"Die Zahlungsmoral wird immer schlechter.":Wackeliges Standbein

"Die Zahlungsmoral wird immer schlechter.": Schön fürs Auge: Manche Landwirte im Landkreis verdienen sich mit Blumen zum Selberpflücken etwas dazu. Sie müssen sich aber auch immer wieder über schlechte Zahlungsmoral ärgern.

Schön fürs Auge: Manche Landwirte im Landkreis verdienen sich mit Blumen zum Selberpflücken etwas dazu. Sie müssen sich aber auch immer wieder über schlechte Zahlungsmoral ärgern.

(Foto: Renate Schmidt)

Einige Landwirte im Landkreis bauen auf ihren Feldern Blumen an, die Kunden selbst pflücken können. Das Geschäftsmodell lohnt sich. Allerdings nehmen manche Blumen mit, ohne zu bezahlen

Von Regina Bluhme, Erding

In den nächsten Wochen wird Thomas Hupfer wieder öfter als sonst auf seinen Feldern vorbeischauen und nach Dieben Ausschau halten. Der Landwirt aus Taufkirchen bietet Blumen zum Selberpflücken an und hat schon schlechte Erfahrungen mit der Zahlungsmoral der Kundschaft gemacht. Die Anzahl der Landwirte, die im Landkreis jetzt Gladiolen oder Sonnenblumen zum Selberpflücken anbieten, ist überschaubar. Ein Zubrot liefert der Anbau aber durchaus.

"Wenn es sich nicht rentieren täte, würde ich es auch nicht machen", sagt Thomas Hupfer, der hauptberuflich eine Rindermast in Taufkirchen betreibt. Aber: "Die Zahlungsmoral wird immer schlechter und das Saatgut nicht gerade billiger." Seit 1999 betreibt er Blumenfelder mit Gladiolen, Sonnenblumen, je nach Saison auch mit Narzissen, Tulpen oder Lilien. Drei Felder bietet er im Landkreis Erding an.

Hupfer hat in den vergangenen Jahren schon einiges erlebt. An einem Tag habe er einmal fünf Blumenpflücker erwischt, die sich den Geldeinwurf an der Kasse sparen wollten. Sie wurden wegen Diebstahls angezeigt, "da bin ich schmerzfrei", erklärt Hupfer. Einmal hätten Unbekannte über Nacht sogar ein ganzes Feld abgeräumt. Die Diebe konnten nie ermittelt werden, "aber zum Glück kam so was bisher nur einmal vor", sagt Hupfer. Die Kasse hat er in ein altes Ölfass einbetoniert. Selbst das schreckt nicht ab: Zwei Aufbruchsversuche hat es bisher gegeben.

In diesem Jahr werde er die Kontrollen verstärken und zwar möglichst unauffällig, kündigt er an, "zum Schutz der ehrlichen Kunden". Denn die gibt es schließlich auch und so lobt er die Stammkundschaft, die es eben schätzt, dass die Blumen frisch vom Feld länger halten.

Werner Ippisch aus Notzing hat seit 1997 mehrere Felder mit Gladiolen und Sonnenblumen im Angebot, unter anderem in Notzing, Kempfing und Neuching. Die Kundschaft schätze es, dass die Blumen günstiger seien als im Geschäft. Bei Ippisch kosten die Gladiolen einen Euro, die Sonnenblume 70 Cent. Doch die Zahlungsmoral lasse nach, bestätigt er. Es passiere immer wieder, dass die Blumenpflücker zu wenig oder gleich gar nichts in die Kasse werfen. Bei Kontrollen wurde er sogar schon beschimpft. Inzwischen hätten einige Landwirte im Landkreis wieder aufgehört mit dem Blumenfeldern, "wegen der schlechten Zahlungsmoral", sagt Ippisch.

Ganz zufrieden ist hingegen Rupert Hutterer aus Mehnbach bei Lengdorf. Erst vor zwei Jahren hat Hutterer in Lengdorf gegenüber vom Sportplatz ein 5000 Quadratmeter großes Feld mit Blumen zum Selbstpflücken angelegt. Als zweites Standbein. Aber auch als ein kleines Zeichen gegen Rechts, wie er hinzufügt. "Ich wollte Farbe reinbringen und zeigen: Lengdorf ist bunt."

Im Angebot hat Rupert Hutterer seit gut zwei Wochen Gladiolen und ganz besondere Sonnenblumen: Eine spezielle Züchtung, die nur ganz wenig gelben Blütenstaub bildet. "Die können Sie problemlos auf den Schreibtisch im Büro stellen", sagt er. Die großen Sonnenblumen gibt es bei ihm für einen Euro, die kleinen sowie die Gladiolen für 75 Cent. Der Vorteil des Selbstpflückens liegt seiner Ansicht nach auf der Hand: Zum einen bekomme der Kunde immer frische Blumen, die bei entsprechender Pflege auch länger halten, zum anderen sei ein Feld nicht an Öffnungszeiten gebunden wie ein Laden.

Das Feld werde gut angenommen, sagt Hutterer. In der ersten Woche des Monats werde immer regelmäßig und auch gut gezahlt. Dann werde es Woche für Woche schlechter: "Nach der zweiten Woche werden die Blumenblüten weniger und das Geld in der Kasse auch." Am Monatsende dann herrsche gar ein "Durchhänger" bei der Zahlungsmoral. Dabei habe er die Kasse noch mit einem recht schicken Edelstahlschild versehen. Darauf steht: "Vielen Dank für Ihre Ehrlichkeit".

"Reich wird man damit nicht", glaubt Hutterer, der hauptberuflich eine Biogasanage betreibt. Bislang hätten sich die Ausgaben fürs Saatgut getragen. "Das klappt natürlich nur, weil wir die Technik, die Geräte zum Säen und Mähen, zuhause haben und nichts extra anschaffen mussten", betont er. Auf Hutterers Feld darf einer kostenlos pflücken: Die Kirche. Sie kann mit den Blumen gratis das Gotteshaus in Lengdorf schmücken. "Das ist sozusagen mein Beitrag zum Sonntagsgottesdienst", erklärt Hutterer.

Wie viele Felder zum Selbstpflücken nun genau im Landkreis Erding bewirtschaftet werden, darüber gibt es keine Zahlen. Das teilte das Amt für Landwirtschaft Erding mit. Ein Blumenfeld müsse nicht extra beantragt werden, daher könne das Amt keine Angaben machen. Auch der Bayerischen Bauernverband hat keine Zahlen. Hier wird das Angebot zum Selberpflücken sehr positiv gesehen. Die Blumen auf dem Feld seien schön fürs Auge, betont Pressesprecherin Brigitte Scholz. Und somit auch ein Stück Imagewerbung für die Landwirtschaft.

Von Seiten der Gärtnereien aus dem Landkreis kommen unterschiedliche Kommentare. Ein Betreiber, der nicht namentlich genannt werden will, erklärt: Dieses Angebot der Landwirte "war für uns schon eine Konkurrenz und ist es immer noch." Eine Floristin aus Erding hingegen sagt, dass sie die Felder nicht als Konkurrenz sieht. "Wer einen schön gebundenen Strauß haben will, kommt zu uns."

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