Dorfen:Dachterrasse oder Beletage

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Die Dorfener Stadträte haben jetzt die Qual der Wahl: Welcher der beiden Entwürfe für ein neues Rathaus soll verwirklicht werden? Ihre eigenen Reize haben beide

Von Florian Tempel, Dorfen

Ein Rathaus ist nicht irgendein Haus, es ist von zentraler Bedeutung. Es ist nicht nur ein Verwaltungsgebäude, sondern bringt - im besten Fall - das Selbstverständnis einer Stadt zum Ausdruck. In Dorfen steht nun der Neubau des Rathauses an: an gleicher Stelle, nur gut doppelt so groß. Ein kleineres Haus links neben dem alten Rathaus wird auch abgerissen. In einem Wettbewerb sind jüngst zwei Entwürfe mit einem ersten Preis ausgezeichnet worden. Der Stadtrat hat nun die nicht einfache Aufgabe, sich für einen der beiden zu entscheiden.

Bislang hatte der Stadtrat nur je eine Skizze und eine Ansicht der Fassade zu sehen bekommen. Die prämierten Architekten Norbert Diezinger aus Eichstätt und Johann Schmuck aus München legten dem Stadtrat nun dar, was ihre Entwürfe ausmacht und was dahinter steckt. Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) fasste es so zusammen: Man habe die Wahl zwischen Diezingers sehr modernem Entwurf und Schmucks Vorschlag, der Anklänge an historische regionale Architektur aufnehme, wobei beide Entwürfe ihre Reize hätten. Das müssen die Stadträte nun erst einmal auf sich wirken lassen, bevor entschieden wird.

Diezinger gehört zu den sechs Architekten, die für den Wettbewerb vorab gesetzt worden waren. Sein Entwurf entspricht, wie deshalb zu erwarten war, von der äußeren Gestaltung her ganz dem Geschmack der Zeit. So wird heutzutage nicht nur in Dorfen gebaut. Die Fassadengestaltung macht das deutlich: Klare Kanten und Konturen, alles rechtwinklig und geradlinig. Selbst der etwas zurückgesetzte Eingangsbereich ergibt sich aus der Fortführung des leicht schrägen Straßenverlaufs. Das von außen Auffälligste ist, dass die Fassade unterschiedlich hoch ist. Die Wettbewerbsjury lobt diese Idee ausdrücklich: "Dem Verfasser gelingt in geschickter Weise, auf die seitlich unterschiedlich hohen Nachbargebäude einzugehen." Die Vorgabe, darauf achtzugeben, dass im historischen Bestand gebaut wird, wird damit erfüllt.

Ganz oben, hinter dem höchsten Fassadenstück, thronen der Sitzungssaal und das Trauzimmer mit einem offenen Vorbereich. Das Dachgeschoss nimmt nur zwei Drittel der Grundfläche ein und lässt damit Platz für eine Dachterrasse außen herum. Wozu? Die Stadträte könnten, erklärte Architekt Diezinger, wenn ihnen bei langen Sitzungen der Kopf raucht, mal nach draußen gehen und sich eine Zigarette genehmigen - oder frische Luft schnappen.

Das Innere des Rathauses, das Diezinger entworfen hat, ist viel interessanter, als es der äußere Schein verrät. Mit einem Lichthof und einem großzügigen, versetzten Treppenhaus fällt sicher reichlich Tageslicht ein. Es gibt aber einen Minuspunkt: Statt wie vorgegeben acht Reservebüros, bringt Diezinger nur fünf Räume für die Zukunft unter.

Das Ziegelstein-Rathaus von Johann Schmuck. (Foto: oh)

Architekt Schmuck hat bei seiner Fassadengestaltung eines fest im Blick gehabt: Ein Rathaus sollte ein durchaus dominanter Bau sein. Dass sein Gebäude nicht in der Höhe abgestuft ist, sorgt für eine sehr selbstbewusste Außenwirkung. Die Fassade gliedert sich nach vorne in drei Etagen: Im Erdgeschoss hat Schmuck einen Arkadengang über die gesamte Breite des Gebäudes entworfen. Das ist ein historisches Thema, wenngleich es in der Dorfener Stadtarchitektur bislang nicht vorkommt. Über den Arkaden liegt eine Beletage mit sehr großen Fenstern, hinter der sich der Sitzungssaal und das Trauzimmer befinden. Auch das ist eine traditionelle Situierung. Ganz oben dann ein normales Stockwerk. Die Wettbewerbsjury lobte diese "eigenständige Gestaltung" und nannte die klassische vertikale Dreiteilung "anspruchsvoll". Tatsächlich gibt es im Inneren aber vier Stockwerke, da der Sitzungssaal zwei Etagen hoch ist. Die Außenhaut der Fassade sollte, so Schmucks Idee, seine Ziegelstruktur erkennbar lassen. Auch das ist ein historischer Gedanken, der sich in Dorfen aber so sonst nirgends findet.

Im Inneren gibt es einen zentralen Lichthof. Schmuck schafft es zudem, die geforderten acht Reserveräume in seinem Gebäude unterzubringen.

Und was ist mit den sechs Rathaus-Bildern, die vor einigen Monaten zu heftigen Diskussionen führten? Ob bei Diezinger oder Schmuck: Die Sitzungssäle haben Platz für die sechs alten Gemälde eines unbekannten Meisters, wenn man sie, falls man das schön findet, in zwei Reihen übereinanderhängt.

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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