"Das deutsche Bier ist das Beste":Ein "Bsehtak!" der Gemütlichkeit

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16 junge Jordanier, die derzeit Austauschpartner in Freising besuchen, lernen auf dem Volksfest viel über die bayerische Kultur

Von Tobias Weiskopf, Freising

"Das deutsche Bier ist das Beste", sagt Mohammed, und prostet mit seiner alkoholfreien Maß seinen Freunden am Tisch zu. Der junge Jordanier ist einer von 16 Teilnehmern eines Austauschs der Deutsch-Jordanischen Gesellschaft, die zur Zeit in Freising zu Besuch sind. Julia Christof, Organisatorin des Programms, erklärt, dass die Austauschpartner aus dem Mittleren Osten die Familien ihrer Gastgeber am "Family Day" einen Tag lang begleiten würden. Weil derzeit das Volksfest in Freising stattfindet, hat die 24-Jährige mit ihren Freunden beschlossen, den Abend gemeinsam mit den Gästen im Bierzelt zu verbringen. Hier, so die Idee, könnten die Jordanier bayerische Kultur richtig erleben.

Für kurz nach Acht hat sich die Gruppe verabredet, "aber Pünktlichkeit leben die ein wenig anders", witzelt Christof gelassen. "Da muss man immer eine halbe Stunde vorher als Treffpunkt ausmachen", sagt sie, "zum Leid der Deutschen, denn die sind meist pünktlich".

Mit der Zeit trudeln sie dann aber ein, die meisten haben sich herausgeputzt und kommen im Dirndl oder in der Lederhosen, ausgeliehen von den Gastfamilien. Julia Christofs Austauschpartnerin Nancy trägt ein Trachtenhemd und hat sich ein kariertes Tuch um das Handgelenk gebunden. "Da ist sogar ein Edelweiß drauf", betont sie stolz, "das habe ich von Julia geschenkt bekommen". Nancy spricht wie einige andere nahezu akzentfrei Deutsch. Sie habe die Sprache autodidaktisch über eine Online-Plattform und mit Hilfe von Filmen und Musik gelernt, erzählt sie.

In den vergangenen Tagen sei zwischen den beiden Kulturen viel über Gesellschaft und Politik, auch über die bevorstehende Bundestagswahl und das deutsche Wahlsystem, gesprochen und diskutiert worden, berichtet Christof. Dabei sei es zu einigen Kontroversen über die unterschiedlichen Staatsformen, Demokratie und Monarchie, gekommen, aber es habe auch viele bereichernde Unterhaltungen gegeben.

Mohammed greift das Thema auf und erzählt, wie sein Land, in dem ein Großteil der Menschen dem Islam angehört, mit verschiedenen Religionen umgeht: "Wir leben zusammen und akzeptieren uns, egal welchen Glauben man hat. Es gibt keine Diskriminierung, alle haben gleiche Rechte und wir gehen zusammen weg." Eine Einstellung, von der sich die Deutschen, wie Christof findet, eine Scheibe abschneiden könnten. Trotzdem betont Mohammed die Gastfreundlichkeit Deutschlands und lobt den Umgang mit Flüchtlingen und die damit verbundene Mitmenschlichkeit.

Vielleicht ist es gerade die jordanische Offenheit, die das große Interesse an der bayerischen Kultur erklärt. Spareribs, Hendl, Semmelknödel mit Schwammerln und Obazdn mit Brezen haben sich die Austauschteilnehmer bestellt und einmal durchgetauscht, so dass jeder von allem probieren kann. "Das ist ein ganz schönes Chaos", erzählt Christof, "wenn man 16 Jordaniern erklären muss, was das überhaupt ist und was ohne Schweinefleisch ist". Geklappt hat es dennoch und geschmeckt hat es den leeren Tellern zufolge auch.

Nisreen ist bereits das dritte Mal in Deutschland, denn die Wirtschaftsingenieurin war bereits für ein Jahr in Stuttgart und Nürnberg zum Praktikum. Für sie sei der Austausch eine große Bereicherung und eine "tolle, aufregende Erfahrung", erzählt sie. Besonders bewundernswert seien die vielen deutschen Erfindungen und die viele Technologie. Dennoch: am meisten beeindruckt ist sie jedes Mal von dem vielen Grün, den Feldern und Wäldern.

Und dieses Mal vom Volksfest. Eine Runde über das Gelände hat sie mit ihren Freunden schon gedreht, aber genau wie Mohammed hat sie an diesem Abend doch ein wenig zu großen Respekt vor den rasanten Fahrgeschäften. Deshalb haben sie sich gegen Ende in die erste Reihe direkt vor die Bühne im Festzelt gestellt und tanzen mit orientalischem Flair zu bayerischer Blasmusik und deutschen Schlagern. Hin und wieder gucken sie sich Klatsch- und Tanzbewegungen der anderen Besucher ab und mischen sie mit den eigenen. Dann wird das Prosit der Gemütlichkeit angestimmt. Nisreen ruft: "Bsehtak!" Das heißt so viel wie Prost.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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