E-Sport:Wie ein Erdinger zum Profi-Zocker geworden ist

E-Sport: Die größte Anlaufstelle für E-Sportler in Bayern findet sich in Baldham im Landkreis Ebersberg: Der E-Sport Club München.

Die größte Anlaufstelle für E-Sportler in Bayern findet sich in Baldham im Landkreis Ebersberg: Der E-Sport Club München.

(Foto: E-Sport Club München)

Marvin Heusinger alias "MaynardTcoX" ist Profi im E-Sport, dem Wettkampf zwischen Menschen bei Computerspielen.

Von Wolfgang Rescher, Erding/Valencia

Eine Million Dollar Preisgeld, die Mercedes-Benz Arena Berlin ausverkauft, 14 Millionen Zuschauer weltweit. So stellte sich das Finale der Weltmeisterschaft in "League of Legends" im Oktober 2015 dar. "League of Legends" ist ein Computerspiel. Der sogenannte E-Sport - für elektronischer Sport - ist eine rasant wachsende, sich ständig wandelnde Szene. Betrug das Gesamtpreisgeld 2011 beim Start der League of Legends Weltmeisterschaft 100 000 Dollar, lag es 2015 schon bei mehr als 2,1 Millionen Dollar. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch bei anderen Spielen. Ein bekanntes Gesicht im E-Sport kommt aus Erding. Marvin Heusinger, 22, ist zweifacher deutscher Meister im Spiel Hearthstone. Sein Künstlername lautet "MaynardTcoX". Heusinger nimmt dieses Wochenende am Dreamhack-Turnier im spanischen Valencia teil. Es gibt dort insgesamt 27 500 Dollar zu gewinnen.

Mit sechs Jahren fing er an

Hearthstone ist ein Sammelkartenspiel. Die Spieler versuchen, durch das kluge Ausspielen seiner Karten den Gegner zu besiegen. Der Unterschied zu einem normalen Kartenspiel besteht darin, dass man sich seine Karten für eine Partie selbst zusammenstellt und aus einer Auswahl von mehr als 600 Karten ein sogenanntes Deck aus 40 Karten zusammenstellt. Maynard, wie Marvin Heusinger in der Szene genannt wird, wurde in Erding geboren und wuchs mit einer kurzen Unterbrechung in Erding auf. Er machte in diesem Jahr seinen Bachelor in Medien und Kommunikation an der Uni Passau. Mit dem Computerspielen fing er jedoch schon mit sechs Jahren an. "Allerdings wusste ich lange Zeit gar nicht, dass es so etwas wie E-Sport überhaupt gibt. Erst 2012, als ich ein Video von Mori und M4xFPS über Starcraft 2 gesehen habe, kam ich mit der Szene in Kontakt", sagt er. "Ich habe sofort beschlossen, dass ich ein Profispieler werden will."

E-Sport: Der 22-jährige Marvin Heusinger fing schon mit sechs Jahren mit Computerspielen an.

Der 22-jährige Marvin Heusinger fing schon mit sechs Jahren mit Computerspielen an.

(Foto: Peter Bauersachs)

Auf dieses Ziel hat er intensiv hingearbeitet. Nach einer kurzen Phase mit dem Echtzeit-Strategiespiel Starcraft 2 erfuhr er von Hearthstone. Das Spiel war 2013 noch in der Entwicklung, hatte aber sofort sein Interesse geweckt. "Ich mag Kartenspiele." Der Erfolg gibt ihm recht: 2015 gewann er zweimal hintereinander die ESL Pro Series, die als die Königsklasse des deutschen E-Sports gilt. Seine erste Anstellung als Profi bekam er dann im März 2015 bei UX-Gaming. Heute ist er bei einer der größten E-Sport-Organisationen in Deutschland, bei Penta Sports.

Ein Profi-Zocker hat verschiedene Geldquellen

Wie verdient ein Profi-Zocker sein Geld? "Zuerst einmal bekomme ich ein Festgehalt von meinem Clan." Als Clans werden in der Regel die E-Sport-Organisationen bezeichnet. Eine weitere Quelle sind Preisgelder der Turniere, einen Teil gibt Heusinger allerdings auch ab. Wie viel das ist, darf er nicht sagen. Außerdem richtet Heusinger in seinem Namen kleine Turniere aus, die von Sponsoren in Auftrag gegeben werden. So kommen auch Turniere unter dem Dach einer Zahnzusatzversicherung zustande. Viele Profispieler haben auch Einkünfte aus Youtube-Werbeeinnahmen oder Spenden von Fans über Streamingportale.

E-Sport: Die größte Anlaufstelle für E-Sportler in Bayern findet sich in Baldham. Der E-Sport Club München hatte ursprünglich die Idee für ein Internetcafé.

Die größte Anlaufstelle für E-Sportler in Bayern findet sich in Baldham. Der E-Sport Club München hatte ursprünglich die Idee für ein Internetcafé.

(Foto: privat)

Heusinger hat weitere Pläne. "Ich möchte noch bekannter werden." In fernerer Zukunft schwebt ihm eine Karriere als Entertainer und Caster vor. Caster sind die Kommentatoren im E-Sport. "Ich mache das heute schon oft für Freunde oder auf kleineren Turnieren, und es macht mir sehr viel Spaß", sagt er. Außerdem sei er dann nicht mehr von Turniererfolgen abhängig.

Baldham - die wichtigste Anlaufstelle in Bayern

Die größte Anlaufstelle für E-Sportler in Bayern findet sich in Baldham im Landkreis Ebersberg. Der E-Sport Club München hat als Idee für ein Internetcafé begonnen. Da dieses Geschäftsmodell heutzutage nicht mehr zeitgemäß ist, kam man auf den Gedanken in den E-Sport einzusteigen. Fast eine Million Euro seines Privatvermögens hat der Präsident Herbert Scheuerer in das Start-Up investiert.

Das "Fitnessstudio für Gamer", wie sich das Unternehmen selbst bezeichnet, möchte den E-Sport in Bayern und Deutschland fördern. Neben der offiziellen Anerkennung als Sport, arbeitet der Club auch daran, den Fokus des deutschen E-Sports von Berlin nach München zu holen.

E-Sport

Als E-Sport bezeichnet man die wettbewerbsmäßige Beschäftigung mit Computerspielen. Die ersten Computerspielwettbewerbe fanden in den 1970er Jahren statt. 1983 entstand das erste professionelle E-Sport-Team. In den 1990ern gründeten sich die ersten Verbände, welche in der Regel international agieren. Die erste Computerspielweltmeisterschaft, die World Cyber Games, fand im Jahr 2000 in Seoul, Südkorea statt. Das E-Sport-Turnier mit dem höchsten Gesamtpreisgeld ist derzeit "The International" die Weltmeisterschaft in Dota 2, bei dem es 2015 mehr als 18 Millionen Dollar zu gewinnen gab. Da es kaum unabhängige Verbände und Ligen gibt, wird der E-Sport sehr stark von Spielherstellern und kommerziellen Turnierveranstaltern dominiert.

Der Begriff des Fitnessstudios ist gar nicht so unpassend: Für einen Monatsbeitrag von etwa 40 Euro kann man an seinen spielerischen Fähigkeiten feilen. Dafür stehen Spielekonsolen und High-End-Rechner mit professioneller Ausstattung, wie sie auch im E-Sport genutzt wird, zur Verfügung. Für Teams bietet der E-Sport-Club auch sogenannte Bootcamps an. Das sind Intensivkurse auf höchstem Niveau. Für die Übertragung von E-Sport-Events gibt es einen eigenen Bereich. Dort kann man sich ähnlich wie beim Public Viewing treffen und gemeinsam mitfiebern.

Die größte stehende Location weltweit

Gegründet im Mai 2015, hat es das komplett ehrenamtliche Team um Geschäftsführer Robert Fankhänel innerhalb eines Jahres in die schwarzen Zahlen geschafft. Im Moment sei der E-Sport-Club die größte stehende Location für E-Sport weltweit. Es sind noch 20 weitere Standorte in ganz Europa geplant. "Unser Ziel ist es, dass wenn jemand E-Sport sagt, man sofort an den E-Sport-Club denkt", sagt Fankhänel.

Um mehr Amateuren den Sprung zum Profizocker zu ermöglichen, hat der E-Sport-Club das Turnier "Bayerns beste Gamer" ins Leben gerufen, bei dem Teams aus Bayern Turniererfahrung sammeln können. Auch Penta und Heusinger nehmen an diesem Turnier teil.

Ist das Sport?

Doch gibt es immer wieder Diskussionen darüber, ob E-Sport als Sport anerkannt werden sollte. Gegner führen als Hauptargumente die fehlende Bewegung während des Spielens und die Gewalt in manchen E-Sport-Titeln an. Befürworter entgegnen, dass unter anderem auch Schach als Sport gilt.

Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule hat in Untersuchungen nachgewiesen, dass E-Sportler in Turnieren ähnlichen körperlichen Belastungen wie Spitzensportler ausgesetzt sind. Darüber berichtete unter anderem auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Genannt wird zum Beispiel eine Bewegungsrate bei den Spielern von bis zu 400 Tätigkeiten pro Minute, vier mal mehr als der Normalbürger und noch dazu asymmetrisch. Der Cortisonspiegel während des Spiels soll dem eines Rennfahrers gleichen.

Marvin Heusinger ist die Diskussion relativ egal. "Prinzipiell mag ich diese Kategorisierungen nicht, offizieller Sport oder nicht. Allerdings sollte der E-Sport schon auf Grund seiner Größe ähnliche Rechte bekommen." Dass dem elektronischen Sport bislang die gewünschte Anerkennung versagt wird, liegt seiner Meinung nach auch an der mangelnden Organisation und der verbesserungswürdigen Selbstvermarktung. "Wenn es erst einmal ausreichend große Ligen gibt, entstehen die Verbände von allein."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: