Couchsurfing:Die ganze Welt zu sich nach Hause holen

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Yannick und seine Freundin Theresa nehmen regelmäßig Couchsurfer auf. Dabei geht es auch um gegenseitigen Austausch

Von Luise Helmstreit, Freising

Menschen aus aller Welt stellen auf der Internetplattform Couchsurfing Reisenden zum Übernachten ihr Sofa zur Verfügung und bieten eine Gelegenheit, in einer anderen Stadt, in einem anderen Land hinter die Kulissen zu schauen. "Wer nur nach einer kostenlosen Unterkunft sucht, hat Couchsurfing nicht richtig verstanden", meint Yannick, der in seiner Wohnung in der Nähe des Freisinger Bahnhofs zusammen mit seiner Freundin Theresa regelmäßig Couchsurfer aufnimmt, ihren vollen Namen wollen sie nicht in der Zeitung sehen. "Es geht um gegenseitigen Austausch. Reisende haben fast immer viele Geschichten zu erzählen, oft unterhalten wir uns bis in die Nacht mit unseren Gästen. So kann man sich die ganze Welt nach Hause holen."

"Die meisten Couchsurfer kommen nicht, weil sie sich Freising anschauen wollen, sondern wegen der Nähe zum Flughafen. Manchmal haben wir auch Radfahrer hier, die auf dem Isarradweg unterwegs sind", erzählt Theresa. Einem völlig Fremden, den man nur von einem selbsterstellten Profil im Internet kennt, die Tür zur eigenen Wohnung zu öffnen, erfordert ein gewisses Maß an Vertrauen. "In den anderthalb Jahren, in denen wir bisher gehostet haben, hatten wir aber noch nie Probleme", erzählt Theresa. "Das Unangenehmste war noch, dass mal einer kurzfristig abgesagt hat. Ich hatte nie ein ungutes Gefühl und es ist uns auch noch nie etwas weggekommen, obwohl die Leute zum Teil um drei Uhr morgens zum Flughafen aufbrechen und wir sie nie wiedersehen."

Couchsurfer dürfen bei Yannick und Theresa alles benutzen. "Sie sollen sich wie zuhause fühlen", meint Theresa. Wenn ihre Gäste länger bleiben, geben sie ihnen einen eigenen Wohnungsschlüssel. Auch den haben sie bisher immer wieder bekommen. "Wir haben aber tatsächlich selber mal einen verloren, als wir in Kanada gesurft sind. Unser Host hat das ganz locker genommen, ist am nächsten Tag zum Schlüsseldienst gegangen und hat uns einen neuen in die Hand gedrückt." Couchsurfing, findet Yannick, erfordere eben eine gewisse Grundgelassenheit. Dass Theresa und er noch keine negativen Erfahrungen gemacht haben, liegt seiner Meinung nach daran, dass sie nur ungefähr die Hälfte aller Anfragen, die sie bekommen, annehmen und ihre Gäste sorgfältig auswählen. "Wir erwarten, dass sich die Leute unser Profil angeschaut und nicht die gleiche Nachricht an mehrere Hosts verschickt haben. Auch wer sein eigenes Profil nicht vollständig ausgefüllt hat, bekommt von uns in der Regel eine Absage."

Nach jedem Aufenthalt werden Gast und Gastgeber dazu aufgefordert, sich gegenseitig eine Bewertung zu schreiben, die nicht gelöscht werden kann und für alle sichtbar ist. Das soll anderen Nutzern Sicherheit geben. "Es kann aber auch jemand mit null Referenzen ein guter Host oder Surfer sein, schließlich hat jeder einmal angefangen. Mir ist der Ton der Anfrage wichtiger", meint Yannick. Der Betreiber der Website bietet an, die Identität durch eine einmalige Zahlung verifizieren zu lassen. "Das sagt aber nichts über die Persönlichkeit aus", findet Yannick.

Seit das Internetportal 2004 online ging, ist es stark gewachsen. Mehr als zehn Millionen Menschen haben sich registriert. Für viele ist es nicht das, was es einmal war. "Manche der ursprünglichen Couchsurfer ziehen sich inzwischen auf Plattformen wie Trustroots zurück, wo man eingeladen werden muss, um Mitglied werden zu können", erzählt Yannick.

"Couchsurfing beruht auf indirekten Gefallen ohne Gegenleistung", sagt Theresa. "Irgendwann schließt sich der Kreis. Wir erwarten keine Mitbringsel, nur dass die Leute Lust haben, sich ein bisschen zu unterhalten, aber auch Verständnis, wenn wir mal viel zu tun haben und uns nicht so viel Zeit für sie nehmen können."

Wie die meisten Couchsurfingnutzer haben Yannick und Theresa als Surfer angefangen. Später wollten sie etwas von der Gastfreundschaft, die ihnen zuteil geworden ist, zurückgeben. "Unser aufregendstes Erlebnis war, als ein Mann in Vancouver auf unsere Anfrage reagiert und uns angeboten hat, für eine Woche auf seinem Boot mitzufahren", erzählt Theresa. Manche Couchsurfer organisieren regelmäßig Treffen mit andern Gastgebern und Surfern. In Freising passiert diesbezüglich nicht so viel. "Ich habe aber auch gar nicht so das Bedürfnis, mich mit anderen Hosts auszutauschen, darum geht es ja eigentlich gar nicht", meint Yannick.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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