Die Routen der Zugvögel:Nur nicht über die Alpen

Die Routen der Zugvögel: Das große Fernrohr hatte Referent Kurt Scholz nicht ganz umsonst mitgebracht. Er erspähte damit in der Ferne immerhin einen Storch.

Das große Fernrohr hatte Referent Kurt Scholz nicht ganz umsonst mitgebracht. Er erspähte damit in der Ferne immerhin einen Storch.

(Foto: Marco Einfeldt)

Beim "Birdwatchday" im Freisinger Moos sehen die Besucher nicht viel, erfahren aber allerhand Interessantes über Zugvögel

Von Alexandra Vettori, Freising

Glaubt man den Ornithologen, ist am vergangenen Wochenende der Höhepunkt des herbstlichen Zugvogelzugs gewesen, deshalb veranstalteten Vogelfreunde in Europa einen "Birdwatchday". Auch die Freisinger Gruppe des Landesbunds für Vogelschutz hat mitgemacht und auf ihren Beobachtungsturm im Freisinger Moos eingeladen. Referent Kurt Scholz dämpfte gleich allzu große Erwartungen: "Wir hier liegen nicht unter den Flugrouten der Vögel, außerdem fliegen sie meist nachts, weil es kühler ist und keine Beutegreifer unterwegs sind." Enttäuscht war trotzdem keiner aus dem guten Dutzend Interessierter, alle genossen den warmen Herbsttag mit seinem sanften Dunstschleier und den Ausblick über die Wiesen, die sanften Hügel, Weihenstephan und den Freisinger Dom.

Kurt Scholz baute sein Fernrohr trotzdem auf das Stativ und wurde dafür prompt belohnt: Ein Storch stakste über eine Wiese, wenn auch in einer solch großen Entfernung, dass das Tier mit einem normalen Fernglas kaum zu entdecken war. Störche, nahm Scholz das Stichwort auf, seien keine Seltenheit im Freisinger Moos, wenn sich auch bislang noch keine dazu herabgelassen hätten, im Landkreis zu brüten. Immer wieder bauen Vogelfreunde Nisthilfen auf Schuppen oder Kirchen, bis jetzt ist aber noch kein Storchenpaar eingezogen. Kurt Scholz vermutete, dass neben anderen Gründen in der aufgeräumten Landschaft einfach das Nistmaterial zum Bau fehlt.

Um den Vogelzug ranken sich immer noch viele Geheimnisse. "Man hat eine Frage beantwortet und es tun sich mehrere neue auf", sagte Scholz. Dass die Vögel wissen, wann sie wohin müssen, ist vermutlich genetisch festgelegt. Wie Scholz erzählte, habe man Mönchsgrasmücken, die es wohl zufällig auf die britischen Inseln verschlagen hatte und die ab da immer dort überwinterten, mit solchen gekreuzt, die noch nach Südafrika flogen. "Da sind Mittelflieger draus geworden, die bis nach Spanien flogen", so Scholz.

Die Haupt-Zugrouten trennen sich bei Marburg in eine Ost- und eine Westrichtung. Störche und Kraniche etwa ziehen gen Osten über den Balkan, die Türkei, den Bosporus bis nach Ostafrika. Die Westroute führt über die burgundische Pforte nach Südfrankreich, Spanien und Nordafrika. "Die Vögel meiden die Alpenkette", so Scholz. Das gilt für Langstreckenzieher wie Schwalben, Störche, Kuckuck, Nachtigall und Zilpzalp, wie auch für die Kurz- bis Mittelstreckenzieher Kranich, Buchfink oder Rotkehlchen. Begonnen hat der Vogelzug vermutlich in der Eiszeit. Bis dahin dürften die meisten Vögel in Afrika und der damals noch grünen Sahara gelebt haben. Als die Sahara versteppte und dafür die Eisberge im Norden schmolzen und sich dort eine Tundra-Landschaft ausbreitete, zogen immer mehr nach Norden. "Der Zug ist eine reine Nahrungssache", sagte Scholz, mit der Kälte habe er eher weniger zu tun.

Vor allem die Langflieger legen immense Leistungen an den Tag. Kurt Scholz brachte das Beispiel des Fitis, eines sieben Gramm schweren Vögelchens, dem Zilpzalp ähnlich. Es frisst sich im Sommer eine so dicke Fettschicht an, dass es bei der Abreise ins südliche Afrika ein Drittel mehr Körpergewicht hat. Der Flug erfolgt nonstop in drei Tagen, dabei zehrt der Fitis nicht nur sein Fett auf, sondern auch Organe, etwa den Darm. "Wenn er wieder normale Nahrung hat, ist der Darm in kurzer Zeit wieder intakt", versicherte Scholz. Trinken muss der Fitis auch nicht: Die Fettverbrennung in seinem Körper erzeugt Wasser, der heiße Dampf kondensiert im Rachen und führt dem Körper wieder Wasser zu. "Die Tricks der Natur sind unglaublich", so Scholz. Ob sich die Natur allerdings in gebotener Schnelligkeit an den Klimawandel anpasst, bleibt abzuwarten. Die Sahara dehnt sich aus und verlangt den Vögel immer längere Flüge bis zur nächsten Nahrung ab.

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