Dorfen:Ungezügeltes Nachbeben

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Dorfener Christsoziale üben späte Rache: Ein Jahr nach der Absetzung von Bürgermeister Heinz Grundner als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke, beteiligen sie sich an einer Kampagne gegen die Unternehmensführung

Von Florian Tempel, Dorfen

Im Nachhinein könnte man sagen, es war ja abzusehen. Als der Stadtrat im Juli 2014 mit der Mehrheit aller Nicht-CSU-Stadträte Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke Dorfen entfernte, war das ein starkes Stück. Die Christsozialen, deren Selbstwertgefühl sowieso massiv angeknabbert ist, weil sie im Stadtrat auf nicht einmal ein Drittel der Sitze kommen, waren erschüttert und schäumten vor Wut. Die ganze Dorfener CSU fühlte sich lächerlich gemacht. So eine Blamage steckt man nicht so leicht weg. Das gärte und brodelte weiter - bis sich der Dorfener CSU-Frust in diesem Jahr in einem gewaltigen Nachbeben entlud.

Karl-Heinz Figl arbeitet seit 2002 als Geschäftsführer für die Dorfener Stadtwerke. Er ist weit mehr als ein Unternehmensverwalter. Er hat Ideen und Visionen. Er baut ein durchdachtes ökologische Nahwärmenetz auf und überzeugt die Mehrheit des Stadtrats, dass die Stadtwerke eine neue Sparte gründen sollten: Glasfaser. Die Stadtwerke werden im Januar 2015 zum lokalen Konkurrenten des Giganten Deutschen Telekom. Vom kommenden Jahr an kann man Internet, Telefon und Fernsehen bei den Stadtwerken beziehen. Mit richtig schnellen Übertragungsraten. Zum Beispiel in Landersdorf, wo man bislang froh sein musste, wenn man mit einem schlappen Megabit pro Sekunde im Netz surfen konnte. Die Stadtwerke liften mit ihren eigenen Glasfaserkabeln Landersdorf und andere abgehängte Stadtteile auf digitales Großstadtniveau: 60, 100 oder sogar 150 Megabit sind auf einmal möglich.

Figl stellt das Glasfaserkonzept am 8. Oktober im Gasthaus Huber der Öffentlichkeit vor. Zwei Tage später beginnt mit einem Bericht im Dorfener Anzeiger eine üble Kampagne. Figl wird in der Rolle eines gierigen Schurken präsentiert, der sich in dreister Weise persönlich bereichern will. Angeblich pokere er um 20 Prozent mehr Gehalt und um eine betriebliche Altersrente, die Unsummen koste. Pokern ist noch zu harmlos ausgedrückt, er erpresse die ganze Stadt.

An diesem und folgenden Berichten ist kaum etwas Wahres dran. Es ist falsch, dass Figl mehr Gehalt fordere und die Höhe der betrieblichen Altersvorsorge diktiere. Er hat beim Aufsichtsrat einen Antrag auf eine "angemessene Altersvorsorge gestellt", mehr nicht. Der Aufsichtsrat hat den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband beauftragt, festzustellen, was angemessen wäre. Weil diese Bewertung nicht so schnell vorliegt wie erwartet, kündigt Figl seinen seit zehn Jahren laufenden Vertrag, der sich sonst automatisch verlängert hätte. Figl will aber auf alle Fälle in Dorfen weiter machen. Der Aufsichtsrat weiß das und sieht kein Problem in der formalen Kündigung des alten Arbeitsvertrags, der durch einen neuen ersetzt werden wird.

Bürgermeister Grundner und andere CSU-Politiker ignorieren das alles und heizen die Kampagne gegen Figl genussvoll an. Man dürfe sich "nicht erpressen lassen", es gehe um "sehr viel Geld, um Vermögen der Bürger", ist von Grundner zu lesen. Und CSU-Fraktionssprecher Michael Oberhofer, der sogar Mitglied im Stadtwerke-Aufsichtsrat ist, spricht davon, "dass man sich auch einmal trennen kann, wenn es in Richtung Maßlosigkeit geht". Dann folgt ein Schwenk: Nicht mehr Figl ist fortan der Buh-Mann für die Christsozialen, sondern der Aufsichtsratsvorsitzende und Zweite Bürgermeister Günther Drobilitsch von den Landlisten. Drobilitsch würde sich alles diktieren lassen und dann abnicken, er sei für die angeblich Krisensituation - die lediglich von der CSU behauptet wird - verantwortlich und müsse zurücktreten.

Die außer Rand und Band geratene Dorfener CSU macht damit letztlich selbst klar, um was es ihr tatsächlich geht. Sie will Genugtuung für die erlittene Schmach, dass Bürgermeister Grundner aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke entfernt worden ist. Die CSU treibt etwas an, was Juristen einen niederen Beweggrund nennen: Rache.

Als Stadtwerke-Geschäftsführer Figl die aktuellen Zahlen des Unternehmens im Stadtrat vorstellt - die in jeder Hinsicht hervorragend gut sind -, nimmt er auch persönlich Stellung. In einer emotionalen Ansprache wehrt er sich gegen die "gezielte und absichtliche Diffamierung (. . .) die meine Person, meinen Ruf und meine Ehre geschädigt haben." Der Aufsichtsratsvorsitzende Drobilitsch lässt die Angriffe gegen seine Person hingegen äußerlich unbeeindruckt an sich abperlen.

Nur einer lässt nicht locker. Bürgermeister Grundner verdreht in einem Gespräch mit dem Dorfener Anzeiger Mitte Dezember die gegen Figl und Drobilitsch gelaufene Kampagne. Er lobt Parteifreunde, die "deutlich ihre Meinung gesagt" hätten, und zieht ein verqueres Fazit: Dass das Thema Stadtwerke so hochgekocht wurde, liege "einfach in der Schwäche des Aufsichtsratsvorsitzenden Drobilitsch".

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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