Ebersberg:Bei Vollgas Stillstand

Auto ausgebremst. Fahrer beruft sich auf technischen Defekt

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Hört man das Wort "Abgas-Sensor", glaubt man schon zu wissen, dass nun gleich eine wilde Geschichte folgt. So nun auch am Ebersberger Amtsgericht, wo es allerdings nicht um Betrügereien mittels Sensoren ging, sondern um einen angeblich von diesen ausgelösten Unfall. Zumindest behauptete dies der Angeklagte, der sich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verantworten musste.

Dieser hat sich nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im März 2016 folgendermaßen zugetragen. Auf einer Einfahrt auf die B 304 bei Zorneding wollte der Angeklagte nicht auf eine Verkehrslücke warten, sondern drängte sich auf die Bundesstraße. Direkt vor das Auto eines Ehepaars aus Norddeutschland. Der Fahrer konnte zwar noch rechtzeitig bremsen, tat dies aber nicht, ohne dem Drängler mittels Hupe klarzumachen, was er von seinem Fahrstil hält. Daraufhin habe der Vorausfahrende abrupt abgebremst - laut Staatsanwaltschaft, um wiederum seine Verärgerung über das Hupen kundzutun und den Hintermann zu maßregeln.

Auch diesmal konnte der zwar noch rechtzeitig abbremsen, nicht so eine junge Frau, die im Wagen dahinter fuhr. Sie rammte das Auto des Ehepaares, alle drei zogen sich dabei leichte Verletzungen durch ein Schleudertrauma zu, außerdem entstand an den beiden Fahrzeugen ein Schaden von 6000 beziehungsweise 5000 Euro. Außer einem Eingriff in den Straßenverkehr legte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten darum auch Nötigung und fahrlässige Körperverletzung zur Last.

"Das ist so nicht richtig", sagte der 46-Jährige aus dem Landkreis München vor Gericht aus. Gegen einen entsprechenden Strafbefehl in Höhe von 3600 Euro plus drei Monate Fahrverbot hatte er darum auch Einspruch eingelegt. Denn richtig sei zwar, dass er vielleicht "zu knapp" auf die Bundesstraße aufgefahren war, er habe wohl die Verkehrslage falsch eingeschätzt, so der Angeklagte. Was er aber erst bemerkt habe, als der nachfolgende Wagen "fast bei mir im Kofferraum war". Daraufhin habe er versucht, seinen Wagen zu beschleunigen, doch nach dem Tritt aufs Gaspedal "gab es einen dumpfen Schlag im Motor, und dann ging gar nichts mehr".

Ob er nicht vielleicht doch gedacht habe, im Recht zu sein, fragte Richterin Vera Hörauf: "Es gibt Leute, die sind der Meinung, man müsste sie reinlassen", gerade an der B 304 komme das schon öfter vor. "Ich werde doch niemanden maßregeln, weil der mich nicht reinlassen will", versicherte dagegen der Angeklagte.

Er bestand darauf, ein technischer Defekt sei die Erklärung dafür, warum er plötzlich stehen geblieben war. Er sei auch mit dem Auto in der Werkstatt gewesen, dort habe man einen defekten Abgassensor gefunden und ausgetauscht. Auf Nachfrage hätten ihm die Werkstattmitarbeiter erklärt, dass eine solche Fehlfunktion im Sensor durchaus ein Absterben des Motors bei starkem Beschleunigen verursachen könnte.

Wenig zur Aufklärung beitragen konnten die Zeugen. Sie bestätigten zwar, dass das Auto des Angeklagten plötzlich stehen geblieben sei. Nicht sicher waren sie sich jedoch, ob vorher die Bremslichter aufgeleuchtet hätten oder ob und wann der Angeklagte die Warnblinker eingeschaltet hatte. Eine Zeugin erinnerte sich noch daran, dass der Angeklagte schon am Unfallort, als alle drei ausgestiegen waren, erklärt habe, der Vorfall tue ihm leid, sein Auto müsse defekt sein. Beide Zeugen schilderten den damaligen Zustand des Angeklagten als nicht aggressiv - man habe sich normal unterhalten und auf die Polizei gewartet.

Richterin Hörauf regte daraufhin eine Einstellung des Verfahrens an. Andernfalls müsse man per Sachverständigengutachten klären, ob ein kaputter Sensor das Auto des Angeklagten hätte abwürgen können und dieses dann sofort zum Stillstand kommt, oder nicht noch ein paar Meter rollt. Auch ob der Sensor wirklich zum Unfallzeitpunkt defekt war, müsste man klären - was aber wohl nicht mehr möglich ist, laut Werkstatt wurde das Fehlerprotokoll im Speicher des Autos gelöscht.

Auch die Staatsanwaltschaft stimmte der Einstellung zu. Wenn der Angeklagte im nächsten halben Jahr 1800 Euro an eine Kinderhilfsorganisation spendet, ist das Verfahren erledigt.

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