Dorfen/München:Übergriffe auf Wehrlose

Landgericht München I

Im Münchner Justizzentrum muss sich die Angeklagte verantworten

(Foto: Jakob Berr)

Unfassbare Vorwürfe gegen eine ehemalige Altenhelferin: Die Frau soll in Dorfen und Markt Schwaben demente Patientinnen schwer misshandelt haben. Der Fall wird jetzt am Landgericht verhandelt - die Angeklagte schweigt.

Von Andreas Salch, Dorfen/München

Es sind unglaubliche, erschütternde Vorwürfe: Eine 33-jährige Altenhelferin soll im AWO-Seniorenzentrum Markt Schwaben und im Altenheim Marienstift in Dorfen mehrfach hochbetagte, bettlägerige demente Frauen schwer misshandelt haben. Die furchtbaren Vorfälle ereigneten sich vor zwei beziehungsweise sechs Jahren. Für die mutmaßlichen Übergriffe auf die hilflosen Frauen, die sich nicht mehr artikulieren können, muss sich die 33-jährige Altenhelferin seit diesem Montag vor dem Landgericht München II verantworten. Das Amtsgericht Ebersberg hatte sie in erster Instanz wegen Misshandlung von Schutzbefohlen in vier Fällen zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und ein dreijähriges Berufsverbot erlassen. Gegen dieses Urteil geht die Altenhelferin jetzt in Berufung. Ebenso die Staatsanwaltschaft. Sie fordert eine deutliche höhere Strafe für die Angeklagte.

Die beiden mutmaßlichen Opfer aus dem AWO-Seniorenzentrum in Markt Schwaben waren zum Zeitpunkt der Tat fast hundert Jahre alt. Ihnen soll die Altenhelferin mit solcher Wucht ins Gesicht geschlagen haben, dass ihre Gesichter Zeugen zufolge "wie nach einem Boxkampf" ausgesehen haben. Im Dorfener Marienstift soll die Altenhelferin eine Seniorin, die in einem sogenannten Badelifter saß, in eine mit knapp 40 Grad heißen Wasser gefüllte Wanne gefahren haben. Die Frau schrie laut auf. Ein Kollege der Altenhelferin eilte herbei und fuhr den Badelifter aus dem dampfenden Wasser. Die Seniorin erlitt auf fast zwanzig Prozent der Haut Verbrühungen ersten Grades und kam auf die Intensivstation eines Krankenhauses.

Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht München II machte die Angeklagte keine Angaben zu den Vorwürfen. Die 33-Jährige arbeitete laut eigenen Angaben 14 Jahre in diversen Einrichtungen. Den Beruf der Altenpflegerin habe sie nie gelernt. Nach dem Besuch einer Förderschule bis zur neunten Klasse habe sie eine einjährige Weiterbildung absolviert und den Hauptschulabschluss erworben, so die 33-Jährige. Danach habe sie fünfeinhalb Jahre in einem Seniorenheim in Erding gearbeitet. Dort habe sie ihren Kollegen bei der Arbeit zugesehen und so den Umgang mit bettlägerigen Senioren erlernt.

"Dubiose Vorfälle" in Dorfen

Während ihrer Vernehmung vor dem Landgericht saß die Angeklagte mit ausdruckslosem Gesicht auf der Anklagebank. Mitunter zuckte ihr Oberkörper leicht nach links und rechts, so als ob sie fröstelt. Seit der Verurteilung durch das Amtsgericht arbeitet die 33-Jährige als Besteckverpackerin. Wo, wollte sie Richterin Regina Holstein nicht sagen, denn seit dem ersten Verfahren würden ihr ehemalige Kollegen "nachstellen". Die Verteidigerin der 33-Jährigen, Rechtsanwältin Sabine Schamriß, sagte, ihre Mandantin werde "von bestimmten Menschen ausgelacht". Nach der Verurteilung durch das Amtsgericht Ebersberg habe sich die Altenhelferin in psychologische Behandlung begeben.

Ins Rollen gebracht wurden die Ermittlungen gegen die Angeklagte durch die Leiterin des AWO-Seniorenzentrums in Markt Schwaben. Sie hatte Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei erstattet, nachdem den beiden fast hundertjährigen Bewohnerinnen der Einrichtung ins Gesicht geschlagen worden war. Intern hätten die Übergriffe nicht geklärt werden können. Denn die Angeklagte habe weder an einer Mitarbeiterversammlung noch an den Einzelgesprächen teilgenommen, bei denen es um die Vorfälle gegangen sei, so die Leiterin. Da die 33-Jährige aber unter Verdacht stand, sei ihr gekündigt worden.

Im Marienstift in Dorfen soll es den Ermittlungen der Kriminalpolizei zufolge zudem zu "dubiosen Vorfällen" gekommen sein, während die Angeklagte dort arbeitete. Hilflose Senioren seien von "Kopf bis Fuß mit Kot beschmiert" worden. Ein andermal sei ein Joghurt an die Wand geworfen worden. Mit der dünnen Creme habe jemand damit ein "Graffito" an die Zimmerwand eines Bewohners geschrieben. Es habe gelautet: "Die schwarze Schwester". Der Prozess wird fortgesetzt.

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