Dorfen:Was lange währt, wird doch nichts

Dorfen: Zu klein und zu abgelegen: Filialen der großen Supermarkt-Ketten brauchen mehr Platz und wollen mit ihren Konkurrenten zusammen sein.

Zu klein und zu abgelegen: Filialen der großen Supermarkt-Ketten brauchen mehr Platz und wollen mit ihren Konkurrenten zusammen sein.

(Foto: Renate Schmidt)

Zehn Jahre lang wurde eine Fläche in Dorfen Nord, direkt am B 15-Kreisel, für einen Supermarkt frei gehalten. Im April eröffnet "Leibners Lebensmittelmarkt". Das Geschäft läuft nicht und ist nach wenigen Wochen pleite

Von Florian Tempel, Dorfen

Voll war der Parkplatz nie gewesen. Jetzt kommt überhaupt keiner mehr und auch das schöne neue Geschäft steht vollends leer. Nach nur drei Monaten ist "Leibners Lebensmittelmarkt" in Dorfen Nord, direkt am B 15-Kreisel, schon wieder geschlossen, weil pleite. Den Insolvenzantrag hat Geschäftsführer Reiner Leibner sogar bereits Mitte Juni gestellt, nur acht Wochen nach der hoffnungsvollen Eröffnung. "Wir waren blauäugig", sagt seine Frau Cornelia Leibner, "wir haben gedacht, alle wollen den Laden."

Tatsächlich war im Dorfener Norden seit mehr als zehn Jahren ein Supermarkt geplant. Im Bebauungsplan war extra dieses eine Grundstück, mehr als 5000 Quadratmeter groß, für einen Lebensmittelmarkt freigehalten. Doch während ringsherum Dutzende neue Wohnhäuser gebaut wurden, blieb diese eine Fläche leer. Von den großen Ketten wollte keine dort eine Filiale errichten. Dorfen hat ein gut bestücktes Supermarktgebiet im Süden der Stadt, wo die Konkurrenten scheinbar symbiotisch miteinander gedeihen.

Die Leibners wohnen seit zehn Jahren in Dorfen Nord. Cornelia Leibner erinnert sich, wie 2006 eine Unterschriftenliste von Tür zu Tür ging, deren Unterzeichner endlich den geplanten Supermarkt forderten. Doch nichts passierte. Man kann doch kein Unternehmen zwingen, einen Filiale genau da zu eröffnen. Und außerdem: Die frei gehaltene Fläche erschien auf einmal zu klein. Neue Supermärkte beanspruchen 50 Prozent mehr Platz als vor zehn Jahren.

Schließlich wandte sich Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) an den Sankt Wolfganger Investor Manfred Singer: "Er hat zu mir gesagt, wir brauchen einen Nahversorger im Norden - kümmere du dich mal darum." Singer hat Erfahrung und Erfolg im Lebensmittelhandel und im Immobiliengeschäft. 2014 erwarb Singer die frei gehaltene Fläche und präsentierte eine neue Idee: Ein kleineres Lebensmittelgeschäft - die Großen wollten ja eh nicht -, das er in einer "Mischkalkulation" durch den Bau von drei Doppelhäusern querfinanzieren wolle. Die sechs Haushälften sind alle verkauft, das hat funktioniert. Der Stadtrat segnete Singers Konzept ab. Hauptsache, so die einhellige Meinung, es wird endlich was mit dem Lebensmittelladen.

Reiner Leibner ist Jahrgang 1966 und Metzgermeister. Er hatte lange eine Metzgertheke in einem Münchner Bio-Supermarkt als Pächter selbständig geführt. Als er und seine Frau von den neuen Lebensmittelmarktplänen erfahren, melden sie sich bei Singer. Ihre Idee ist zunächst, "einen Imbissstand, eine Pommes- und Würstelbude" vor dem kleinen Supermarkt aufzumachen, sagt Cornelia Leibner. Singer schlägt ihnen vor, innen drin eine Metzgerei mit Imbiss zu führen. Für Backwaren, Getränke und weitere Lebensmittel gäbe es noch andere Interessenten. Am Ende einigt man sich, dass die Leibners den Laden komplett betreiben.

Im August 2015 gründet Reiner Leibner die "Leibners Lebensmittelmarkt GmbH". Singer lässt das Geschäft bauen und vermittelt den Leibners die Kontakte zu einem Lebensmittelgroßhandel, der ihn beliefern wird. Leibner kauft und least das Ladenmobiliar, die Regale, die Theke und was man alles an Ausstattung braucht und stellt Mitarbeiterinnen an. Am 15. April ist Einweihung. Bürgermeister Grundner spricht von einem "großen Tag für Dorfen", Singer sagt, "was lange währt, wird endlich gut" und die Leibners danken allen, die sie bis dahin unterstützt haben.

"Die ersten zwei Tage liefen nicht schlecht", sagt Cornelia Leibner, doch "schon in der nächsten Woche brach der Umsatz ein". Die Schüler kamen zwar in großen Scharen mittags in den Laden, und auch Autofahrer schwenkten schnell mal runter von der B 15. Doch kaum jemand aus der Nachbarschaft kaufte richtig ein. "Wir waren praktisch nur der Lückenbüßer, wenn einer was vergessen hatte", sagte Cornelia Leibner, "aber sonst sind die doch nach wie vor runter zum Einkaufen gefahren".

Die Einschätzung, ein Nahversorger im Dorfener Norden müsste funktionieren, erwies sich als falsch. Insolvenzverwalter Andreas Gleichenstein sagt, der Laden ist zu klein, die Kunden wollten mehr Angebot. Die Nähe zum eigenen Haus, zur Wohnung - offenbar ist Nahversorgung vielen doch ziemlich egal. So sieht also die Realität aus: Dort, wo großen Lebensmittelketten und Discounter keine Filiale aufmachen, funktioniert höchsten ein ehrenamtlich geführter Dorfladen - ein Geschäft ist es nicht.

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