Bogenschießen:"Das Leben ist zu kurz, um sich zu ärgern"

Kristina Heigenhauser in Hallbergmoos, 2017

Die 29-jährige Kristina Heigenhauser zählt am Sportbogen zu den Besten der Welt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Kristina Heigenhauser kehrt mit Edelmetall von der WM zurück

Interview Von Viktoria Spinrad, Ebersberg

Sechsfache Deutsche Meisterin, zwei Weltrekorde, Weltmeisterin von 2013: Bogenschützin Kristina Heigenhauser von der BSG Ebersberg hat eine Ausnahmestellung im nationalen Bogensport. Besonders ist die Saison, die gerade hinter ihr liegt: Deutsche Meisterin bei den Compound-Meisterschaften in der Halle und im Gelände, Vizeweltmeisterin im Gelände in Frankreich. Die Krönung: Eine Bronze-, eine Silbermedaille und ein vierter Platz bei den Weltmeisterschaften in Mexiko vor zwei Wochen. Erfolge, die alles andere als selbstverständlich sind: Bei der 29-Jährigen wurde im August 2016 Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert, sie musste eine Saison pausieren, bevor sie sich wieder an die Weltspitze der Compound-Schützen kämpfte. Bei dieser Variation des Schießens wird ein Teil des Kraftaufwandes an der Sehne über Rollen verteilt. Während des Gesprächs ist sie in ihrem Bogensport-Zentrum im Chiemgau, das sie zusammen mit ihrem Mann und Trainer Roman Heigenhauser betreibt.

SZ: Frau Heigenhauser, haben Sie heute schon geschossen?

Kristina Heigenhauser: Heute noch nicht. Ehrlich gesagt bin auch froh, nach der WM ein bisschen zu pausieren. Die Saison war sehr lang, da bin ich jetzt froh, dass das jetzt erst Mal ein Ende gefunden hat, zumindest für ein paar Wochen.

Wie war es denn, mitten im historischen Zentrum von Mexiko City aus 50 Metern auf ein münzgroßes Ziel zu schießen?

Da ging es richtig toll zu, die Mexikaner haben gefeiert und richtig gute Stimmung gemacht. Es war auch mal schön zu erleben, wie wahnsinnig viele Zuschauer da waren, der Bogensport hat ja nicht die Medienattraktivität wie andere Sportarten. Ich glaube, ich hab in meinem ganzem Leben noch nie so viele Fotos mit wildfremden Leuten gemacht. Etwas ausblenden sollte man das Drumherum beim Schießen dann aber schon, ich lebe da frei nach dem Motto: Scheiß da nix, dann feid da nix.

Im kleinen Finale um Platz drei unterlagen Sie den Koreanerinnen, die alles mit Sonnenbrillen auszublenden schienen.

Jeder hat ein bisschen seinen individuellen Stil. In Korea werden Schützen eh ganz anders ausgebildet als bei uns. Dort ist das Bogenschießen mit viel Nationalstolz verbunden, für einen Olympiasieg bekommt man dort eine lebenslange Rente. Wir Deutschen sind alles Hobbyschützen, die versuchen, nebenher etwas zu trainieren und trotzdem schauen, dass sie mit der Weltspitze mithalten können.

Und Sie als Hobbysportlerin sahnen mal eben die Bronzemedaille im Einzel ab - hatten Sie sich mehr erhofft?

Mit dem dritten Platz bin ich wirklich sehr zufrieden. Vorher erhoffe ich mir eigentlich nie besonders viel, weil damit setzt man sich nur selbst unter Druck. Wenn man unbedingt aufs Podest will, dann hat man schon eine eigene Anspannung, der man erst einmal gerecht werden muss.

Die sogenannte "Target Panic" oder "Goldangst". Hat Ihre Krankheit auch Ihre Einstellung zum Sport verändert?

Man kann sich da auch verbeißen - und das ist definitiv nicht förderlich. Durch das letzte Jahr mit allen Höhen und Tiefen habe ich für mich schon mitgenommen, dass man das Leben genießen muss, verbeißen bringt nichts. Wenn man gewisse Sachen entspannter sieht und sich nicht so viel Gedanken drum macht, dann löst es sich meistens sogar einfacher - und das gilt auch für das Schießen. Ich schieße, wenn es mir Spaß macht und wenn ich Lust habe. Reinsteigern, verbeißen, irgendwas erzwingen, das will ich nicht mehr. Entweder es klappt mit Freude oder eben nicht. Kein Druck mehr! Das Leben ist zu kurz und so schön, um sich zu ärgern. Ist nur schade, wenn es so was Blödes wie meine Krankheit braucht, um das zu realisieren.

Es gab Zeiten, da konnten Sie kaum aufrecht stehen. Wie schafft man es, sich so zurückzukämpfen?

Mit dem Krebs hab ich mir nie so viel gedacht. Das ist etwas, da muss man durch und es geht weiter. Man kann sich drauf versteifen, dass man jetzt schwer krank ist, aber so habe ich es eigentlich nie gesehen. Das war eine weitere Hürde im Leben, es gibt ja auch ganz viele andere. Man kommt eh nicht drumherum, man muss einfach durch. Und Schießen, das ist mein Leben, das gehört einfach dazu.

Wieso gerade Bogenschießen?

Mir gefällt die Konzentration, man muss geistig wirklich alles geben. Und es ist ein wahnsinnig vielseitiger Sport: Compound, Recurve, Blankbogen, drinnen, draußen, auf Scheiben, auf dreidimensionale Ziele - es wird eigentlich nie langweilig.

Jetzt geht die Hallensaison los.

Ja, die BSG Ebersberg konnte sich, soweit mein Stand ist, heuer für den Winter leider keine Halle sichern. Ich werde dann hier auf dem Gelände trainieren, früher oder später dann wohl im Schnee (lacht). Ende November gibt es ein kleines Preisgeldturnier in Holland, da werden wirklich gute Schützen kommen. Einfach Spaß haben, sich untereinander austauschen, nichts, wo es um Leben oder Tod geht.

Sich nicht versteifen, richtig?

Es macht am meisten Spaß, wenn man einfach entspannt das tut, was man gern tut.

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