Dorfen:Vogelgezwitscher im Baggerlärm

An diesem Freitag wird offiziell der Baubeginn der Isentalautobahn gefeiert - zum Ärger der Anwohner.

Florian Tempel

Die Anwohner sind nicht eingeladen. Dabei hätten sie es nicht weit. Vom Haus der Familie Bauer in Haidvocking sind es nur 150 Meter bis zur späteren Fahrbahnkante der Autobahn A 94. Johanna Numberger und Georg Bauer aus Lindum werden es noch näher zur Isentalautobahn haben. Zum "feierlichen Baubeginn" am Freitagvormittag würden sie aber alle sowieso nicht gehen, selbst wenn sie eingeladen wären. Sie wollen die Ansprachen des bayerischen Umweltministers Marcel Huber und von Staatssekretär Andreas Scheuer aus dem Bundesverkehrsministerium nicht hören, und auch die Grußworte des Dorfener Bürgermeisters Heinz Grundner (alle CSU) interessieren sie nicht.

Die Anwohner würden wohl wütend werden, wenn sie die Politiker reden hörten. "Man kann aber nicht dauernd Wut haben, da macht man sich ja selber kaputt", sagte Georg Bauer. Und "wenn wir hingehen und protestieren, da lachen die uns doch nur aus". Er sagt das alles ganz ruhig und emotionslos. Jahrelang hat er sich aufgeregt über die Politik und die Gerichte, die die Autobahnpläne absegneten. Am Tag des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum Abschnitt Pastetten-Dorfen schwand seine letzte Hoffnung und zugleich sein Vertrauen in die Unabhängigkeit und Neutralität der Justiz, "wir haben keine freien Gerichte mehr". Das war vor zweieinhalb Jahren. Er habe sich seitdem "abgefunden" mit der Autobahn, die in 50 Meter Entfernung hinter seinem Haus vorbei gehen wird. Denn, "was kann man machen - gar nichts".

Johanna Numberger sagt, "ich bin schon so alt, was will ich denn noch". Also will sie sich auch nicht mehr ärgern. Dann bricht es aber doch aus ihr heraus: "Ich kann es immer noch nicht glauben, dass der Mensch so blöd sein kann, dass man hier diese Landschaft so kaputt macht." Hinter ihrem Garten schlängelt sich ein kleiner Bach, in den Büschen zwitschern Vögel, von der anderen Seite her dröhnt Baggerlärm rüber.

Der Bau an der A 94 hat längst begonnen, mitten im Isental. Sonderbar formuliert heißt es aber am Freitag offiziell "Baubeginn für vorbereitenden Bauarbeiten". Warum das so verzwirbelt ausgedrückt wird, weiß auch der Sprecher der Autobahndirektion nicht, "man könnte natürlich auch einfach Beginn der Bauarbeiten sagen".

Vom Balkon der Familie Bauer in Haidvocking hat man einen fast totalen Überblick über die Baustelle. Senior Jakob Bauer schaut oft mit dem Fernglas, was sich tut. Seine Schwiegertochter Monika sagt, "man darf sich nicht unterkriegen lassen". Ihr letzter Tiefpunkt voller Frust ist allerdings noch nicht so lange her. "Das war, als sie unseren angesäten Weizen einfach weggebaggert haben." Doch auch sie will nicht dauerhaft Wut haben. "Wir bleiben hier, wo sollten wir denn auch hingehen?"

Es ist ihr Haus, ihr Garten, ihr kleiner Teich, es sind ihre Gemüsebeete. An der Autobahn wird ein Lärmschutzwall gebaut werden, ein "Mordswall", über zehn Meter hoch. "Das ist ein mulmiges Gefühl, das wird eine Riesenumstellung werden", sagt Monika Bauer. Statt einem netten Ausblick wird die Sonnenseite von Haus und Garten mit einer künstlichen Hangkante abgeschottet werden. Man müsse angesichts solcher Veränderungen "variabel bleiben", sagt Monika Bauer.

Auf seinem Grundstück in Lindum hat Georg Bauer vor einigen Wochen acht Obstbäume gefällt, die den Bauarbeiten im Weg standen. Ein Bauleiter hatte ihm angeboten, eine Firma würde kommen und die Bäume umlegen. Die hätten dann aber auch gleich das Holz mitgenommen. Deshalb hat er die Bäume selbst gefällt, damit ihm wenigstens das Holz bleibt. Unter dem Dach seines Schuppens steht hinter einer alten Matratze eine gelbe Plakatwand, die früher einmal an der Straße nach Isen stand. Die Tafel sei nicht von ihm, und er wisse nicht, wer sie angefertigt habe. Er hat sie nur weggeräumt und hebt sie nun eben auf. Die derbe Aufschrift lautet: "Hier plant die bayerische Staatsregierung Scheiß. A 94 nie!"

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