Düngung mit Gülle:Gefahr für das Trinkwasser

Experten sehen übermäßige Düngung mit Gülle als Ursache für hohe Nitratwerte. Im Landkreis gibt es ein Nord-Süd-Gefälle. Im Süden werden weitaus höhere Werte gemessen, im Norden wird aus Tiefbrunnen gepumpt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Das Grundwasser in Deutschland ist immer stärker mit Nitrat belastet - und gefährdet damit auch das Trinkwasser. Laut Angaben des Bundesumweltministeriums weist mittlerweile ein Viertel der Grundwasservorkommen in Deutschland Nitratwerte über dem geltenden Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter (mg/l) auf. Das Problem ist seit Jahren bekannt, hauptverantwortlich dafür sei die Landwirtschaft, sagen Experten. Immer mehr Tiere, die in Großställen gehalten würden, produzierten immer mehr Gülle, die auf den Feldern entsorgt werde und zu mehr Nitrat im Grundwasser führe. Im Landkreis Erding wird der Grenzwert zwar überall eingehalten. Doch einige Wasserversorger haben als "belastet" bewertetes Trinkwasser mit mehr als 25 Milligramm Nitrat pro Liter. An der Spitze steht Buch am Buchrain mit 34,7 Milligramm laut einer Untersuchung am 16. Juli 2015.

Wegen des zu hohen Nitrat-Gehalts in deutschen Gewässern hat sich die EU-Kommission im Frühjahr 2016 dazu entschieden, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof anzuklagen. "Die Lage ist äußerst besorgniserregend", Deutschland habe es versäumt, strenger gegen die Gewässerverunreinigung durch Nitrat vorzugehen, und damit die europäische Nitrat-Richtlinie von 1991 missachtet, lautet die Begründung. Vor allem die intensivierte Bioenergie-Produktion auf den Äckern verschärfe das Problem.

Düngung mit Gülle: In Bayern werden 92 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen.

In Bayern werden 92 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das sieht auch die Fachbereichsleiterin Geologie Barbara Kainzmaier vom Wasserwirtschaftsamt München so: "Die geltende Düngemittelverordnung ist der EU ein Dorn im Auge. Da wird sich einiges tun. Bisher hat sich die Landwirtschaft aber gegen Verschärfungen extrem gesperrt".

Laut den Untersuchungsberichten, die die Wasserversorger öffentlich im Internet zugänglich machen, sind vor allem die Nitratwerte in Gemeinden im südlichen Landkreis Erding höher: in der Gemeinde Pastetten (14,9 mg/l), im Gebiet des Wasserbeschaffungsverbands Gatterberg Gruppe St. Wolfgang (20,6 mg/l), beim Wasserzweckverband der Mittbachgruppe um Isen (21,8 mg/l) sowie in Finsing (27 mg/l). Den Spitzenwert von 34,7 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser wurde am 16. Juli 2015 an Brunnen I in Buch am Buchrain gemessen. Brunnen II hatte 26 mg/l. Buchs Bürgermeister Ferdinand Geisberger zeigt sich jedoch optimistisch, dass die Werte besser werden. "Unser Wasser kommt aus einer Schicht zwischen 20 und 34 Meter unter einer rund 22 Meter dicken Lehmschicht aus der Schotterebene, also vom Süden aus unserer Sicht. Das Wasser, das wir dort fördern ist 20 bis 25 Jahre alt. Heute wird weitaus kontrollierter Dünger auf die Felder ausgebracht. Die Werte werden also besser werden", sagt Geisberger.

Nitrat-Werte unter einem Milligramm pro Liter können laut aktuellen Wasseruntersuchungen die Stadtwerke Dorfen, die Berglerner Gruppe, die Wasserversorgung Holzland, der Zweckverband zur Wasserversorgung Moosrain und die Wasserversorgung Taufkirchen vorweisen. Oft erfolgt die Wassergewinnung über Tiefenbrunnen aus mehr als 150 Meter Tiefer. Die Stadtwerke Erding liefern Trinkwasser mit 8,7 Milligramm pro Liter, die Wasserversorgung Erding-Ost mit 1,6 mg/l.

Niedrigere Wertebei Babynahrung

Viele Fachleute und Umweltverbänden sehen den Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter als zu hoch an. Nach der schweizerischen Gewässerschutzverordnung liegt der Grenzwert bei 25 mg/l. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat sogar in der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung festgelegt, dass der Nitratgehalt bei der Verwendung für Babynahrung zehn Milligramm pro Liter nicht überschreiten darf. Nitrat wird im Magen zu Nitrit, das die roten Blutkörperchen zerstört, die dann keinen Sauerstoff mehr durch den Körper transportieren können. Dadurch kann bei Säuglingen eine lebensbedrohliche Veränderung des Blutes hervorgerufen werden, zu erkennen an der bläulichen Verfärbung der Haut. Außerdem, so das Bundesumweltamt, reagiert Nitrit im Magen mit lebenswichtigen Nahrungsbestandteilen zu Nitrosaminen, die als krebserregend gelten.wil

Die Höhe der Nitratkonzentration hängt von mehreren Faktoren ab. Im besonderem Maße ist die Belastung durch die Landnutzung im Einzugsgebiet einer Messstelle ausschlaggebend. Daneben spielen regionale hydrogeologische Bedingungen, wie Grundwasserflurabstand und Fließgeschwindigkeit, sowie die hydrochemischen Bedingungen im Untergrund eine wichtige Rolle.

Die auffällig unterschiedlichen Werte im Norden und Süden des Landkreises führt Barbara Kainzmaier auf zwei Gründe zurück: geologische Unterschiede und die Tiefe der Wasserentnahmen. Der Süden gehört zur Münchener Schotterebene mit ihren angrenzenden Moränengebieten. Innerhalb der Schotterebene ist die Grundwasserüberdeckung aus gut durchlässigem Kies, Schadstoffe können somit leichter ins Grundwasser dringen. Im Norden habe man überwiegend Tiefenbrunnen, da sich nördlich der Schotterebene das Tertiärhügelland anschließe. Hier seien die Grundwasservorkommen an sandig-kiesige Schichten der Oberen Süßwassermolasse gebunden. Das Wasser habe hier meist ein Alter von mehreren Tausend Jahren - weit vor den Zeiten der intensiven Landwirtschaft und Viehhaltung. Die Expertin warnt aber: "Man muss aufpassen, nicht zu viel Wasser aus diesen Tiefen zu holen. Denn das fehlende Wasser wird von höherem Wasser ersetzt. Irgendwann sind dann die Schadstoffe auf im tieferen Wasser und man muss noch weiter in die Tiefe bohren."

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