, macht dem Künstler nichts aus: "Wenn ich weiß, das muss für eine Ausstellung fertig werden, schaffe ich das auch - immer mit dem Projekt vor Augen." Derzeit malt er für eine Ausstellung in Ludwigshafen. Dort will er 20 Bilder zeigen. Außerdem arbeitet er an einem Kunstwerk, das bald in Eching zu sehen sein wird. Auf dem kleinen Platz an der Einmündung der Heide- in die Echinger Straße wird ein Werbeobjekt für einen Optiker stehen. "Es ist künstlerisch gestaltet und hat gleichzeitig einen Nutzen", sagt Reindl. Ab Ende September können die Echinger das Kunstwerk nicht nur betrachten, sondern auch als Radständer nutzen. Denn seit vielen Jahren hat sich Reindl auch der Kunst am Bau verschrieben und will damit seine Umgebung aufwerten. Er findet: "Die Kunst soll hinpassen, wo sie hinsoll."

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