Diskussionsfreudig:Schwarze Meinungsvielfalt

Beim Frühschoppen der Erdinger CSU lässt sich erleben, wie konträr die Positionen bei den Christsozialen aktuell sind

Von Florian Tempel, Erding

Das Beste kam zum Schluss. Weit über eine Stunde hatte CSU-Multifunktionäre Thomas Bauer beim sonntäglichen CSU-Frühschoppen schon geredet. Als Erdinger Stadtrat, Fraktionsvorsitzender im Kreistag und Kreisgeschäftsführer weiß er natürlich zu vielen Themen etwas zu sagen. Über manche Dinge schweigt er freilich auch lieber. Was ihm nicht schwer fällt, weil er als Arzt eine berufliche Schweigepflicht kennt. Das Klinikum Erding, in dessen Verwaltungsrat Bauer sitzt und wo er selbst operiert, ein Haus, das er also von innen und außen kennt, erwähnte Bauer mit keinem Wort. Als ob es nichts dazu zu sagen gäbe. Und doch kam dann ganz am Ende noch richtig Schwung ins Nebenzimmer des CSU-Stammlokals Kreuzeder. Bauer outete sich urplötzlich als Merkel-Anhänger, sagte, die Kanzlerin habe 2015 mit der Grenzöffnung für Flüchtlinge recht getan, und aktuell sei er für die Fortsetzung der derzeit nur noch geschäftsführenden Koalitionsregierung. Burkhard Köppen, ebenfalls Stadtrat und als Schriftführer Mitglied des CSU-Kreisvorstands, war, was Angela Merkel anging, völlig und absolut anderer Meinung.

Diskussionsfreudig: Merkel als Kanzlerin geht nicht mehr - sagt der Schriftführer des CSU-Kreisverbands, Burkhard Köppen.

Merkel als Kanzlerin geht nicht mehr - sagt der Schriftführer des CSU-Kreisverbands, Burkhard Köppen.

(Foto: Peter Bauersachs)

Die Grundfrage, die sich jeder in der CSU stellt, ist nicht, wer Seehofers Nachfolger wird, sondern warum die Partei bei der Bundestagswahl so eingebrochen ist. 38,4 Prozent in Bayern, "das ist alles andere als berauschend", sagte Bauer. Für das schlechte Ergebnis machte er aber diejenigen in der CSU verantwortlich, die Merkel, wegen ihrer Flüchtlingspolitik so massiv angegriffen haben. Bauer offenbarte, dass er die Öffnung der Grenzen im Sommer 2015 auch im Rückblick für richtig halte. Er sei "froh in einem Land zu leben", dass Menschen in Not Hilfe geleistet habe, während in Ungarn Flüchtlinge untätig im Stich gelassen wurden. "Mit dieser Meinung bin ich nicht mehrheitsfähig in der CSU", sagte Bauer. Sie ist aber ein wesentlicher Aspekt für seine Überzeugung, die Angriffe des CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer und anderer auf Merkel seien ein Grundübel gewesen. Es sei immer eine Riesenfehler, "wenn man die eigenen Leute demontiert - da brauchen wir uns nicht wundern, wenn man uns nichts mehr wählt".

Diskussionsfreudig: Merkel ist ein gute Kanzlerin - sagt der Geschäftsführer des CSU-Kreisverbands, Thomas Bauer.

Merkel ist ein gute Kanzlerin - sagt der Geschäftsführer des CSU-Kreisverbands, Thomas Bauer.

(Foto: Peter Bauersachs)

Dass sein Parteifreund die Kanzlerin in Schutz nahm, ja sie sogar lobte, und die Ursache für das schlechte Abschneiden der CSU bei der Bundestagswahl bei der CSU suchte, machte Köppen richtig ärgerlich. Seine Ansicht hat das Problem der CSU einen Namen: Angela Merkel. Einige seiner besten Freunde, klagte Köppen, seien nur wegen Merkel erstmals der CSU untreu geworden. Im Wahlkampf habe er sich "von jedem zweiten sagen lassen müsse, ich wähl' euch nicht mehr, wenn ich die Merkel wieder kriege". Die Vorstellung, dass es nun womöglich zu Neuwahlen mit einer CDU-Spitzenkandidatin Merkel kommen können, erschütterte ihn: "Ich mache dann keinen Wahlkampf mehr", sagte Köppen wütend. Bauer erwiderte dem aufgebrachten Köppen darauf, "wir können schon noch weiter machen an unserer Selbstdemontage".

Als Lösung aus der aktuellen Krisensituation hatte Bauer einen einfachen Vorschlag: Die sogenannte große Koalition - die angesichts einer 20 Prozent-SPD keine mehr sein würde - sollte wiederbelebt werden. Die schwarz-rote Regierung habe doch gute Arbeit geleistet. Die Wirtschaft brumme, die Lage sei stabil, Deutschland sei in der Welt geachtet. Und die SPD dürfe zur recht stolz auf ihre Arbeit in der Regierung sein. Die Einführung des Mindestlohns sei zum Beispiel unbedingt nötig gewesen, sagte Bauer, "das kann sich die SPD an die Brust heften". Es gebe beim Mindestlohn nur ein Problem, er sei mit 8,50 Euro skandalös zu niedrig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: